Belohnter Verrat

Aufklärungs- und Präventionshilfe soll der neue § 46b StGB leisten. Oder genauer: Straftäter sollen diese Hilfe leisten. Die Rede ist von der Kronzeugenregelung, über die ich ein paar kleine Gedanken verlieren möchte.

Fall 1:
Es gibt da einen Mann, der eine Frau genötigt hat, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen (§ 177 I StGB). Dafür sitzt er zunächst in Untersuchungshaft, ihn erwartet eine Freiheitsstrafe von … sagen wir mal … zwei Jahren und sechs Monaten.

Dieser Mann hatte einen Nachbarn, ein Beamter, von dem er weiß, daß er einen Subventionsbetrug (§ 264 II StGB) begangen hat.

Das Wissen über diesen Betrug des Nachbarn offenbart der Mann den Ermittlungsbehörden.

Das Verfahren gegen den Mann, dem sich die sexuell genötigte Frau als Nebenklägerin angeschlossen hat, endet mit seiner Entlassung aus der Haft ohne weitere Bestrafung.

Fall 2:
Der Mann ist zusammen mit einem anderen Untersuchungshäftling in einer gemeinsamen Zelle untergebracht. In der Notgemeinschaft zwischen den beiden Männer kommt es zu Gesprächen.

Den Inhalt dieser Gespräche berichtet der Mann den Ermittlungsbehörden, die ihn als „Knastzeugen“ willkommen heißen.

Das Verfahren gegen den Mann endet wie oben.

Fall 3:
Der Verteidiger des Mannes unterhält sich im Anwaltszimmer mit dem Verteidiger eines anderen Beschuldigten. Über dieses Gespräch berichtet der Verteidiger seinem Mandanten, der wiederum die Staatsanwaltschaft informiert.

Das Verfahren gegen den Mann endet wie oben.

Der Deutsche Richterbund hat sich im Oktober 2005 gegen die (Wieder-)Einführung der Kronzeugenregelung ausgesprochen:

Es besteht […] die Gefahr eines Missbrauchs: Um die eigene Strafbarkeit zu verharmlosen, wird falsch ausgesagt und werden Dritte zu Unrecht belastet.

Ok, eine falsche Aussage und eine unberechtigte Belastung werden bestraft. Wenn sie entdeckt werden. Aber fürchtet sich ein Täter, der eine lebenslange Haftstrafe zu erwarten hat, vor dieser Bestrafung, wenn er durch eine falsche Bezichtigung statt „LL“ zum Beispiel nur fünf Jahre erwarten kann?

Ich bin gespannt, wie lange diese Regelung Bestand haben wird und wie sich die Praxis darauf einstellt. Es ist nichts Gutes zu erwarten.

Besten Dank an Stefan Conen, der diese Probleme in einer Fortbildungsveranstaltung der Berliner Strafverteidiger thematisiert hat.

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht, Verteidigung veröffentlicht.

10 Antworten auf Belohnter Verrat

  1. 1
    egal says:

    Ich sehe das weniger problematisch an.

    Im Fall 1 scheint der Schuldvorwurf wohl nicht so hoch gewesen sein, wenns nur 2 1/2 Jahre war, wenn man dies im Rahmen des Strafrahmens betrachtet.

    Da es eine „kann“-Regelung ist, hat das Gericht ja durchaus die Einzelheiten des Falls zu berücksichtigen und ein gefährlicher Sexualtäter würde sicherlich nicht früher rauskommen. Da hat die Presse in den letzten Jahren schon „gute“ Arbeit geleistet, dass inzwischen der Vergewaltiger und Kinderschänder auf der Stufe eines Mörders bzw. sogar noch unter diesem steht.

    Fall 2 ist hingegen so ein Fall, wo ich da wenig Verständnis habe. Spätestens wenn sich das rumgesprochen hat, erzählt auch der dumme UHäftling nichts mehr.

    Es gibt auch keinen besonderen Grund, warum man diese Gespräche nicht verwerten sollte. Wenns danach gehen würde, müsste man wohl generell sich fragen, ob es noch Zeugen geben darf. Vertraulich ist ja so vieles.

    Auch muss sich ein UHäftling oder Gefangener klar sein, dass er dort keine Freunde hat. Wer so redselig ist, muss damit leben, Nachteile zu haben.

    Fall 3 ist wohl eher ein Problem des Anwalts, oder?

    Das Vertrauen in die Richterschaft scheint wohl nicht sonderlich groß zu sein. Dass eine Zeugenaussage immer aus den unterschiedlichsten Gründen falsch sein kann, ist doch bekannt. Daher gibt es ja auch Fragetechniken und andere Mittel, die Glaubhaftigkeit des Zeugens zu hinterfragen.

    Dass vermutlich eine Aussage eines Kriminellen, der sich dann über diese Regelung Vorteile verspricht, nicht ganz so schwer wiegt wie eine Aussage eines neutralen, unabhängigen Zeugens wird sicherlich auch von der Richterschaft berücksichtigt werden.

    Die Welt ist am § 31 BtmG auch nicht zugrunde gegangen, wobei die Ausweitung dieser Regelung von der szenetypischen Undurchschaubarkeit zu der allgemeinen Strafrechtspflege durchaus ein großer Schritt ist.

  2. 2
    Tom Paris says:

    Ich fand bereits den § 31 BtMG problematisch. Die übelsten Drogendealer, oftmals vielfach vorbestraft, denen kein Richter im Normalfall nur ein Wort glauben würde, gelten plötzlich als die glaubwürdigsten Zeugen der Welt.

    Sie erinnern, oftmals selbst drogenabhängig, Jahre später plötzlich exakt Lieferdaten und Liefermengen hinsichtlich jedes einzelnen Angeklagten, wissen genau, wann, wie, wo und wem geliefert wurde. Es war nämlich stets genau so, wie es in der Anklageschrift steht. Näheren Befragungen halten die Kronzeugen nicht stand. Außer den Umständen, die in der Anklageschrift stehen, erinnern sie nichts. Üblicherweise ein Grund, eine Aussage in Zweifel zu ziehen und dem Zeugen mit einem Verfahren wegen Falschaussage zu drohen. Nicht jedoch dem Kronzeugen. Er ist der beste Freund des Staatsanwalts und wird von diesem mit Löwenmut gegen jeden Angriff der Verteidigung in Schutz genommen.

    Der Staatsanwalt und sein Kronzeuge sind aus meiner Sicht die traurigsten Gestalten im Strafprozeß. Aber auch Richter, die sich auf dieses Spiel einlassen, bekleckern sich nicht mit Ruhm, wenn sie dem schlingernden Kronzeugen, der sich nur an das erinnert, was von ihm erwartet wird, in der Urteilsbegründung stotternd volle Glaubwürdigkeit bescheinigen. Ein unwürdiges Schauspiel.

  3. 3
    matze says:

    Lässt sich der Paragraph nicht auch für Selbstjustiz missbrauchen ?

    Nehmen wir an jemand vergewaltigt die Tochter eines Familienvaters, der Vater erfährt davon und könnte das auch beweisen, er geht aber nicht zur Polizei sondern prügelt den Täter auf die Intensivstation.

    Nach der Tat offenbart er das Verbrechen, das an seiner Tochter begangen wurde, und bekommt evtl. Strafmilderung aufgrund § 46b StGB ?

  4. 4
    name(erforderlich) says:

    Ich dachte immer Kronzeugen würden nur Straferlass für mit dem Fall verbundenen Taten erhalten.

    Sowas wie: A, B und C haben ein paar Leute betrogen dies lässt sich aber schwer nachweisen. Wenn einer auspackt, bekommt er eine Straferleichterung, aber nur für diesen Betrug und eben nicht für eine Vergewaltigung die er auch noch begangen hat.

  5. 5

    Na, sehen’se, da haben Sie heute wieder etwas hinzugelernt: Der Verrat einer Geldwäsche führt ab dem 1.9.09 zum Rabatt bei einer Vergewaltigung.

  6. 6

    Ich sehe da ebenfalls durchaus eine Gefahr der Falschbeschuldigung anderer. Gerade wenn ein Täter selbst im Milieu verwurzelt ist,wird er immer Gelegenheit haben, andere anzuschwärzen, bei denen eine Nachforschung dann tatsächlich etwas zum Vorschein bringt, unabhängig davon, ob der Ausgangstäter davon Kenntnis hatte oder nicht.

  7. 7
    doppelfish says:

    Michael Martins: Dazu braucht man ja nicht einmal Falschbezichtigungen. Das Spielchen dürfte sich ja innerhalb der Szene rumsprechen. Und die Hemmungen, einen Komplizen und Mitwisser zum Schweigen zu bringen, dürften deutlich sinken. Nicht, daß der sich, wenn er mal geschnappt wird, wegen § 46b StGB zu offen über frühere Geschehnisse äussert, um die eigene Haut zu retten.

  8. 8
    Mc Kilroy says:

    Lerneffekt:

    Bei Kenntnis schwerer Straftaten niemals zur Polizei gehen, lieber alles gut dokumentieren und sicher aufbewahren.

    Wenn man dann selbst mal die Sau rauslässt kommt man dadurch wahrscheinlich billiger davon.

    Das ist genau der gegenteilige Effekt dieses Gestzes.

  9. 9

    […] viaKanzlei Hoenig Info » Blog Archive » Belohnter Verrat. Kommentare (0) […]

  10. 10

    […] diese unsägliche Norm habe ich hier im Blog bereits eine Menge Worte verloren. Auf den Beitrag „Belohnter Verrat“ möchte ich besonders hinweisen, da er ein paar griffige Beispiele enthält, deren Probleme wohl […]