Dem Staatsanwalt war es erkennbar bereits schon lästig, daß der Geschädigte – mein Mandant – mit einem Rechtsanwalt – also mit mir – vor der Jugendstrafkammer erschien. Er hielt sich aber noch bedeckt, als der Vorsitzende über meinen Antrag auf meine Beiordnung als Zeugenbeistand entschied.
Mein Mandant ist bereits im Ermittlungsverfahren mehrfach vernommen worden. Dort hatte ihn jeweils kein Rechtsanwalt begleitet. Aus den Vernehmungsprotokollen ergeben sich (daher?) massive Widersprüche. In der ersten Vernehmung war keine Rede von einem Stockeinsatz; dieser Stock tauchte erst in einem späteren Verhör auf. An diesen letzten Auftritt beim Landeskriminalamt hatte der Geschädigte noch ziemlich üble Erinnerungen.
Es gab weitere problematische Details – Messer/kein Messer und Pistole/keine bzw. „spätere“ Pistole – in den verschiedenen Protokollen.
Außerdem gab es ein weiteres, nicht abgeschlossenes Strafverfahren, das ein paar spannende Bezüge zu dem hiesigen Verfahren hatte; auch dort spielt der Mandant eine Rolle, allerdings nicht als Geschädigter.
Er sollte nun als Zeuge von drei erfahrenen Berufsrichtern, einem – eben diesem besagten – Staatsanwalt, vier kernigen Strafverteidigern und zwei Sachverständigen (erneut) vernommen werden. Es bestand also ein ernst zu nehmendes Risiko, daß sich der noch nicht volljährige Mann um Kopf und Kragen redet. Selbst dann noch, wenn ich neben ihm sitzen bleibe und aufpasse. So ein Zeugenbeistand hat nicht allzu viele Möglichkeiten, in eine Beweisaufnahme einzugreifen.
Aber für diese Problemfälle hat sich der Gesetzgeber eine Norm ausgedacht, den § 55 StPO. Der besagt ungefähr, daß niemand eine Aussage machen muß, wenn die Gefahr besteht, daß wegen dieser Aussage ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werden könnte. Ein vielleicht reicht dabei schon.
Deswegen habe ich meinem Mandanten dazu geraten, sich genau auf diese Vorschrift zu beziehen und die Auskunft auf alle Fragen zu verweigern. Der Geschädigte war aber nun mal der Hauptbelastungszeuge, und den wollten weder das Gericht, noch der Staatsanwalt einfach so „laufen“ lassen. Es gab eine länger andauernde Diskussion, ich habe ein paar Anträge gestellt und es wurden reichlich Argumente hin und her geschickt.
Der Staatsanwalt verstieg sich dazu, das Gericht aufzufordern, mich als Zeugenbeistand wieder zu entpflichten. Ich sei nicht vorbereitet, kenne die Akten nicht und überhaupt wolle ich nicht mitteilen, von wem ich mein spärliches Wissen um die Details denn habe.
Unterstützung bekam mein Mandat selbstredend auch von den vier Verteidigern. Und der Staatsanwalt ärgerte sich zunehmend darüber, daß ich als Zeugenbeistand ihm als Inquisitor die „Beweisführung“ verhageln wollte. Es ist dann wohl seinem jugendlichen Elan zuzuschreiben, daß ihm – bei voll besetzter Galerie – rausrutschte:
So einen Zeugenbeistand sollte man besser abschießen.
Das Gericht lies sich von diesem postpubertären Verhalten des noch heranwachsenden Strafverfolgers nicht sonderlich beeindrucken, schloß sich meiner Ansicht an und die Beweisaufnahme war ohne die Vernehmung des Geschädigten beendet.
Bild: magicpen / pixelio.de
Staatsanwälte küsst man nicht.
Erschießen sollte man sie auch nicht.
Jetzt läuft ja in München dieser makabere Prozess, wo dem Transportunternehmer (Mörder/ Todesschütze) wg. Diabetes beide Beine amputiert worden sind und er im Krankenhausbett liegend im Nachthemd unter einer blauen Wolldecke in den Gerichtssaal geschoben worden ist.
Eine bizarre Show.
In diesem Fall hat der Herrgott bereits gerichtet – er, der Angeklagte, wird, ehe 15 Jahre herum sind, das Haftkrankenhaus im Zinksarg verlassen, meinen die Ärzte.
Also, schön friedlich bleiben, lieber Carsten.
Erst mal eine rauchen, ist ja verboten in den Gerichten, aber mit dem jugendlichen Mandanten einen heißen Tee trinken, und fragen, ob er eine Lehrstelle hat (falls überhaupt ein Hauptschulabschluss vorhanden sein sollte).
Staatsanwälte sind schon ein Kapitel für sich…..
Ansonsten raschelndes Herbstlaub, Kandiszucker in den Schnaps und diesen mit Tee verdünnen… oder schöne Laubsägearbeiten anfertigen, falls die Gattin töpfert und strickt…
@?????
Der Staatsanwalt war der Schütze. ;-)
So ist das mit Lügnern. Sie erzählen immer verschiedene Geschichten und müssen dann die 55er – Karte ziehen.
Ärgerlich. Durch so was wird die Wahrheitsfindung nicht erleichtert.
Zeugenbestand und Zeugenbeistand passt beides gut. War nicht ganz klar, wen der StA nun meinte.
Ich dachte immer, der 55er zählt nur bei wahrheitsgemäßer Beantwortung von einzelnen Fragen.
Aber im Zweifel sind einige Zeugen halt sehr vergesslich, so durcheinander oder haben so viel darüber nachgedacht, dass man Wahrheit und Vorstellungen nicht mehr auseinanderhalten kann.
[…] den “abschießenden Staatsanwalt” […]