Monika de Montgazon saß nach einem Fehlurteil 888 Tage im Gefängnis. Unschuldig, weil die Gutachter des Landeskriminalamts Fehler gemacht hatten.
Den Fehlernachweis hat sie selbst erbracht, indem sie aus dem Knast heraus Sachverständige (sic!) beauftragt hatte. Die seien aber zu teuer gewesen, meint nun das Kammergericht. Monika de Montgazon wäre verpflichtet gewesen, die Preise herunter zu handeln. Oder sich billigere Gutachter (wie solche vom LKA?) besorgen sollen.
Da hat wohl ein Kostenbeamter beim Kammergericht den Knall nicht gehört.
Weitere Infos im Tagessspiegel.
Update:
Ausführlicher berichtet RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. unter Bezugnahme auf den Volltext der Entscheidung,
Danke!
125 Euro die Stunde. 112.000,- Euro. Macht 896 Arbeitsstunden für Gutachten.
Wow!
Mir kommen 125,- Euro pro Stunde bei so einem Arbeitsumfang auch sehr hoch vor. Warum sollte das der Steuerzahler begleichen? Klar: moralisch wäre es richtig. Aber man stelle sich mal vor, die Kosten hätten 300 Euro pro Stunde betragen (wie bei manchen Anwaltsgroßbuden). Wäre das dann auch ok gewesen? Oder darf erst bei 500 Euro die Stunde gekürzt werden? Wo ist die Grenze? Insofern ist die Kürzung schon ok.
@Wuce Brillis:
Und wenn es Millionen an Kosten wären. Augenscheinlich hat die Justiz im Vorfeld versagt. Jetzt wurden zusätzlich noch schlechter Stil und fehlendes Ehrgefühl zur Schau gestellt.
Wenn man sonst nichts hat, worauf man stolz sein kann.
@ Wuce Bill is
Man könnte auch auf den Gedanken kommen, dass der Anwalt in einer der „Anwaltsgroßbuden“ sich nur seine Zugehörigkeit zu einer angesehenen Juristentruppe und seine nicht übertrieben große Human- und Sachkapitalausstattung (promoviert an staatlicher Uni im Vorstudiengebühren-Zeitalter, der Schönfelder auf dem Nachtisch) verzinsen lässt.
Ein Unternehmer, der naturwissenschaftlich reproduzierbare Brandbegutachtung betreiben soll (und dabei die ruhmreichen Vollprofis vom LKA widerlegen will) braucht dazu womöglich etwas mehr Kapital.
Da sind die Kosten womöglich schon nicht mehr ganz so himmelschreiend hoch.
Die Diskrepanz zwischen den Stundensätzen für gerichtlich bestellten Gutachtern (Höchstsatz nach JVEG 85 Euro die Stunde) und privatwirtschaftlich arbeitenden Gutachtern ist ja bekannt. Der Satz von 125 Euro die Stunde, der hier verlangt wurde, liegt eigentlich im üblichen Rahmen dessen, was von öffentlich bestellten und vereidigten Gutachtern auf diesem Gebiet abseits der Gerichtskosten verlangt wird.
Wirtschaftlich denkende Menschen und Unternehmen setzen Arbeitskräfte ein, die noch viel höhere Stundensätze verlangen. Juristen, Softwarespezialisten, Consulting Experten… Das Gericht geht irr im Verständnis des Begriffs ‚wirtschaftlich‘. Wirtschaftlich aus Sicht des Kunden ist das, was ein Ergebnis bringt. Kein Unternehmen wird es sich nehmen lassen, auf den ersten Blick unvernünftige Stundensätze zu zahlen, wenn es nicht erwartet, deutlich mehr daran zu verdienen, was am Ende rauskommt.
Der Arbeitsaufwand, naja, 5 Gutachten, soweit man liest, dazu eine komplexe Materie, Brandgutachten sind kein einfaches Gebiet, vielfältige Einflüsse, die es zu berücksichtigen gilt, viele Fachgebiete sind betroffen. Zumal es ja ein stark umstrittenes Thema war. Mehrere Gutachten im Vorfeld der Erstverurteilung, die sind alle ziemlich uneinig waren.
Ich würde es der Freigesprochenen wünschen, wenn sie mit ihrem weiteren Vorgehen Erfolg hat. Denn aus der Situation einer Inhaftierung heraus von der fälschlich verurteilten zu verlangen, sie solle einen billigeren Sachverständigen wählen, der möglicherweise eben den Nachweis ihrer Unschuld nicht führen kann, ist schon happig. Oder über den Preis verhandeln. Sicher, ein bissel ist immer drin, schon aufgrund des Umfangs, aber mehr als 30% Nachlass? Den Sachverständigen möchte ich sehen, der das mitmacht.
Ich verstehe gar nicht, wie man angesichts der Schäbigkeit und der Unfähigkeit der Richter, ein Fehlurteil zu korrigieren ohne nachzukarten sich über Inhalte austauschen kann.
Die einzige Frage, sie man sich angesichts solcher Urteile (es haben Richter entschieden, nicht Kostenbeamte), stellen muss, ist, ob man, solange man solche Richter nicht aus dem Amt jagen kann, weiter Teil einer solchen Menschen verachtenden Justiz sein will. Das gilt natürlich und grade auch für unabhängige Organe der Rechtspflege.
Einfach nur krank!
Kann die zu Unrecht Verurteilte nicht einfach mit Schadenersatzansprüchen aufrechnen? Oder geht das nicht?
Davon hat sie ja auch nichts, weil sie am Ende das ja dann selber tragen muss, was m.E. ein Unding ist!
Letzlich finde ich es auch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass die Freigesprochene auf den Kosten sitzenbleiben soll.
Aber letzlich geht es doch darum, dass es juristisch gesehen keine (saubere) Möglichkeit für den Richter gab, die vollen Kosten zu erstatten.
Jetzt bin ich mal auf das BVerfG gespannt, sollte dieser die Beschwerde denn überhaupt zur Entscheidung annehmen – die sind, wenn es sein muss unglaublich keativ :)
Warum 5 Gutachten ?
Eines hätte auch gelangt.
Manchmal läift es auch gut für Beschuldigte mit Millionenvermögen.
Bankenskandal
Marathonmann bleibt depressiv
Der Ex-Aubis-Manager Christian Neuling hat Depressionen und muss nicht mehr vor Gericht erscheinen. Noch im September nahm Neuling, eine der Schlüsselfiguren im Berliner Bankenskandal, am Berlin-Marathon teil. Ein psychiatrisches Gutachten beschreibt Selbstmordgefahr, depressive Störung und eine schwere narzisstische Krise.
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,454817,00.html.
Nur er guten Ordnung halber: in den Fällen, wo ein Tatverdächtiger/Angeklagter zu einem eingestellten Verfahren kommt (sehr viel üblicher als ein Freispruch), bleibt er auch auf den Kosten des Anwalts und etwaigen Kosten eines eingeschalteten Gutachters sitzen.
Vor Gericht gibt es nunmal (meist) nur ein Urteil, mehr nicht; weder Moral noch Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit gibt es also nur für die Staatsbürger, die sich es leisten können dafür zu zahlen.
Alles klar.
Resultat einer neobliberalen Zweiklassenpolitik mit allen ihren Rechtsfolgen.
Aus dem verlinkten Tagesspiegel-Artikel: „Von der Erstattungspflicht ausgenommen sind Kosten, die eine wirtschaftlich denkende Person nicht aufgewandt hätte“
Dann ist ja alles klar: Es ist selbstverständlich, daß jemand zur Erlangung der Freiheit ALLES einsetzt, was auf dem Markt ist. Das ist sogar in höchstem Maße ökonomisch. Jeder Ökonom kann das erklären, daß das nunmal so ist bei Problemstellungen, wo es als Ergebnis nur JA (=Freiheit) und NEIN (=sowieso alles egal und hohe Schulden kein Thema mehr) gibt und keine Zwischenwerte. Da sieht das berühmte „ökonomische Prinzip“ ein wenig anders aus als im Anfängerlehrbuch – nämlich genauso wie es die jetzt Freigelassene angewendet hat.
Man sollte als Gutachter einen Mathematiker benennen, der sich mit ökonomischer Spieltheorie ein wenig auskennt. Da gibts ja sogar einen Nobelpreisträger zum Thema in Deutschland – aber der wäre wohl ebenfalls zu teuer.
Gibt es irgendwo einen Spendenaufruf? Ich wäre dabei.
[…] die Stimmen zur Entscheidung des KG v. 20.02.2012 – 1 Ws 72/08 – betreffend Erstattung von SV-Kosten nach einem Freispruch, vgl. auch hier, hier […]
Also was mich dabei mal interessieren würde: Richter sind ja bei Fehlurteilen fein raus. Aber die Ersteller der falschen Gutachten sollten doch eigentlich schadensersatzpflichtig sein. Und da regelt die Schadenshöhe keine gesetzliche Kostengrenze.
[…] hatte am 11. April einen Beitrag zu diesem Fall veröffentlicht, mit Verlinkung auf einen Bericht von Rechtsanwalt Burhoff zum selben Thema – […]