Der Supergau in einem Gespräch mit dem Verkehrspolizisten tritt ein, wenn der Autofahrer ihn fragt: „Haben Sie eigentlich nichts Besseres zu tun? Gehen Sie lieber Verbrecher jagen!“ Aber ich bin ja hier nicht als Autofahrer unterwegs.
Es geht immer noch – seit Oktober! – um die Fahndung eines gefährlichen Rechtsbrechers. Trotz des Aufrufs hier im Blog und einer ersten Androhung empfindlicher Übel durch den Polizeipräsidenten hat man den Täter noch immer nicht ermittelt.
Nun werden Zielfahnder eingesetzt:
Bevor der Polizeioberkriminale nun „an der Wohnanschrift“ Ermittlungen durchführt, wird der Halterin nochmals ein Friedensangebot gemacht. Ihr wird sogar die Wahl gelassen: Anrufen, Faxen oder Vorbeikommen, um den Fahrer („männlich“) zu verraten.
Vergleichbar mit den Mahnläufen in den so genannten Vertragfallen-Fällen droht der PolPräs ein weiteres Mal, diesmal jedoch richtig konkret mit:
- Fahrtenbuchauflage
- Beschaffung von Vergleichsfotos von Familienangehörigen
- Ermittlungen an der Wohnanschrift
Nochmal zur Erinnerung: Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 7 km/h, also um ein Verwarnungsgeld in Höhe von 15 Euro.
Zur Fahrtenbuchauflage
Es muß nicht besonders hervorgehoben werden: Die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage müßte verhältnismäßig sein (vgl. OVG Münster, Urteil vom 29. 4. 1999 – 8 A 699/97):
Allerdings rechtfertigt nur ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht eine solche Anordnung. Wird nur ein einmaliger, unwesentlicher Verkehrsverstoß festgestellt, ist die Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt. Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist dabei an jenem Punktsystem zu orientieren, das […] als Anlage 13 Bestandteil der FeV vom 18. 8. 1998, BGBl I, 2214, ist.
Nach diesen Kriterien dürfte die Anordnung keinen Bestand haben, deren Androhung sollte daher auch unterbleiben.
Vergleichsfotos von Familienangehörigen
Für einen durchschnittlich begabten Polizeibeamten, der einen Computer einschalten kann, dürfte das Dank POLIKS kein Problem sein. Der Zielfahnder sollte imstande sein, eine „Familienaufstellung“ zu fertigen und das Ergebnis seiner Betrachtung auf ein Stück Papier zu notieren. Ob die rechtlichen Voraussetzungen für diese Datenabfrage vorliegen, wird ihm im Zweifel seine vorgesetzte Stelle mitteilen. Auch bei diesem Dateneingriff gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz uneingeschränkt. Was soll diese heiße Luft also?
Hausermittlungen
Die Ermittlungen vor Ort in Neukölln Nord, wo sich der Abschnitt 54 befindet, kann für einen uniformierten Polizeibeamten – je nach Kiezlage – durchaus als Abenteuer betrachtet werden. Deswegen geht man auch gern mal zu zweit oder dritt auf Streife, wenn es die Personallage erlaubt. Es dürfte schon spektakulär werden, wenn dann das mobile Einsatzkommando morgens früh um 10:30 Uhr (in Neukölln heißt das: Mitten in der Nacht) im Hausflur des Hinterhauses steht, an den Wohnungstüren klingelt und fragt: „Kennen Sie diesen Mann?“ Die Antworten und Reaktionen der Nachbarn würde ich gern live erleben.
Fiat iustitia, et pereat Neocollonia – oder doch lieber § 47 Abs. 1 OWiG?
Ich möchte an die eingangs gestellte freche Frage anknüpfen: Solange in Nord-Neukölln und Kreuzberg wegen so einer Kleinigkeit in kohlhaas’scher Manier der Rechtsstaat durchgesetzt werden kann, kann es mit der Personallage bei der Landespolizei nicht so schlecht aussehen, wie uns die GEW (oder wie auch immer die Polizeigewerkschaft heißen mag) glauben machen möchte.
Und überhaupt
Wenn die Polizei schon mit der Brechstange versucht, die Einhaltung der Spielregeln durchzusetzen, dann – bitteschön – soll sie sich auch an die Regeln halten! Das tut sie nämlich nicht, wenn die Behörde erneut mit so einem Anschreiben der Bürgerin verschweigt, daß sie hier keine Mitwirkungspflicht hat, gegenüber der Polizei ohnehin nicht aussagen muß und im übrigen Auskunftsverweigerungsrechte aus §§ 52, 55 StPO haben könnte. Wenn sich „der Staat“ schon so daneben benimmt, wird er von seinen Bürger keine Loyalität erwarten dürfen.
Schau’n wer ma, wie sich das Ganze noch auswächst.
Die suchen den Führer? Ist das ein Fall für den Verfassungsschutz?
Familienaufstellung?
Das ist so eine Sache mit Feldenkreis oder so ähnlich.
Man kann auch dienstags und freitags in die Volkshochschule gehen, um dort 17-18 Uhr gegen Gebühr zu atmen.
Wenn die fesche Tippse vom Polizeipräsidenten nun die Serienbrieffunktion einigermaßen beherrschen würde, dann wäre sie in der Lage, auf die Anrede „Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr“ zu verzichten und dort den Familiennamen ein zweites mal, passend zum Geschlecht, irgendwie unterzubringen.
Ja, und dann kommt die hohe Kunst der Programmierung – Serienbrief mit Doppelnamen wie bei unserer Justizministerin oder Doktortitel oder Adelstitel.
Die Sekretärinnen der Kanzlei Hoenig ziehen diese Nummer aus dem linken Ärmel, jede Wette.
Von der Polizei sollte man das nicht erwarten, die nehmen jeden.
Wie hinlänglich bekannt ist, ist Berlin nahezu Bankrott – da wird jetzt um jeden Cent gekämpft! ;)
@Sebastian
Porto, Papier- wie Druckkosten und Arbeitsaufand der Schreibkraft dürften in diesem Fall wohl mittlerweile die möglichen Einnahmen überschreiten.
Vielleicht ist der Hintergedanke dabei, dass die Halterin nach genug gesammelten Anwaltskosten durch sinnlose Briefe vom Präsidenten aufgibt.
Foto kann eingesehen werden?
Was soll der der Sch…? Wir haben nix?
Für gute Fotos bin ich ja gerne bereit 15 Euro Bearbeitungsgebühr zu zahlen, aber nicht wenn es nicht dabei ist.
Wessen Geld wird dann da eigentlich gerade für Ihr Honorar verschwendet, weil sich jemand vor vermutlich gerechtfertigten 15 € drücken will (gegen den Vorwurf wird ja nicht argumentiert)?
Ist das das Privatvergnügen der Mandantin, oder ist das mein Geld als Verkehrsrechtsschutzkunde?
Eine VRV habe ich übrigens nicht, um mich gegen jeden Scheiß zu wehren, weils nichts kostet, sondern, um nicht auf tausenden Euro Anwaltskosten sitzen zu bleiben, weil mein Auto von jemandem kaputtgefahren wurde, der das alles ganz anders in Erinnerung hat und bei dem nachher nix zu holen ist.
Gut das solche Leute zumindest irgendwann aus der Versicherung fliegen.
Die Rechtsschutz nützt ihnen nichts, wenn beim Gegner nichts zu holen ist.