Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger veröffentlichte heute eine weitere, die nachfolgende Presseerklärung:
Die polizeiliche Richterschelte, nach der Haftverschonungen ein „Schlag ins Gesicht der Ermittler“ seien, ist in Wahrheit nicht anderes als ein Anschlag auf die Gewaltenteilung.
Die Polizei ist weder rechtlich noch tatsächlich berufen, richterliche Entscheidungen in der Öffentlichkeit zu kommentieren. Polizeibeamte, die eine Haftverschonung als „Schlag in ihr Gesicht“ kommunizieren und sich als Opfer richterlichen Handelns stilisieren, äußern sich angesichts des vorläufigen Tatbildes im Fall „Jonny K“ nicht nur in der Wortwahl geschmacklos.
Es ist auch zu fragen, ob bei einem derartigen kompetenzüberschreitenden Eifer in den Reihen der Polizei, die von der Strafprozessordnung geforderte Objektivität der Ermittlungen noch gewährleistet ist, wenn die befassten Beamten sich als Opfer einer Haftverschonung begreifen.
Die Sorge, dass es nach den jüngsten Verlautbarungen an der gesetzlich geschuldeten Objektivität der Ermittler fehlen könnte, wird auch dadurch genährt, dass offenkundig Polizeibeamte Ermittlungsergebnisse und –hypothesen dienst- und gegebenenfalls strafrechtswidrig an die Presse durchstechen, um Stimmung zu machen.
Dieses – keineswegs erstmalige – Vorgehen von Polizeibeamten harrt der Bewertung der Polizeigewerkschaften, die sich hierzu noch nie geäußert haben, ebenso wie derjenigen der Staatsanwaltschaft. Nicht erst seit dem Prozess gegen Kachelmann weiss man, dass ein rechtsstaatliches Verfahren kaum noch zu gewährleisten ist, wenn der Prozessstoff selektiv an die Öffentlichkeit gespielt wird.
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger ist der Ansicht, dass die Angehörigen von „Jonny K.“ ebenso einen Anspruch auf umfassende Aufklärung des Sachverhalts haben wie die Beschuldigten, dass diese im Rahmen des geltenden Rechts stattfindet. Zu diesem gehört es aber schon dem Grundgesetz nach, dass über Freiheitsentzug allein Richter zu entscheiden haben.
Polizeigewerkschafter, aber auch Politiker, die den hiesigen Fall zum Anlaß nehmen, populistische Süppchen zu kochen, handeln zynisch und verantwortungslos. Dem Rechtsstaat und einer gesetzesförmigen Aufklärung des Sachverhalts kann ihre Sorge jedenfalls nicht glaubhaft gelten.
Für den Vorstand
Rechtsanwälte Stefan Conen und Peter Zuriel
Eine aufgeheizte Stimmung ist mitnichten geeignet, das anstehende Verfahren dem zu machen, auf das alle Beteiligten – insbesondere die Hinterbliebenen und die Beschuldigten (mit ihren Familien) – gemeinsam einen Anspruch haben. Es ist müßig, die Gossenschreiber zur Mäßigung anzuhalten. Zumindest von den ermittelnden sowie von den politischen Beamten ist aber zu erwarten, daß sie sich zumindest an die Grundlagen erinnern, auf denen unser Rechtsstaat steht.
Populistisches Geschwätz und (möglicherweise strafbares) Offenbaren von Dienstgeheimnissen dient nur der Eitelkeit der Schwätzer und Verräter, schadet aber allen anderen.
Es wäre vielen in diesem Land gedient, wenn irgendein Richter endlich alle Satzkombinationen mit „Süppchen kochen“ verbieten und/oder mit 5000€ ins Phrasenschwein bestrafen würde. Danke schon im Voraus.
Ausgerechnet Stefan Conen. Der spielt in diesem Video eine unrühmliche Rolle als seine Mandanten aus einer arabischen Großfamilie ein TV-Team anpöbeln, bedrohen und körperlich attackieren:
http://www.spiegel.tv/#/filme/ruede-attacke-auf-journalisten/
@ Hisham
Was genau meinen Sie?
Die Polizei prügelt fleißig gegen die „schöngeistige Rechtspflege“: http://tagesschau.de/inland/koblenz122.html
Seien Sie froh, in Bremen jonglieren die Großfamilien nicht mit Wasser …
Fragwürdiger als die Rolle des Anwaltes in der Videosequenz finde ich indes die der Justizangestellten :-/
[…] an Lotte für den Hinweis auf den Tagesschaubericht. Dieser Beitrag wurde unter Polizei […]
@Sebastian Schmidt
Haben Sie das Video gesehen? Dann verstehe ich Ihre Frage nicht.
@#5
Richtig.
@Hisham:
Sie meinen den einseitigen Zusammenschnitt von Spiegel-TV? Kuschen die Justizbeamten da wirklich oder hat das Drehteam – Journalisten kann man die ja nicht nennen – vielleicht selbst vorab provoziert und die Reaktionen selbst hervorgerufen?
Ich habe schon einmal erlebt wie massiv sich Drehteams verhalten und am Ende genau die Szenen zusammenschneiden, die sie brauchen. Zum Glück ging es dabei nicht um mich selbst, ich war nur Zuschauer.
„Untersuchungshaft allein der Verfahrenssicherung dient. Der Vollzug der Untersuchungshaft gilt als schwerer Eingriff in die Unschuldsvermutung und darf nur unter sehr engen Voraussetzungen verhängt werden. Untersuchungshaft bedeutet keine vorweg genommene Strafe und dient erst Recht nicht der Abschreckung.“
Schön, dass sich da auch mal dran gehalten wird.
Aber die Polizei – besonders die Polizeigewerkschaft hat ja bekanntermaßen eine, um es vorsichtig auszudrücken, eigene Rechtsauffassung.
Danke! Danke für das Abdrucken dieses vollkommen richtigen Textes, den ich sonst nie zu Gesicht bekommen hätte!