Bagatellartiger Welpenschutz

435671_web_R_by_Sabine Holzke_pixelio.deEin Kollege hatte reklamiert, daß der Polizeibeamte seinen Mandanten belogen habe. Bei einer Verkehrskontrolle hatte der Polizist dem Autofahrer wahrheitswidrig mitgeteilt, er – der Beamte – sei aufgrund eines richterlichen Beschlusses zur Anordnung der Blutentnahme berechtigt. Es gab schlicht keinen solchen Beschluß. Trotzdem wurde dem Mandanten gegen seinen ausdrücklichen Willen Blut abgenommen.

Die Staatsanwaltschaft lehnte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Polizeibeamten ab. Die Beschwerde des Kollegen gegen diese Ablehnung hatte keinen Erfolg.

Aus der Begründung des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg:

Die von Ihnen beanstandete Täuschung über das Vorliegen einer richterlichen Anordnung nach § 81 a StPO kann unter dem Gesichtspunkt eines strafprozessualen Verwertungsverbots und auch unter dem einer Dienstpflichtverletzung bedeutsam sein, erfüllt aber keinen Straftatbestand.

Die Entnahme der Blutprobe selbst lässt an eine Körperverletzung im Amt gemäß § 340 StGB denken. Es erscheint aber bereits fraglich, ob ein so geringer Eingriff wie der Einstich einer Kanüle das Merkmal der körperlichen Misshandlung erfüllt.

Selbst wenn das so gewertet werden könnte, hätte sich ein die Entnahme einer Blutoprobe anordnender Polizei beamter nicht strafbar gemacht, denn zu dem bagatellartigen körperlichen Eingriff wäre es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch bei der Beteiligung eines Richters gekommen.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie rührend sich Staatsanwälte um ihre Hilfsbeamten bemühen.

Moral ist ganz wichtig. Gut, wenn man sie doppelt hat.

Bild: Sabine Holzke / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Polizei, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

21 Antworten auf Bagatellartiger Welpenschutz

  1. 1
    HD says:

    Da bleibt einem die Spucke weg. Was da mitgeteilt wird, ist schlicht unvertretbar. Wenn Blut fließt, ist es eine Körperverletzung. Das ist nicht fraglich, sondern klar wie kaum etwas anderes. Und was soll das für ein Rechtfertigungsgrund sein: mutmaßliche richterliche Anordnung? In meinem Lehrbuch steht der nicht. Angesichts der Lüge scheidet ein Erlaubnistatbestandsirrtum jedenfalls aus.

    Ist dem Sachbearbeiter beim General nicht bewusst, dass § 339 StGB auch für ihn gilt? Da kann er sich jetzt nur noch herausreden mit: ich bin halt doof…

  2. 2
    Jochen Hoff says:

    Es mag ja für Anwälte besonder schwer einzusehen sein, aber es ist doch längst klar, dass es keinen Rechtsstaat gibt.

    Die Polizei hat immer recht, und ein Land in dem Herr Buske, als Berufungsinstanz seine eigenen Urteile oder die seiner Kammer prüft ist rechtlich ein Witzh.

  3. 3
    Flughund says:

    Herr Hoenig, hätten Sie mal die Adresse dieses Herrn Generalstaatsanwalts da? Ich glaube, da gibt es mehrere Zehntausend sowohl haupt- wie auch ehrenamtliche Sanitätskräfte in diesem Land, die sich bei ihm bedanken wollen. Er hat ihnen nämlich mit der Begründung Rechtssicherheit gegeben und eine Sorge genommen.

  4. 4
    Flughund says:

    PS: Ich wäre gleich der erste, der ihn wegen seiner kruden Logik auf eine Unterzuckerung untersuchen würde. ;-)

  5. 5
    Andre says:

    Versteh ich das richtig, der Staatsanwalt meint, auf die Genehmigung vom Richter kann man verzichten, weil der Richter ohnehin alles genehmigt? Warum meint der Staatsanwalt denn, dass im Gesetz steht, dass ein Richter das Vorgehen genehmigen muss?

    „Ich darf sie schlagen, denn ich gehe davon aus, dass ich dafür ohnehin freigesprochen werde“? Kann den Mensch mal ein Psychiater begutachten, der hat offenbar Wahnvorstellungen.

  6. 6
    muetze says:

    Da frage ich mich ehrlich was bei so Lueten im Kopf umgeht. Dem Komment von HD stimme ich da zu und kann da auch ein Beispiel für geben und zwar aus den Piercing Studios. Da lässt sich der Piercer (zumindest meiner) eine schriftliche Einverständnis geben das es freiwillig ist und keine Klage oder sowas erhoben wird.

  7. 7
    D. Mokrat says:

    Das ist ja wohl der Hammer!

    Die totale Perversion des Rechtsstaats.
    Klagen, klagen, klagen! Immer weiter, durch alle Instanzen.

  8. 8
    Roadrunner says:

    Soso…

    Dann kann ich dem Beamten ja auch eine Ohrfeige geben, dass er sich bis Weihnachten noch dreht, ist ja schließlich auch nur eine geringfügige Körperverletzung und ich muss ja davon ausgehen, dass er mich ohnehin mit unverhältnismäßigen Mitteln angreifen wird und ich mich ja dann wehren darf.

    Ach so? Das geht nicht? Wie? Unschuldsvermutung? Gericht? Verallgemeinerung? Sowas aber auch…

    Klagen klagen klagen, bis endlich mal einer solchem Treiben einhalt gebietet. Ist denn den Damen und Herren der Rennleitung ihr Eid auf die Verfassung gar nichts wert?

  9. 9
    Ingo says:

    Klageerzwingungsantrag. Nötigenfalls Verfassungsbeschwerde. Eine solche Rechtsmeinung ist schlicht unvertretbar und verletzt das objektive Willkürverbot.

    Ich denke aber, dass man sich bereits beim OLG nicht die Blöße geben würde.

    Aber was würde dann passieren? Man würde den Vorwurf irgendwie zurechtdealen und dann am Ende wegen Geringfügigkeit, ggf. gegen Auflagen, einstellen. Dagegen hat man dann ja wieder nur den Weg der DAB – was der bringen wird, sieht man ja schön an der oben zitierten Verfügung.

  10. 10
    Jens says:

    Würde ich an den Rechtsstaat glauben, würde mir sofort der Begriff Rechtsbeugung einfallen. Aber die Realität war mal wieder schneller…

  11. 11
    Mirco says:

    Für die Sammlung verwertbarer Textbausteine.

    Es erscheint aber bereits fraglich, ob ein so geringer Eingriff wie TATVORWURF das Merkmal der körperlichen Misshandlung erfüllt.

  12. 12
    aggiepack says:

    Was mir bei der Begründung durch die Generalstaatsanwaltschaft auffällt, ist die bemerkenswerte Unschärfe in der Diktion.

    Was soll die theoretische Möglichkeit der Anordnung einer Blutprobenentnahme durch einen Richter denn in Kategorien des Strafrechtes bei der Prüfung der Strafbarkeit des Polizeibeamten denn sein? Ein Tatbestandsausschluß? Ein Rechtfertigungsgrund? Irgendeine krude Theorie zur hypothetischen Kausalität im Rahmen der Zurechnung?

    Die Pointe hier dürfte doch wohl darin zu sehen sein, daß nicht nur dem Verkehrsteilnehmer wahrheitswidrig die Existenz eines richterlichen Beschlusses vorgespiegelt wurde, sondern auch dem die Blutentnahme durchführenden Arzt. Lebensnah wird man daher unterstellen dürfen, daß dieser Arzt zu diesem Zeitpunkt die Entnahme nicht durchgeführt hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, daß ein entsprechender richterlicher Beschluß gerade nicht vorliegt.

    Und auch eine weitere Überlegung drängt sich förmlich auf: der richterliche Beschluß wurde im Zweifel nicht erwirkt, da es wohl nicht so eindeutig war, daß er antragsgemäß auch erlassen wird. Es ist mittlerweile durchaus zu beobachten, daß Amtsrichter die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 2010 (2 BvR 1046/08) zur Kenntnis genommen haben und auch solche Anträge hin und wieder mal ablehnen.

    Und spätestens seit 2010 müssen daher alle Polizeibeamte auch wissen, daß sie zumindest erst einmal versuchen müssen einen entsprechenden Beschluß des Ermittlungsrichters zu bekommen bevor über Gefahr im Verzug auf eine richterliche Anordnung verzichtet werden kann.

  13. 13
    Andreas says:

    Tja, in der mündlichen Prüfung für das zweite Examen beim LJPA NRW wäre der zuständige StA wohl nicht weit gekommen:

    Laut amtlicher Lösungsskizze zum Aktenvortrag KV-Nr. 643 ist ein solches Verhalten wohl als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Körperverletzung im Amt zu bewerten. Die Anklage zum AG – Strafrichter – wird vorgeschlagen, da eine Freiheitsstrafe von 90 bis 150 TS bei einem nicht vorbestraften Polizeibeamten zu erwarten sei. Der Sachverhalt basiert laut Vermerk auf dem Ermittlungsverfahren der StA Münster, Az. 91 Js 1296/09.

    Insofern dürfte hier ein Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 StPO zu erwägen sein!

  14. 14

    […] Da lügt ein Cop was von einem (erfundenen) richterlichen Beschluss, nimmt dann eine Blutprobe und kommt damit vor Gericht durch. Weil.. äh… Lügen ist schon okay und Es erscheint aber bereits fraglich, ob ein so geringer […]

  15. 15
    Andreas says:

    @ Mirco

    Das ist eigentlich so unglaublich, dass man es gar nicht fassen kann. Spätestens im zweiten Semester Strafrecht lernt man doch schon, dass selbst das Haareschneiden tatbestandlich eine Körperverletzung darstellt (h.M., BGH, NStZ-RR 2009, 50)… aber ein Stich mit einem scharfen Gegenstand (vor dem ich mich jedes mal neu überwinden muss), soll nicht die Eingriffsschwelle erreichen — In der richtigen Juristerei ist dabei lediglich streitig, ob eine von einem Arzt lege artis eingesetzte Spritze gar als gefährliches Werkzeug im Sinne einer gefährlichen Körperverletzung zu qualifizieren ist (vgl. BGH, NStZ-RR 2009, 50).

  16. 16
    Zwerg says:

    Wenn man das so ohne Aktenkenntnis ließt klingt das wirklich nicht so dolle.

    Man darf aber nicht unbeachtet lassen, dass es ja durchaus die Meinung gibt, dass der Einstich mit einer Nadel durch einen Arzt zu medizinischen Zwecken schon nicht den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt. Das kann man ja so sehen.

    Die Hilfserwägung hinsichtlich der hypothetischen Anordnung durch den Richter kann man sich dann nämlich schenken. Sie erscheint in der Tat etwas blödisinnig.

  17. 17
    ui-ui-ui says:

    Gerichtliche Entscheidung beantragen.

  18. 18
    me says:

    @Zwerg: Ja, diese Rechtsmeinung kann man vertreten. Man sollte sie aber als StA nicht vertreten, da man sich hier nicht an Mindermeinungen der Literatur sondern an absolut herrschender Rechtsprechung orientieren soll.

    Und vor allem kann man selbst mit dieser Rechtsmeinung hier nicht auftrumpfen, weil davon nur der medizinische Heileingriff abgedeckt ist (nach dem Motto „Was in der Gesamtschau zu einer Gesundung führt / führen soll, kann keine Verletzung sein“). Eine Blutabnahme zu polizeilichen Zwecken ist aber kaum ein Heileingriff.

  19. 19
    Sani says:

    @Zwerg

    Wie Flughund schon so treffend andeutete: Im Rettungsdienst bricht man sich einen ab, um über die Notkompetenz eine mutmaßliche bzw. wirksame Einwilligung zu konstruieren, wenn ein nicht ärztlicher Rettungsdienstler ohne die Anwesenheit eines Arztes nur einen Zugang legen will. Und das ist auch nur ein ganz kleiner Pieks…

  20. 20
    JJ Preston says:

    Wo liegt eigentlich die Anwendungsschwelle für § 258a Abs. 1 StGB? Muss der Betreffende Al-Kaida-Mitglied sein?

  21. 21
    Steffen says:

    Dem Staatsanwalt gehørt mal ne Spritze gesetzt… Voll mit Luft!