Polizeibeamte. Es gibt solche und so’ne. Hier habe ich einen erwischt, für den ich erst noch die richtige Schublade finden muß.
Der Beamte hatte einen Ermittlungsauftrag:
Ziel war es, Anwohner bzw. Ladenbesitzer in der näheren Umgebung auf eine Öffentlichkeitsfahndung mittels Fahndungsplakaten und Bildern aufmerksam zu machen und diese zu dem Vorfall zu befragen.
war in seinem Ermittlungsbericht zu lesen. Im Rahmen dieser Ermittlungen besuchte er einen Tante-Emma-Laden und unterhielt sich mit Onkel-Emma, der bei seiner Tante angestellt war. Während die beiden so lauschig beieinander waren,
… erschien ein Bekannter des Angestellten, Herr Gottfried Gluffke, und warf ebenfalls einen Blick auf das Fahndungsplakat und die dort abgebildeten Personen.
Herr Gluffke gab an, die Person mit dem auffälligen Pullover zu kennen. Außerdem wäre das Gesicht das gleiche. Allerdings habe er Angst uns mitzuteilen, um wen es sich bei dieser Person handelt, da es sein direkter Nachbar sei.
Herrn Gluffke wurde der Sachverhalt und der Hintergrund zu der Fahndung erneut erläutert. Er wurde sensibilisiert und ihm wurde mitgeteilt, dass die abgebildete Person nicht erfahre, dass diese Information von ihm stamme und polizeilich erst nachermittelt werden müsse, ob es sich tatsächlich um die auf dem Fahndungsplakat gesuchte Person handelt.
Nach langem Zögern teilte er mit, dass es sich um einen „Wilhelm“ handelt. Dieser solle Bullmannweg 21 im 4. Stock rechts wohnen. Er selber wohne in der Wohnung links daneben in diesem Stockwerk.
Das ist eine glatte Lüge. Nicht das, was Gottfried Gluffke dem Polizisten erzählte. Das traf zu. Im Vertrauen darauf, daß „Wilhelm“ nicht erfahre, wer der Hinweisgeber war, lieferte er zutreffende Informationen.
Gelogen hatte der Polizeibeamte. Der weiß ganz sicher, daß ein Verteidiger später den Vermerk lesen wird, den der Polizist geschrieben haben wird. Und in dem er nicht nur den vollständigen Namen des Gottfried, sondern auch dessen Geburtsdatum, Geburtsort und telefonische Erreichbarkeit festzu- und festge-halten hat.
Dem Verteidiger stellt sich nun die Frage, ob er sich zum Komplizen dieses Beamten machen soll. Oder ob er verpflichtet ist, seinem Mandanten vollständig über den Inhalt der Ermittlungsakte in Kenntnis zu setzen. Ein kluger Polizeibeamter kennt die Antwort bestens. Nämlich, daß der Verteidiger – anders als ein Polizeibeamter – seinen Mandanten grundsätzlich nicht anlügen darf. Und auch nicht anlügen wird.
Entsprechend der Umgangsformen der Kreise, in denen sich das Ganze hier abspielt, wird Gluffke sich künftig darauf freuen können, regelmäßig – mindestens aber einmal – eine Geburtstagskarte zu bekommen. Das muß man einem erfahrenen Beamten nicht erst erklären.
Als ich Kind war, habe ich gelernt, man darf grundsätzlich nicht lügen. Nur gaaanz manchmal gäbe eine einzige Ausnahme, nämlich bei den so genannten „Notlügen“. Vielleicht gibt es aber noch eine weitere Ausnahme, die meine Eltern – sie hatten mit der Polizei nichts zu tun – nicht kannten.
Bild: Alexander Hauk / bayern-nachrichten.de / pixelio.de
Also wenn schon denunzieren dann anonym?
Wie wußte schon Gaius Julius Cäsar zu sagen: „Den Verrat liebe ich, aber die Verräter lobe ich nicht!“
Und er muß es wissen …
Geschickter ist es natürlich, solche Mitteilungen anonym zu machen.
Allerdings stellt sich mir die Frage, ob irgendwann nicht auch eine Strafbarkeit des Verteidigers wegen Beihilfe (zu Körperverletzung, Bedrohung, etc.) in Betracht kommt, wenn absehbar ist, dass der Beschuldigte sich rächen wird? (Die strafrechtliche Bewertung professioneller Adäquanz…) Das wäre natürlich dann nicht der Fall, wenn sich aus der StPO ein Recht des Verteidigers zur Weitergabe entnehmen ließe.
Der aufnehmende Beamte hätte den Zeugen als Unbekannt erfassen können. Gm 163b StPO ist er nicht befugt gegen den Willen des Zeugen die Personalien zu erfassen.
Ein Strafverteidiger ist nicht berechtigt und erst recht nicht verpflichtet, einen Hinweisgeber sehenden Auges der Rache eines gewalttätigen Beschuldigten auszuliefern.
Anders ist das nach der Rechtsprechung des BGH dann und nur dann, wenn der Hinweisgeber im Strafverfahren als Zeuge in Betracht kommt und deshalb ohnehin hinnehmen muss, dass dem Angeklagten seine Identität bekannt wird.
In diesem Fall ist „Gluffke“ aber für den Tatvorwurf nicht Zeuge.
@Jack: Bitte den Gesetzestext nochmal genau lesen.
Schwierige Frage. @Jacoby: Woraus soll sich denn die Berechtigung (oder sogar eine Verpflichtung) zur Informationszurückhaltung durch den RA ergeben? Das charakteristische Vertrauensverhältnis zwischen RA und Mandant streitet gegen eine Informationszurückhaltung oder Filterberechtigung des RA. § 11 I 2 BORA sagt sogar explizit: Dem Mandanten „ist insbesondere von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben.“
Von einer Filterberechtigung oder -verpflichtung steht hier nichts.
Unabhängig hiervon hat der Polizeibeamte hier schlicht gelogen, um die Auskünfte zu erhalten. Er kann dem Zeugen nicht Anonymität zusichern, wenn dies gar nicht in seiner Macht liegt. Lüge bleibt Lüge.
@ Patrunky
163b StPO
(2) Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Person getroffen werden.
Welche Folgemaßnahmen sollte der Polizeibeamte treffen, sollte der Zeuge die Identitätsfeststellung verneinen? Eine Festhaltung ist in meinen Augen in diesem Fall nicht im Bereich der Verhältnismäßigkeit, somit könnte dieser nach einer Auskunft umgehend das Weite suchen?!
Im Extremfall kann das ziemlich bitter ausgehen für den Zeugen … wer hat schon Lust die „Freunde“ des Beschuldigten kennenzulernen, wenn die Einem einen „klärenden Hausbesuch“ abstatten oder andere Nettigkeiten erweisen.
Na dann wollen wir mal hoffen, dass Wilhelm sich nicht zu Dummheiten hinreißen lässt, von denen er mit Blick auf § 112 Abs.2 Nr. 2b) StPO auch im eigenen Interesse Abstand nehmen sollte….
Muss man die Polizeibeamten bezüglich der Problematik, die kompletten Daten von möglichen Hinweisgebern oder Beschwerdeführern zu erheben und eventuell sogar an den Adressaten/Verursacher weiterzugeben (z.B. bei Nachbarschaftsproblemen wie lauter Musik oder dem Verdacht der häuslichen Gewalt), deutlicher hinweisen? Es kommt doch tatsächlich öfter vor, dass Beschwerdeführer auch bei kleineren Sachen wie Nachbarschaftsproblemen Besuch zu einem klärenden Gespräch bekommen.
@BrainBug2
1) Ein Strafverteidiger, der (im Sinne bedingten Vorsatzes) damit rechnet, sein Mandant werde sich zu Racheakten an einem Hinweisgeber hinreißen lassen, macht sich seinerseits strafbar, wenn er den Mandanten durch entsprechende Informationen in die Lage versetzt, derartige Straftaten zu begehen.
2) Die Vorstellung, ein Strafverteidiger könne durch das Mandatsverhältnis gewungen sein, sich zum Komplizen eines Körperverletzungsdelikts seines Mandanten an einem Hinweisgeber zu machen, ist absurd.
„Als ich Kind war, habe ich gelernt, man darf grundsätzlich nicht lügen. “
Und im Jurastudium habe ich gelernt, was grundsätzlich bedeutet…
scnr
@Christian: Uups – Jura haben Sie nicht studiert, oder?
Zu 1) Wo steht denn, dass die von CRH vermuteten Racheakte strafbarer Natur sein müssen? Darüber hinaus: der dol. evtl. muss sich wenigstens auf die befürchtete Straftat beziehen. Was ist, wenn CRH eine Körperverletzung befürchtet, der Racheakt aber in einer Beleidigung endet? Drittens: „ein in die Lage-Versetzen“ ist per se schon strafbar? Puuh, das ist heftig! Gegenbeispiel: Der Mandant droht, den Richter umzubringen, wenn z.B. seine zivilrechtliche Klage abgewiesen wird. Darf der Rechtsanwalt dann Beihilfe leisten, indem er den Mandanten das klageabweisende Urteil zur Kenntnis bringt? Vielleicht merken Sie ja: so einfach ist das Ganze nicht!
Zu 2) Ah, auch das ist mir neu: das Argument „absurd“ ersetzt die juristische Argumentation? Ich hatte Ihnen eine Vorschrift genannt, die die Beauskunftung des Mandanten zwingend vorschreibt. Und Sie nennen diese Vorschrift bzw. ihre grundsätzliche Einschlägigkeit absurd? Gute Einstellung zu existierenden Gesetzen. Ohne Bier kriege ich so ´ne Einstellung nicht hin.
Natürlich kommt es immer auf die Umstände an … aber im hier geschilderten Fall gilt:
Erstens: der Polizeibeamte konnte durchaus Vertraulichkeit zusichern.
Und zweitens: wenn er dann einen Aktenvermerk mit Namen etc. des Tipgebers fertigt, [Beleidigung gelöscht. Bleiben Sie bitte sachlich! :-( crh].
Das liegt alles ganz einfach daran, daß es überhaupt keine Notwendigkeit für einen Aktenvermerk gab.
Der „Zeuge“ war nämlich gar kein Zeuge. Er hat weder eine Straftat beobachtet noch kennt er irgendein Indiz („das Auto des B., das jetzt wieder repariert ist, hatte am 12.12. eine große Beule“).
Es wurde schlicht gefragt: „Wer kennt diesen Mann?“ … und der Tipgeber hat nur gesagt „Geh’n se ma dahin … der könnte datt sein“.
Warum geht dann der Polizeibeamte nicht einfach dahin und schaut nach? Ob es der Gesuchte ist oder nicht … nun, das ist Tatfrage, und dazu kann der „Zeuge“ absolut nichts beitragen.
Dafür wurde dem Ermittler die Phrase „Dienstlich wurde bekannt“ zur Hand gegeben.
@Max
(der Polizeibeamte konnte durchaus Vertraulichkeit zusichern.)
@ Maik
(„Dienstlich wurde bekannt“ )
Schomal im richtigen Leben versucht dies auch wirklich „durchzuziehen“?
Ich denke eher nicht.
In der „Beurteilung“ werden sich danach Formulierungen finden wie „Widerspruchsfest“ oder „bleibt gegenüber Vorgesetzen in Streifragen meist sachlich“.
Tolle Wurst.
Ich kann mir aber nach wie vor beim Rasieren selbst in die Augen sehen. DAS zählt.
… und darauf bin ich Stolz.
Also ja, ich habe Anzeigende schon geschützt durch die Formulierung „Dienstlich wurde bekannt“. Das wurde weder von StA, Gericht noch vom Verteidiger gerügt.
Was das damit zu tun hat, dass ich mir nicht mehr in die Augen sehen kann? Keine Ahnung. Das liegt vll. einfach daran, dass die dienstlichen Leistungen einfach eher fade sind. M.E. wird die Verhältnismäßigkeit viel zu oft durch Polizisten mit Füßen getreten, die diese Berufsbezeichnung nicht verdienen.
Als Polizist bin ich auf Informationen angewiesen. Und den Schutz des Anzeigenden oder Zeugen. DAS versteht jeder Dienstvorgesetzte, wenn man sagt der Name gehört nicht in die Akte.
Versuch dir einfach weiter in die Augen zu sehen. Deine C oder D-Beurteilung nicht mit schlechten Leistungen in Verbindung zu bringen. Natürlich auch nicht die Anzahl deiner Nachermittlungsaufträge der StA oder die Verurteilungsquote in Fällen wo du der Ermittlungsführer warst.
In der Zwischenzeit bin ich ein guter Polizist. DAS zählt.
[…] Blogbeitrag über eine Fahndungslüge hat Sebastian Heiser von der taz motiviert, sich diesem Problem von der (klassisch) […]
An alle Polizisten, die hier mitlesen:
Ihr solltet Euch einfach mal fragen, warum die Polizei immer mehr als latente Bedrohung und nicht als Freund und Helfer wahrgenommen wird. Mein persoenliches Vertrauen in die Polizei tendiert gegen Null. Wenn ich Polizei in meiner Naehe sehe, fuehle ich nicht mehr Sicherheit sondern eine latente Bedrohung, die auf der Annahme der Willkuer beruht. Sprich, ich vertraue der Polizei nicht. Grund dafuer duerften wohl die jaehrlich dutzenden Pressemeldungen sein, in denen von Polizisten berichtet wird, die luegen, Demonstranten nachweislich rechtswidrig koerperlich verletzen, illegale und unverhaeltnismaessige Hausdurchsuchungen bei Lapidarvergehen oder sogar bei Zeugen durchfuehren usw.
Der deutsche Rechtsstaat ist am Ende, wenn Buerger der Staatsmacht nicht mehr trauen koennen. Ich persoenlich will mit Polizisten so wenig wie moeglich am Hut haben. Ich wuerde sogar privaten Kontakt zu Polizeibeamten meiden, wenn welche in meinem Bekanntenkreis waeren.