Gerade noch rechtzeitig zum 1. Mai ist es dem Berliner Gesetzgeber am 23. April 2013 gelungen, eine Vorschrift ins Leben zu rufen, die regelt, wer wann ins Fernsehen kommt.
Gesetz über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen
§ 1
(1) Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2) Die Unterlagen sind nach Beendigung der öffentlichen Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu vernichten, soweit sie nicht benötigt werden
1. für die Verfolgung von Straftaten von Teilnehmerinnen und Teilnehmern oder
2. im Einzelfall zur Gefahrenabwehr, weil die betroffene Person verdächtigt ist, Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der öffentlichen Versammlung vorbereitet oder begangen zu haben, und deshalb zu besorgen ist, dass von ihr erhebliche Gefahren für künftige öffentliche Versammlungen oder Aufzüge ausgehen.
Unterlagen, die aus den in Satz 1 Nummer 2 aufgeführten Gründen nicht vernichtet wurden, sind in jedem Fall spätestens nach Ablauf von drei Jahren seit ihrer Entstehung zu vernichten, es sei denn, sie würden inzwischen zu dem in Satz 1 Nummer 1 aufgeführten Zweck benötigt.
(3) Im Übrigen darf die Polizei Übersichtsaufnahmen von Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen sowie ihrem Umfeld nur anfertigen, wenn dies wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung oder des Aufzuges im Einzelfall zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich ist. Die Übersichtsaufnahmen sind offen anzufertigen und dürfen weder aufgezeichnet noch zur Identifikation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer genutzt werden. Die Versammlungsleitung ist unverzüglich über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen in Kenntnis zu setzen.
Quelle:
-
Der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, Ralf Wieland
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit
Veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 69. Jahrgang Nr. 9 vom 27. April 2013, S. 103
Wenn ich mir den Gesetzestext vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen als Strafverteidiger in Verfahren wegen Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz durch den Kopf gehen lasse, fällt mir eigentlich so gut wie kein Fall ein, in dem es den Ordnungsbehörden nicht gelingen sollte, mit nur wenig argumentativen Aufwand Fotos und Filmaufnahmen von Demonstrationen anzufertigen.
Im Prinzip reicht es doch schon aus, wenn ein paar bunte Pubertisten durcheinander laufen und den Stinkefinger zeigen, um für „Unübersichtlichkeit“ zu sorgen, weil am Kottbusser Tor wegen der dortigen Baustelle ein paar Pflastersteine in Griffnähe herum liegen.
Jene Satire scheint auch in diesem Zusammenhang wieder zu treffen.
Erneut ein herzliches Dankeschön Herrn an Rolf Jürgen Franke, Rechtsanwalt und Notar in Berlin für die Versorgung mit stets frischer Ware.
Interessant ist hier, dass die Ausnahme von der Löschung nur die Verfolgung von Straftaten seitens der Teilnehmer betrifft. Wenn also ein Polizeibeamter Körperverletzung im Amt begehen würde, darf (nein, muss!) die Polizei die Aufnahmen davon also unverzüglich löschen. Oder sind Polizisten Teilnehmer im Sinne des Gesetzes? Was gilt für als Teilnehmer auftretende Zivilbeamte?