Mal sehen, wer nachher noch fahren kann

Zwei Studenten fuhren zu einer Erstsemesterfete. Nicht zum wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch, sondern mit dem Ziel, kräftig zu feiern und viel Alkohol zu trinken. Der eine hatte ein Auto und kaufte das Bier, der andere trank fleißig mit und feierte noch weiter, als der mit dem Auto schon längst in dem selbigen schlief. Einen Plan wann und vor allem wie man wieder nach Hause kommt, gab es nicht.

Irgendwann als der Morgen graute, verging dem übrig gebliebene Partygast die Feierlaune. Er weckte den im Auto schlafenden und fragte, ob man jetzt nicht mal langsam nach Hause fahren wolle. Schlaftrunken übergab der die Autoschlüssel, schnallte sich an und los ging die wilde Fahrt. Bis zur Kurve einer Autobahnauffahrt, wo der Fahrer das Auto zu Schrott fuhr.

Der mit dem Auto hatte auch eine Vollkaskoversicherung, die sollte nun den Wiederbeschaffungswert und die Bergungskosten zahlen. Die Versicherung lehnte das ab. Wer Besoffene fahren lässt, kann ja wohl nicht verlangen, dass die Versicherung dann die Zeche zahlt. Das Landgericht Bonn sah das ein wenig anders, vernahm den Fahrer als Zeugen und sprach dem mit dem Auto zumindest 25 Prozent des Schadens zu.

Der Versicherungsfall sei zwar grob fahrlässig herbeigeführt worden, da mit gegenseitiger Kenntnis viel Alkohol getrunken wurde und man einem erkennbar erheblich Betrunkenen eben nicht die Schlüssel zu seinem Pkw übergeben sollte. Unter Anwendung des zum Schadenszeitpunkt bereits geltenden neuen Versicherungsvertragsgesetzes müsse man aber eine dem Grad des Verschuldens entsprechende Quote bilden. Gegen eine komplette Leistungskürzung sprach nach Auffassung des Gerichts, dass nicht der Versicherte selbst im alkoholisierten Zustand den Wagen gefahren hat, sondern sein mindestens ebenso betrunkener Bekannter.

Hätte zum Unfallzeitpunkt das alte Versicherungsvertragsgesetz Anwendung gefunden, wäre der mit dem Auto leer ausgegangen. Es galt das „Alles oder Nichts“ Prinzip. Das hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes abgeschafft. Jetzt kommt es darauf an, welches Maß an Verschulden einem Versicherungsnehmer angelastet werden kann.

Nachlesen kann man das Urteil des Landgericht Bonn vom 31.07.2009, Az: 10 O 115/09 hier.

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9 Antworten auf Mal sehen, wer nachher noch fahren kann

  1. 1
    Gerhard says:

    Hoffentlich hat der Kläger des Falles hinterher seinem Anwalt was gehustet – dafür, dass er jetzt 75% der Prozesskosten tragen muss (was mehr war als die 25% des Schadens, die ihm das Gericht zugesprochen hat – der Prozess war also trotz des Teilerfolgs im Ergebnis ein Verlustgeschäft).

    Hier 100% des Schadens einzuklagen, zeigt, dass der Anwalt nur sein eigenes Gebühreninteresse im Auge hatte und nicht die Interessen des Mandanten.

  2. 2
    Nichtbescheidwisser says:

    Ich bin mir nicht sicher, ob man dem Anwalt so etwas vorwerfen kann.

    Wenn der Mandant ihm den Auftrag erteilte, 100% einzuklagen, kann er den Auftrag entweder annehmen oder ablehnen.

    Zum anderen ist es ausgeschlossen, präzise vorauszusagen, wie ein Prozeß am Ende ausgehen wird. Und diese Unsicherheit auf Hoher See und in Gottes Hand muß der Anwalt bei der Formulierung des Klageantrags berücksichtigen.

    Und solange der Mandant teure Prämien dafür an einen Rechtsschutzversicherer gezahlt hat dafür, daß dieser ihm das Kostenrisiko in so einer Situation (See/Gott) abnimmt, wäre es ein Kunstfehler des Anwalts, wenn er nicht auch noch die kleinste Chance auf vollen Erfolg wahrnimmt.

  3. 3
    ??? says:

    Man fragt sich immer wieder, was heutzutage als künftige „Elite der Nation“ an Hochschulen überhaupt reingelassen wird.
    Wahrscheinlich Soziolgie oder Sozialpädagogik.
    Mancher, der Bäcker oder Gärtner ist, hat mehr Hirn inne Omme.

  4. 4
    Caron says:

    @???
    Ne, die sind doof, dieser Fall ist eher soziopathisch. das Deutet eher auf Wirtschaftswissenschaften oder Jura hin. Und das beziehe ich nicht auf das ewige Managerrumgehacke, sondern aus der Beobachtung, was so in den entsprechenden Unibibliotheken abgeht (geklaute Bücher, versteckte Bücher oder rausgerissene Seiten, damit man der einzige ist, der den Stoff richtig lernen kann usw.) Bei uns Naturwissenschaftlicher war sowas undenkbar, wir sind noch mit Jacken und Rucksäcken in unsere UB und da kam nix weg.

  5. 5
    Walter Zenga says:

    Dem Sachverhalt lässt sich überhaupt nicht entnehmen, wieviel eingeklagt worden ist. Vielleicht hat der RA von vornherein nur 25% des Schadens eingeklagt, die ihm das LG nachher auch zugesprochen hat.

    Dann hätte der RA alles richtig gemacht.

  6. 6
    n87 says:

    Der RA hat es nicht richtig gemacht, wie man dem Urteil entnehmen kann.
    Der Kläger muss 75 % der Kosten tragen.
    Ich frage mich allerdings, ob die Versicherung nicht Berufung eingelegt hat.
    Denn man könnte durchaus einen höheren Mitverschuldensanteil als 75 % annehmen, wenn man einen Betrunkenen fahren lässt.
    Das Argument des LG er sei ja wenigstens nicht selbst betrunken gefahren, sondern hat diesen Spaß jemand anderm überlassen, finde ich jetzt nicht so durchschlagen…
    Extrem gefährlich ist es so oder so. Egal wer jetzt betrunken fährt oder nicht

  7. 7
    matthiasausk says:

    Man braucht halt immer einen Horst, der einem nach Hause fährt:

  8. 8
    Mirco says:

    Die Versicherung wird sich hüten gegen das Urteil vorzugehen. Sie kann nun mit Hinweis auf dieses Urteil immer schön viel zu niedrige Anteile regulieren und keiner (ja, keiner ohne RSV) geht deshalb ein Kostenrisiko ein.

  9. 9