Wie die brandenburgischen Ermittlungsbehörden versuchen, einen Beschuldigten über die ihm zustehende Rechte im Unklaren zu lassen, wird an dieser Vorladung deutlich:
Mit diesem Schreiben wird der Mandant als Beschuldigter zur Vernehmung vorgeladen. Welche Rechte der Beschuldigte in diesem Fall tatsächlich hat, kann man hier und (konkret für den hier beschriebenen Fall) hier nochmal nachlesen:
Sie sind nicht verpflichtet, einer polizeilichen Vorladung zu folgen …
Das ist bekannt. Auch bei den Brandenburgischen Polizeibehörden, dort jedoch nicht beliebt. Die Ermittler müssen den Beschuldigten aber auf seine Rechte hinweisen, daß er der Vorladung folgen kann, aber nicht muß.
Die Brandenburger belehren mit diesem Text (oben rot markiert):
Falls Sie als Beschuldigter vorgeladen sind, wird Ihnen nach § 163a StPO Gelegenheit gegeben, sich zu der Beschuldigung zu äußern, vorliegende Verdachtsgründe zu beseitigen, Tatsachen zu Ihren Gunsten geltend zu machen bzw. entlastende Beweiserhebungen zu beantragen.
Das ist – soweit erst einmal – richtig: Der Beschuldigte bekommt die Gelegenheit zur Äußerung etc.; eine Gelegenheit ist aber keine Verpflichtung.
Nun folgt absatzlos Satz 2 der „Beachten-Sie-Bitte-Belehrung“:
Leisten Sie als Betroffener einer Vorladung nach § 15 Brandenburgischem Polizeigesetz keine Folge, kann die Vorladung zwangsweise durchgesetzt werden.
Das ist – für sich genommen – auch richtig. Im Absatz 3 des § 15 BbgPolG heißt es aber:
(3) Leistet ein Betroffener der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden,
1. wenn die Angaben zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich sind oder
2. zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.
Die zwangsweise Vorführung darf nur auf Grund richterlicher Anordnung erfolgen, es sei denn, dass Gefahr im Verzug vorliegt.
Hier geht es nicht um Abwehr einer Lebensgefahr, sondern erkennbar um ein Ermittlungsersuchen einer anderen Staatsanwaltschaft. Die Voraussetzungen für eine Anwendung von Zwang sind noch nicht einmal ansatzweise erkennbar.
Mit der Hintereinander-Reihung dieser beiden Vorschriften verfolgen die brandenburger Ermittler aus meiner Sicht nur einen Zweck: Den Beschuldigten über seine Rechte zu täuschen; durch die scheinbare Androhung von Zwang er soll verlasst werden, sich einer Vernehmung zu stellen, obwohl er dazu gar nicht verpflichtet ist.
Wie sich dann, wenn der Getäuschte bei den Hütchenspielern auf „der oben genannten Polizeidienststelle“ erscheint, die Vernehmung entwickeln wird, kann man sich vorstellen.
Die weitere Androhung empfindlicher Übel …
Folgen Sie der Vorladung in einem Personenfeststellungsverfahren nicht, lassen sich Befragungen anderer Personen nicht vermeiden.
… für den Fall, daß der Beschuldigte sich nicht täuschen lassen will, rundet das Bild ab.
Vielleicht rufen sich die Hersteller dieser Formschreiben noch einmal in Erinnerung, daß es vor bereits mehr als zwei Jahrzehnten auch in Brandenburg eine Rechtsänderung gegeben hat.
Noch ein abschließendes Zitat:
Der Rechtsstaat entwickelte sich an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert und wurde als Gegenbegriff zum absolutistischen Polizeistaat begriffen, um die Staatsmacht zu begrenzen.
Für manche Staatsmächtigen sind zwei Wenden offenbar noch nicht genug.
Die Anschrift auf dem Dokument dürfte etwas mehr geschwärzt sein?
nein, nicht *etwas*. VIEL MEHR bitte!!!
Es läuft doch wie bei allen Behörden: wer sich nicht wehrt, dem wird das Fell über die Ohren gezogen.
Mir wurde mal zur Grundsteuer für eine neu erworbene Immobilie eine Strafgebühr (und Zinsen) übergebraten, weil „ich hätte wissen müssen“, daß dafür Steuern anfallen. Der Hinweis, daß die Steuer (und die Kenntnis der Höhe der Steuer) erst fällig wird, wenn man auch einen Bescheid bekommt, hat die Behörde nicht gejuckt. Ein anderes mal hat man sich dann aber auf einen Bescheid berufen, um eine unberechtigte Steuer durchzusetzen, wo die Einspruchsfrist (unverschuldet) versäumt wurde. Da hätte das FA auch „wissen müssen“, daß das nicht in Ordnung ist.
Kurz: Behörden drehen es immer so hin, wie sie es gern haben möchten. Warum sollte die Polizei das anders machen? Zumal: clevere Strafverteidiger nutzen auch jede Lücke, um der „Gegenseite“ das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Ich will nicht wissen, wieviel Straftäter ungeschoren davonkämen, wenn die Polzei nicht auch mal etwas tricksen würde… Blöd nur, daß dabei dann auch schon mal Unschuldige ins Visier genommen werden.
Ich fürchte, nicht wenige lassen sich dadurch einschüchtern. Ich wurde vor zwei Wochen an einem Kontrollpunkt angehalten. Als ich mich weigerte in den Alkohol-Tester zu pusten, wurde mir von dem Polizisten sofort und ultimativ eine Blutprobeentnahme angedroht. Als ich mich davon nicht abschrecken ließ sagte er mir, dass man dann sofort mein Auto abschleppen würde. — Zehn Minuten später – nachdem ich noch ein Verwarngeld von EUR 10 wegen Nichtmitführen des KFZ-Scheins bezahlt hatte – durfte ich dann weiterfahren, da der hinzugerufene Kollege dann schließlich doch einräumte, dass man das mit der Blutprobe sein lassen werde, da eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht erkennbar gewesen sei…
Ich frage mich, wie jemand gehandelt hätte, dem die Voraussetzungen einer Blutprobeentnahme nicht ganz genau bekannt gewesen wären, verhalten hätte…
Nebenbei: Kann es eigentlich sein, dass es in einer Millionenstadt um 23:30 keinen Eilrichter und auch keinen Bereitschaftsstaatsanwalt mehr gibt? Die Polizisten meinten, nach 21:00 könnten sie das alles selbst anordnen…
Da passt mal wieder mein Kommentar:
Mit der Wende wurden die Menschen nicht ausgewechselt oder heiß gewaschen. Die Köpfe sind die Gleichen, nur 24 Jahre älter. Neues System, alte Denke, alte Strukturen.
Nichts Neues im Westen:
Die Polizei in Köln stößt in exakt das selbe Horn.
Ich hatte mal wegen einer Angelegenheit genau so ei Schreiben bekommen und natürlich ignoriert.
Kurz dannach bekam ich das Schreiben noch mal mit der handschriftlichen Ergänzung
> (2.) Vorladung (und letzte!!) <
Diesmal unterschrieben von einem Kommissaranwärter. Früh übt sich :-)
[…] hoenig: Roßtäuscher bei der Polizeidirektion Ost? Wie die Polizei immer wieder versucht, Vorladungen als verpflichtend […]
Zuerst der Versuch per Telefon durch Anbrüllen ‚vorladen‘.
O-Ton: „Ich kann Sie auch einfach von zu Hause abholen lassen! Das wird dann in Handschellen passieren!“
Aufgelegt und bei einem zweiten Anruf direkt zum Geschäftsführer durchgestellt. Gegen den sollte ich nämlich aussagen, war dem brüllenden Polizisten entwichen.
Die Vorladung kam dann per Post. In 7 verschiedenen Schriftgrößen /-arten und mit einem Haufen Rechtschreib- und Grammatikfehler.
Höflich wie ich bin habe ich noch am Vorabend gegen 18:30 eine Info gesendet, dass ich nicht gedenke zu erscheinen. Der Termin war am Montagmorgen.
Wozu ich befragt werden sollte?
Tatvorwurf : Betruges pp.
Ereignisort : unbekannt
Ereigniszeit :
Die Vorladung vom Staatsanwalt war dann korrekt, trotzdem war ich froh einen Anwalt mitgenommen zu haben. Denn der Staatsanwalt hatte wohl vor mich nur zu begrüßen und dann sollte der ‚Brüller‘ mich vernehmen.
So war es nur eine unangenehme Erfahrung, die mir allerdings gezeigt hat wie unsere Polizei arbeitet.
Wenn jemand einer „Vorladung“ nicht folgt, sind ja wohl erkennungsdienstliche MAßnahen angebracht, insofern ist die Darstellung im roten Kasten zwar verkürzt, stimmtaber mut der Ihren überein.
Aber daß die NSA nach Frankfurt / Oder vorgeladen wird und auch noch einen Bundespersonalausweis mitbringen soll …
(Ernsthafte Frage: Was machen Ausländer, die keinen „Bundespersonalausweis oder Reisepass“ haben?)
Aber alle Achtung – Tatzeit war lt. Schreiben der 16.07.2013, Ausfertigung des Schreibens ebenfalls der 16.07.2013 mit Ladung zum 23.07.2013. Sind die tatsächlich so schnell oder haben die doch nichts zutun!?
Das Aktenzeichen der StA könnte auch noch „geschwärzt“ werden.. ;)
Meine Erfahrung: Viele Polizeibeamte leiden unter einer Persönlichkeitsstörung, wahrscheinlich irgendwas mit narzisstisch, Größenwahn, Unantastbarkeit, Unfehlbarkeit. Die meisten gehören auf die Couch! Allein schon zu den Bullen zu gehen zeigt doch ein gehöriges Maß an Minderwertigkeitskomplex. Habe ich ´ne Wumme, bin ich wer.
Ich frage mich ja, ob § 15 Polizeigesetz BB überhaupt für strafermittelnde Tätigkeiten der Polizei anwendbar ist. Die Gesetzgebungskompetenz für strafprozessuale Maßnahmen liegt bei dem Bundesgesetzgeber und der hat hiervon auch hinreichend Gebrauch gemacht, so dass nicht von den Vorliegen einer Gesetzeslücke auszugehen ist. Die würde aber dank ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz auch nicht zu einer Kompetenz der Länder führen. Daher ist es jedenfalls plausibel, wenn die Vorladung nach dem Polizeigesetz nur in Sachverhalten anwendbar ist, in denen eine landesrechtlich zugeordnete Kompetenz besteht.
@Malte Sommerfeld: „Ich frage mich ja, ob § 15 Polizeigesetz BB überhaupt für strafermittelnde Tätigkeiten der Polizei anwendbar ist.“
Natürlich nicht.
Es handelt sich auch – für jeden mitdenkenden Leser erkennbar – um eine zusammengefasste Belehrung für drei verschiedene Formen der Vorladung. Der erste Satz bezieht sich auf eine Vorladung als Beschuldigter nach der StPO. Der zweite Satz bezieht sich auf eine Vorladung als Betroffener nach dem PolG. Der dritte Satz bezieht sich auf eine Vorladung um Personenfeststellungsverfahren.
Alle Belehrungen sind an und für sich genommen durchaus korrekt. Vorwerfen kann man allenfalls die ungeschickte Form der Belehrung, die zu Missverständnissen führen kann; man kann auch die Auffassung vertreten, diese Form der Belehrung sei böswillig gewählt, um ein solches Missverständnis hervorzurufen.
Mein lieber „ui-ui-ui“,
man sollte es tunlichst vermeiden, von sich auf andere zu schließen!
Mit sommerlichen Grüßen
der Raddi