Im heutigen Bericht über den guten Ton im Gericht zitiert der Journalist Holger Schmidt einen hochdekorierten Strafverfolger:
Oberstaatsanwalt beim BGH Jochen Weingarten nahm dazu Stellung und sagte, es sei vom Gesetz vorgesehen, dass nach dem Gericht zunächst die Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zur Stellung habe, weil sie im Gegensatz zu anderen Beteiligten zur Objektivität verpflichtet sei.
Hohe Dekorationen kenne ich noch aus meinem Elternhaus, in dem in den Sechzigerjahren meiner Kindheit zu Weihnachten noch mehr Lametta an der Tanne war. An der Story vom Christkind und vom Weihnachtsmann hatte ich bereits präpubertär so meine Zweifel. Von ähnlicher Qualität scheint die Stellungnahme dieses OStA (nein, den naheliegenden Gag verkneife ich mir jetzt) zu sein.
Die Reihenfolge der Befragung von Angeklagten und Zeugen ist üblicherweise: Gericht (Vorsitzender, dann Beisitzer, schließlich Schöffen) – Staatsanwaltschaft – (gegebenenfalls: Nebenklage) – Verteidigung. Aus dieser Übung leitet sich dann oft auch die Reihenfolge der Stellungnahmen ab.
Zwingend und gar im Gesetz festgeschrieben ist das aber nicht. Lediglich den Beginn einer Befragung setzt der Vorsitzende. § 240 StPO enthält keine für die Ausübung des weiteren Fragerechts bindende Ordnung. Vielmehr legt der Vorsitzende die Reihenfolge im Rahmen seiner Verhandlungsleitung fest, § 238 I StPO. Paßt einem Verfahrensbeteiligten diese Entscheidung nicht, kann er beantragen, daß das gesamte Gericht darüber beschließt, § 238 II StPO. Die vermeintliche Objektivität kann dann durchaus das Letzte sein.
Die aus dem Blauen heraus vorgetragene Behauptung, der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft sei aus gesetzlichen Gründen stets die Nummer Zwei, findet ihre Grundlage allenfalls in einer ziemlichen arroganten Selbstüberschätzung.
Eine gesetzliche Regelung der Reihenfolge besteht lediglich bei den von der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen und Sachverständigen. Nur in diesen Fällen darf sie zuerst. Wenn es sich um zu Befragende handelt, die vom Angeklagten benannt wurden, hat der Verteidiger in erster Reihe das Recht zur Vernehmung. Steht so im § 239 StPO.
Die rote Farbe einer Robe (mit oder ohne Lametta) jedenfalls ist kein geeignetes Kriterium bei der Beantwortung der Reihenfolgefrage, sondern allein das pflichtgemäße Ermessen des Vorsitzenden (Hinweis für die Juristen unter uns: vgl. BGH NJW 1969, 437; Gollwitzer LR Rn 11; Schlüchter SK StPO Rn 16).
Das (Schein-)Argument einer angeblichen objektiven (str.) Behörde kann (und soll) durchaus Berücksichtigung finden bei der autonomen Entscheidung des Vorsitzenden, ebenso wie andere, meist sachdienlichere Gründe, eine Reihenfolge zu bestimmen, die dem Hohen Roß unter Umständen einen anderen, fürs Ergebnis geeigneteren Weg weist.
Was glauben solche Beamten eigentlich, wer sie sind?!
[…] Ich sehe gerade: der Kollege Hoenig hat sich auch schon gemeldet, vgl. hier: Verbeamtete Arroganz. Nun ja: ”Sinn und Zweck des Fragerechts ist nicht, sich zu exponieren. Sinn und Zweck ist die […]
Schlimm, das alles.
Und so ergebnisrelevant.
Ehrlich gesagt habe ich nichts gegen höflich angekündigte Zwischenfragen, egal ob von Seiten der StA oder der Verteidigung. Und als Verteidiger wäre ich gar nicht so unglücklich, als letzter dran zu sein. Man weiß, was der Zeuge bisher gesagt hat, und kann seine Fragen darauf einstellen. Und das am letzten Gesagte bleibt in der Regel ja auch am besten in Erinnerung…
Wenn ich einen Verteidiger kenne und annehme, dass er weiß, was er tut, überlasse ich ihm manchmal auch die kritischen Fragen und greife nur ein, wenn er sie nicht oder nicht richtig stellt. Er kann sich vor seinem Mandanten profilieren und ich kann den Zeugen beobachten. Keine schlechte Konstellation…
Möglicherweise, weil ich nur Betriebswirt bin, komme ichn icht darauf, welches der verkniffene Gag gewesen wäre.
Mag mir jemand sachdienliche Hinweise auf dieses naheliegende Ding geben?