In einer sehr umfangreichen Wirtschaftsstrafsache mit einer zweistelligen Anzahl an Beschuldigten (bzw. bereits Verurteilten und noch Angeklagten) hatte ich für meinen Mandanten eine Sachstandsanfrage an die Staatsanwaltschaft geschickt.
Ich habe zwar am Rande mitbekommen, daß die abgetrennten Verfahren noch verhandelt werden. Es ist aber damit zu rechnen, daß mein Mandant zusammen mit weiteren Beschuldigten als nächster „an der Reihe ist“.
Und da ich zuletzt im Mai 2011 die Ermittlungsakten zur Einsicht hatte und sich in der Zwischenzeit reichlich Neues ergeben hatte, habe ich auch (ergänzende) Akteneinsicht beantragt.
Gemeinsam mit meinem Mandanten wollte ich prüfen, ob es aufgrund der erneuerten Sachlage sinnvoll ist, eine weitere Verteidigungsschrift zu verfassen, um damit Einfluß auf die Abschlußverfügung der Staatsanwaltschaft zu nehmen.
Der Herr Staatsanwalt antwortete mir:
… es ist beabsichtigt, gegen Ihren Mandanten sowie gegen den Beschuldigten Bullmann und die drei weiteren verbliebenen Beschuldigten (Gluffke, Brause und Frollein F.) in etwa 3 bis 4 Wochen Anklage zum Landgericht Potsdam zu erheben.
Da die Akten, was Ihren Mandanten betrifft, im Hinblick auf die beabsichtigte Anklageerhebung bereits weitestgehend durchgearbeitet sind und die Passagen speziell betreffend Ihren Mandanten in weiten Teilen im Entwurf schon geschrieben sind, sind die Ihren Mandanten herausgehoben betreffenden Akten bereits weitgehend für die Versendung zum Gericht verpackt. Die für Akteneinsichtsgesuche vorgehaltenen Viertakten sind, da mit solchen jetzt nicht mehr gerechnet worden ist, insoweit vernichtet. Die Drittakten benötigen OStA Müller, StA Dr. Meier und ich zum Handgebrauch fortlaufend für den Abschluss an der Anklageschrift.
Ich möge mir eine „garantiert inhaltsgleiche und aktuelle Zweitakte“ bei der Ermittlungsbehörde abholen, die – aus Potsdamer Perspektive – in unmittelbarer Nähe unserer Kanzlei sei.
An dieser Stelle möchte ich nochmal festhalten: Es handelt sich um ein Verfahren, in dem sich nahezu sämtliche Handlungen, die die Staatsanwaltschaft bestraft sehen möchte, im Internet zugetragen haben. Die Potsdamer Strafverfolgungsbehörde führt also ein Ermittlungsverfahren im Cybercrime-Bereich, und hat ausschließlich Papierakten zur Verfügung!
Und um dem noch eine Krone oben drauf zu setzen, schmeißt sie mühsam angefertigte Aktenkopien in den Reiswolf, weil der Staatsanwalt die Ansicht vertritt, daß ich die Akten nicht mehr einsehen möchte. Zur Begründung bezieht er sich u.a. darauf, daß die Verteidiger aus „einem früheren Trennverfahren dieses Verfahrenskomplexes“ sein Angebot, die „Viertakten kostenlos zum Verbleib zu überlassen“ nicht angenommen hätten.
Daß die „anderen“ Verteidiger – anders als diese Potsdamer Mittelalterbehörde – ihre Akten ebenfalls digital vorhalten und sich – ebenso wie unserer Kanzlei – ihre Wände nicht mit Regalen voller Papier zustellen wollen … auf diese Idee kommt der Staatsanwalt eher nicht. Also schmeißt er die Akten in die Tonne.
Ich habe dem Herrn Ermittler einen Brief geschrieben:
Den Irrsinn Ihrer Behörde, die Akten dieses Cybercrime-Verfahrens nicht zu digitalisieren, um sie den anderen Verfahrensbeteiligten und den zahlreichen Verteidigern jeweils auf (geschützten) DVD zur Verfügung zu stellen, möchte ich – jedenfalls an dieser Stelle – nicht weiter kommentieren.
Dazu dann aber der Kommentar des Herrn Staatsanwalts:
Im Übrigen ist Ihre Ansicht zur Frage der „elektronischen Akteneinsicht“ hier seit längerem bekannt und stößt hier auch auf ein gewisses Verständnis. Wüster Beschimpfungen („Irrsinn“), die ich persönlich im Übrigen auch als unpassend empfinde, bedarf es daher durchaus nicht, um die Staatsanwaltschaft für Ihre Auffassung zu sensibilisieren.
Ich bin gespannt, wie der nun – immerhin sensiblisierte – Strafverfolger reagiert, wenn ich wirklich mal anfange mit wüsten Beschimpfungen.
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Bild: Stefan Emilius / pixelio.de
Das nenne ich mal Klartext. Respekt.
Beschweren Sie sich am besten mal bei Ihren Kollegen, die die aufwendig digitalisierten Akten anschließend kostenpflichtig ausdrucken (Beispiel: http://www.express.de/duesseldorf/zoff-in-rotlicht-prozess-65-000-euro-kopierkosten,2858,27229540.html ) – DAS ist Irrsinn.
Es wird dem StA am sensibilisierten Allerwertesten vorbeigehen, wenn weiter wüst über die Aktenführung geschimpft wird… :-D
Sollten Sie allerdings so wüst schimpfen, dass Sie wegen Beleidigung angeklagt werden und sich in der Hauptverhandlung zB von Ihrem Kollegen Siebers vertreten lassen, bitte ich schon jetzt um rechtzeitige Mitteilung des Hauptverhandlungstermins. DAS Schauspiel könnte man sich unmöglich entgehen lassen…. Vielleicht würde der zuständige Kollege ja ausnahmsweise den Verzehr von Chips und Bier im Saal gestatten, dann hätte man ganz klar Kinoatmosphäre.
Der Reiswolf ist ein ganz zahmes Tier. Er lebt im asiatischen Bergland in kleinen Rudeln und lässt seine Jungen von Lämmern aufziehen.
In der Soziologie und im Tierreich nennt man das Symbiose.
Staatsanwälte, die das Tierschutzgesetz einhalten, nehmen diese Tiere mit in die Dienststelle und füttern sie mit Reis.
Ich freue mich schon auf den Beitrag über den Kostenbeamten, der die Kopierkosten von Hr.Hoenig rügt.
Ganz ehrlich.
Ja, Herr Hoenig, wie stehen Sie denn zu dem Antrag Ihrer Kölner Kollegen?
Sollte dieser Antrag Erfolg haben, ist die elektronische Akte am Ende.
[…] hatte vor ein paar Tagen über mittelalterliche Wüsten und beschimpfte Staatsanwälte im Lande Brandenburg berichtet. Die Potsdamer Strafverfolger waren mit meinem Akteneinsichtsgesuch überfordert, das zu irrsinngen […]
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