Moral ist wichtig. Muß man doppelt haben.

Wer über lange Jahre hinweg den ultimativen Moralapostel (m/w) gegeben hat, für den (m/w) sind die Konsequenzen besonders heftig, wenn man ihm (m/w) in eigener Sache unmoralisches Verhalten nachweisen kann. Ja, ich schreibe über Frau Alice Schwarzer (m/w).

Die in Ehren (das meine ich ernst!) alt gewordene Journalistin hat sich in meinen Augen spätestens seit dem Strafverfahren gegen Herrn Kachelmann als ernst zu nehmende Journalistin disqualifiziert. Mit ihrem erbärmlichen „Versuch“ (oder sollte ich Wahndelikt schreiben?), sich als Gerichtsreporterin bei der BILD einen Namen zu machen, hat Frau Schwarzer eindrucksvoll belegt, daß Altwerden nicht in jedem Fall etwas mit zunehmender Weisheit zu tun hat.

Aber es ist ihr zumindest hervorragend gelungen, im Sumpf des Boulevard nicht aufzufallen; sie hat das dortige Niveau gehalten (wenn’s hoch kommt): Das, was sie über den Strafprozeß geschrieben hat, zeigt, sie hat vom Strafrecht ebenso viel Ahnung, wie das Nachtschattengewächs aus dem Inkareich, an das ich in Form des Sejerlänner Riewekooche gute Erinnerungen habe. Auf dieser intellektuellen Höhe vermarktet sie sich und Ihre Straftaten nun selbst.

Frau Schwarzer ist bei einer 30 Jahre andauernden Steuerhinterziehung erwischt worden. Nun aber nicht so, wie sie es gern gehabt hätte. Und darüber jault sie auf:

Ja, ich hatte ein Konto in der Schweiz. Seit Jahrzehnten, genauer: seit den 1980er Jahren. Und erst im vergangenen Jahr habe ich es bei meinem Finanzamt angezeigt.

Frau Schwarzer nutzt einen Begriff aus der Abgabenordnung: Anzeige, Selbstanzeige nach § 371 AO:

Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft.

Ein Unikum im deutschen Straf(prozeß)recht.

Sie schreibt weiter:

Inzwischen ist alles legal.

Denn sie habe

unaufgefordert die Initiative ergriffen […], ihr Konto in der Schweiz zu legalisieren

Alles sei wieder gut: Sie habe …

den Fehler wieder gutgemacht. [Sie] habe für die letzten zehn Jahre gesamt rund 200.000 € Steuern nachgezahlt, plus Säumniszinsen. Der Fall ist damit auch aus Sicht der Steuerbehörde bereinigt.

Alles gut? Nein, das ist genauso dummes Zeug, was sie da schwätzt, wie das in der Bildzeitung zum Fall des Herrn Kachelmann.

Unaufgefordert?
Von wegen, Sie hatte einfach Schiss, daß ihr Name auf einem dieser geklauten und gehehlten Datenträger aus der Schweiz auftaucht. Feigheit und fehlende Eier waren die Motive für diese Selbstanzeige. Das ist nur durch die juristische Brille „Freiwilligkeit“, Moral sieht anders aus.

Kaltes Kalkül!
Dieser § 371 AO ist der in eine Rechtsnorm gegossene Ausdruck der Verlogenheit. Der Rücktritt vom vollendeten Delikt gegen Geldzahlung führt im Steuerrecht zur Straflosigkeit. Das ist so, als würde der Schläger nach seiner Tat zum Opfer sagen: „Och, das tut mir jetzt aber Leid!“, ihm 50 Euro für die zahnärztliche Versorgung zwischen die nicht mehr vorhandenen Zähne stecken und deswegen nicht mehr bestraft würde (denken Sie das Beispiel mal mit einer Sexualstraftat durch!). Von dieser Regelung hat Frau Schwarzer Gebrauch gemacht. Das ist keine Sternstunde einer vollendeten Moral.

Alles wieder legal?
Legal bedeutet in diesem Zusammenhang, daß die Straftat nicht bestraft werden kann, und keine Steuerschulden mehr offen sind. Und wie sieht das aus mit der Moral? Frau Schwarzer hat für 10 Jahre nachgezahlt. Und was ist mit den anderen, davor liegenden 20 Jahren? Yup, wegen der Straftaten in dieser Zeit kann Frau Schwarzer nicht bestraft werden. Sie muß auch nichts von den 20 Jahre lang hinterzogenen Steuern nachzahlen. Über diese Zeit ist Gras gewachsen. Das Gras der Verjährung. Eine Wiese, auf der das Unmoralkraut meterhoch steht.

Diese unmoralische Person schwingt sich nun auf, und reklamiert die Verletzung ihrer Persönlichkeit und den Mord ihres Rufes. Weil die Medien, der Spiegel, aufgedeckt haben, daß die Moral-Ansprüche, die Frau Schwarzer an andere hat, für sie selbst keine Geltung haben. Sie beweint die Verletzung des Steuergeheimnisses durch die Journalisten des Spiegel.

Das Steuergeheimnis hat der Gesetzgeber aber nicht dazu installiert, um eine Person, die sich mit Macht in das Licht der Öffentlichkeit gedrängt hat, um ihr Moral zu lehren, dann vor eben genau dieser Öffentlichkeit zu schützen, wenn sie als nicht mehr bestrafbare Straftäterin unterwegs war.

Der Fall ist damit auch aus Sicht der Steuerbehörde bereinigt.

… möchte Frau Schwarzer uns nun glauben machen. Ist er nicht!

Ich kann nicht einschätzen, ob sie (wieder einmal?) gelogen hat oder ob sie – als Bildzeitungsreporterin – einfach nur keine Ahnung hat von dem, was sie da schreibt.

Anders als von der Journalistin Alice Schwarzer in der vergangenen Woche behauptet, ist ihr Verfahren auch nach einer Selbstanzeige und Steuernachzahlung nicht beendet. Die Finanzbehörden prüfen derzeit noch, ob Schwarzers Selbstanzeige vollständig ist und sie damit vor Strafverfolgung bewahrt.

lese ich im Spiegel.

Die Frage, ob für die Steuerhinterzieherin die strafbefreiende Wirkung ihrer Selbstanzeige eintritt, ist noch unbeantwortet. Das ist auch nachvollziehbar. Denn wenn sie erst gegen Jahresende die Hosen runterlassen hat, dann ist nicht damit zur rechnen, daß binnen weniger Wochen das gegen sie eingeleitete Strafverfahren wieder beendet wurde.

Merkwürdig ist, daß Frau Schwarzer die Legalisierung ihrer eingeräumten Straftaten noch nicht bestätigt bekommen hat. Für meine Mandanten und mich ist eine Selbstanzeige erst dann „erfolgreich“, wenn wir eine entsprechende Mitteilung von der Straf- und Bußgeldstelle erhalten haben. Vorher halten wir uns bedeckt und tönen nicht rum, weil das ansonsten auch die sensiblen Gemüter der Finanzverwaltung wecken könnten.

Was kann man sonst noch zu dieser alten Dame des Feminismus sagen? Das schreibt RiBGH Thomas Fischer, eher wenig zurückhaltend, dafür in der gebotenen Deutlichkeit, in der Zeit – unbedingt lesen!

Nicht Nachsinnen über das Unrecht treibt die Menschen an, ihre geheimen Konten von ganzem Herzen zu bedauern, sondern die pure Furcht vor dem Erwischtwerden. So funktioniert Strafrecht.

Schönes Schlußwort von Herrn Dr. Fischer.

Dieser Beitrag wurde unter Medien, Steuerstrafrecht veröffentlicht.

17 Antworten auf Moral ist wichtig. Muß man doppelt haben.

  1. 1
    Hanz says:

    hat sich in meinen Augen spätestens

    Naja, das davor war auch nicht besser – Emma, ihre Auftritte in den Medien um nur mal Etwas zu nennen.

  2. 2
    maxrheub says:

    A.S. wollte immer als moralische Instanz angeschaut werden, hat aber stets vergessen, daß man sich nicht selber zur moralischen Instanz ernennen kann.

  3. 3
    Anja N aus K says:

    Toll geschrieben! Nagel nicht nur auf den Kopf, sondern zwischen die Augen!!! :-) Chapeau, Carsten!

  4. 4
    Provinzverteidiger says:

    Danke für diesen Kommentar und für den Link zum Fischer. Weiter so!

  5. 5
    Hanz says:

    „Die in Ehren (das meine ich ernst!) alt gewordene Journalistin“

    Dazu hat die Frankfurter Rundschau
    http://www.fr-online.de/panorama/alice-schwarzer-steuerhinterziehung-alice-in-der-opferrolle,1472782,26127284.html

    etwas geschrieben:

    „Nahezu jede Kritik, die an Alice Schwarzer geübt wird, ist bußfertig. Auf jeden Tadel folgt die Verbeugung vor dem Lebenswerk der kritischen Journalistin und scharfsinnigen Frauenrechtlerin. Nur selten mündet der Protest gegen die aggressive Bevormundung in eine Distanzierung oder gar einen Bruch.“

  6. 6
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Sie haben wirklich fast immer Recht, aber das mit den fehlenden Eiern der Alice, das ist wirklich anders. Da haben Sie sich geirrt.

    Wilhelm hat gemurmelt, dass es stimmt.
    Aber er kann die auch nicht leiden.

  7. 7
    Martin Overah says:

    Bitte unbedingt den hervorragenden Artikel von Herrn VRiBGH Prof. Fischer in der ZEIT lesen.

  8. 8
    anon says:

    Zitat: „Das ist so, als würde der Schläger nach seiner Tat zum Opfer sagen: „Och, das tut mir jetzt aber Leid!“, ihm 50 Euro für die zahnärztliche Versorgung zwischen die nicht mehr vorhandenen Zähne stecken und deswegen nicht mehr bestraft würde (denken Sie das Beispiel mal mit einer Sexualstraftat durch!).“
    Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu. Allerdings ist dieser Vergleich unpassend.

  9. 9

    […] Auch Carsten Hoenig findet deutliche Worte (Lesenswert!!: Moral ist wichtig. Muß man doppelt haben.): […]

  10. 10
    Jens says:

    Bitte bedenken Sie, dass das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut: der staatliche Steueranspruch bzw. der Anspruch des Staates auf vollständige und rechtzeitige Erhebung der Steuern anders als z.B. das geschützte Rechtsgut bei einer Körperverletzung (Gesundheit des Einzelnen) hinterher vollständig repariert werden kann (im Schrifttum als Reparatur des Steuerschadens bezeichnet + der Erfordernis die verursachte Verkürzung zu offenbaren und zu berichtigen).

    Auch erfolgt die juristische Prüfung der Selbstanzeige erst ganz am Ende, ähnlich der Rücktrittsprüfung

    I. Tatbestand
    II Rechtswidrigkeit
    III Schuld
    IV Strafausschließungsgründe

    Dies setzt voraus, dass die Handlungen tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sind.

    Ich teile Ihre Meinung zu § 371 AO ausdrücklich nicht. Ohne diese Institut müsste bei jedem Datensatz der Steuer-CD EINZELN und ausführlich geprüft werden (Stichwort: Durchsuchungen etc). Der Staat hat gar nicht das Personal um in jedem dieser Fälle ein „ordentliches“ Steuerstrafverfahren durchzuführen. Und hinterher noch die hinterzogenen Beträge beizutreiben. Liefert der Hinterzieher die Beträge, so repariert er den Steueranspruch, wirkt mit (Strafzumessungskriterien) und und und. Und erspart umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen.

    Dass dies in medienwirksamen Fällen als ungerecht empfunden wird, wer kennt das nicht? Geht mir auch so! Aber bei Oma Erna, wegen 40.000 Euro in der Schweiz durchsuchen zu gehen (Vorwurf: vorsätzlich ins Ausland verlagertes Kapitalvermögen) ist m.E. unangemessen weil unverhältnismäßig. Anders lassen sich diese Fälle aber nicht aufklären.

    Ich plädiere die Selbstanzeige für Steuerhinterziehung großen Ausmaßes abzuschaffen. Sie als Institut gänzlich abzuschaffen schafft Probleme in Verwaltung, Staatsanwaltschaft und Justiz. Steuer-CDs sind Massengeschäfte und ich glaube niemand weiß wirklich WAS für Massen da jeden Tag über die Tische der StraBu gehen.

    PS: Es heißt StrafSACHEN- und Bußgeldstelle.

  11. 11
    Pascal says:

    Lieber Carsten du sprichst mir aus der Seele. Danke für diesen Artikel.

  12. 12
    Joachim Breu says:

    Wer im Glashaus sitzt und um sich wirft, wie es die Journalisitin Schwarzer beim Verfahren gegen den Schweizer Wetterfrosch tat, sollte selbst ‚rein‘ sein, absolut. Deine Kritik ist gut formuliert und trifft.

    Die Kritik an unserer ‚Selbstanzeige‘ teile ich nicht. Ich nehme sie hin wie § 24 StGB. Wer im allgemeinen StrafR entscheidet, einen anfänglichen Tötungswunsch doch nicht umzusetzen, wird ’nur‘ wegen Körperverletzung verurteilt. Ich habe durchaus ein Problem damit, wenn man – nur weil es um Staatsknete geht – diesen Rechtsgedanken NICHT überträgt.

    Ja, auch der Vergleich hinkt. Denn die gewöhnliche KV passiert in einer einzigen Handlung, während die Steuerhinterziehung ein Dauerdelikt ist, dass sich alljährlich ca. am 31.05. eines Jahres erneuert.

  13. 13
    BV says:

    Ich stimme dem Beitrag (fast) vollständig zu. Und der verlinkte Artikel von VorsRiBGH Fischer ist ein echter Lesebefehl.

    Nur der Vergleich unter „Kaltes Kalkül!“ hinkt. Bei der Steuer geht es ja um eine unmittelbare Beseitigung des verursachten Schadens (+ kleinen Aufschlag). Das funktioniert bei Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit (und natürlich erst recht bei solchen gegen die sexuelle Selbstbestimmung) nicht. Die Zähne bleiben draußen, ganz egal wie viel mal dafür zu zahlen bereit ist. Passender wäre ein Vergleich mit einem Betrogenen, dem der gesamte Schaden wieder ersetzt wird, noch bevor die Ermittler den Betrüger als Verdächtigen in Betracht gezogen haben. In diesem Fall könnte man für eine Straffreiheit evtl. ein wenig Verständnis aufbringen (wenngleich sie falsch wäre).

  14. 14

    Aktuell wird viel über den Fall Alice Schwarzer geschrieben. Logischerweise bei der Strahlkraft, zu der diese Frau über die Jahrzehnte ihres Wirkens gekommen ist.

    Hier und heute habe ich mit Abstand die meines Erachtens bislang wohlgewähltesten Worte dazu gelesen.

    Vielen Dank, Herr Hoenig!

  15. 15
    RA Schepers says:

    Dagegen sind Sünder wir alle. Wer wollte behaupten, er sei nie im Leben bei Rot über die Ampel gefahren oder habe nie einen Roman als „Fachbuch“ abgesetzt?

    Das wäre ein schönes Schlußwort von Dr. Fischer gewesen.

  16. 16

    […] kanzlei hoenig: Carsten Hoenig ist von Frau Schwarzer nicht sonderlich begeistert: Moral ist wichtig. Muß man doppelt haben. […]

  17. 17
    Jan says:

    Ich kann grundsätzlich die Kritik an Schwarzer und an ihrer Reaktion auf die Vorwürfe nachvollziehen. Steuern zu hinterziehen ist scheiße und schadet allen. Zudem ist es schon ziemlich dreist zu behaupten, sie habe „den Fehler wieder gutgemacht“. Das kann sie nun wirklich nicht selbst entscheiden.

    Ich habe ebenfalls ein Problem damit, eine sachlich formulierte Kritik an Schwarzer gleich mit Sexismus zu bezeichnen, wie es stellenweise getan wird. Aber dieser Beitrag ist alles andere als sachlich und teilweise ganz eindeutig sexistisch.

    Beispiele:
    1. Schwarzer ist nie „ultimativer Moralapostel“ gewesen. Sie hat in einem bestimmten Themengebiet Kritik geäußert, wenn auch nicht immer gut und in geeigneter Form.
    2. „Frau Alice Schwarzer (m/w)“: Total lustig. Ist Ihnen der Witz beim Mario-Barth-Konsum eingefallen?
    3. Schwarzer wird grundsätzlich im ganzen Artikel als „Frau Schwarzer“ bezeichnet, während fast alle Medien stets von „Alice Schwarzer“ oder einfach nur „Schwarzer“ schreiben. Warum betonen Sie andauernd ihr Geschlecht?
    4. Auch wenn man es (vermeintlich) intellektuell verpackt, bleibt es absolut inakzeptabel, geistige Fähigkeiten eines bestimmten Menschen mit denen von Kartoffeln gleichzusetzen.
    5. „aufjaulen“, „dummes Zeug schwätzen“, „beweinen“: Reden Sie so auch vor Gericht?
    6. Seit wann sinkt die Schutzwürdigkeit einer Person vor Vorverurteilungen mit ihrer öffentlichen Sichtbarkeit? Diskutieren Sie das doch auch mal mit einem Kollegen aus dem Bereich Medienrecht.
    7. Und nicht zuletzt der völlig unpassende Vergleich mit Körperverletzung und Sexualstraftaten. Und das aus der Feder eines Strafrechtlers, der die Ideen hinter dem Konzept „Schmerzensgeld“ aus seiner täglichen Arbeit kennen sollte.

    Trauen Sie Ihren eigenen Worten so wenig sachliche Überzeugungskraft zu, dass Sie so einen Artikel schreiben müssen?