Unter meinen Facebook-„Freunden“ befinden sich auch einige Richter. Über einen kleinen Zwischenfall mit einem solchen „Freund“ hatte ich hier berichtet.
Ein Ermittlungsrichter kommentierte den Beitrag auszugsweise so:
Ist es für Strafverteidiger im Verhältnis zu ihren Mandanten von Vorteil, darauf verweisen zu können, mit dem Richter „befreundet“ zu sein (nach dem Motto: Schau doch mal, wir sind so dicke, da kann Dir gar nichts passieren), oder führt das nicht vielleicht doch zu Misstrauen (nach dem Motto: Tut der wirklich alles für mich, oder möchte der im Zweifelsfall doch lieber das gute persönliche Verhältnis nicht gefährden)?
Diese Frage nach dem persönlichen Verhältnis zwischen Richter und Verteidiger beschränkt sich nicht auf die sozialen Netzwerke, sondern betrifft auch das „richtige Leben“.
Die beiden Pole, die der kommentierende Ermittlungsrichter darstellt, existieren tatsächlich. Für mich wird das Problem beispielsweise immer dann virulent, wenn ich als Hauptstadtbewohner vor einem „Dorfgericht“ zusammen mit einem dort ansässigen Kollegen verteidige, wobei jeder seinen eigenen Mandanten vertritt. Dann wird die Sache deutlich.
Der gerichtsbekannte Kollege hat den erheblichen Vorteil, daß er die Marotten, Vorlieben und Gewohnheiten des Richters kennt und seine Verteidigung darauf ausrichten kann. Er hat die Möglichkeit, den Richter beiseite zu nehmen und vielleicht sogar abends in der Kneipe den Termin „vorzubereiten“. Das fehlt mir als auswärtiger Verteidiger.
Demgegenüber muß ich aber nicht befürchten, mich bis zum St. Nimmerleinstag bei dem Richter am Amtsgericht Oberhinterdüsterwald unbeliebt zu machen und in der Dorfkneipe vom Honoratioren-Stammtisch verwiesen zu werden, wenn ich mal mit dem Kopf durch die Wand gegangen bin. Einen Schmusekurs kann ich fahren, ich muß es aber nicht. Ich bleibe flexibler und fahre nicht auf Schienen durch’s Verfahren.
Aber auch hier in der Großstadt gibt es … sagen wir mal … gewisse Näheverhältnisse zwischen gewissen Richtern und gewissen Verteidigern. Letztere sieht man dann häufiger als Pflichtverteidiger in den Verfahren dieser Richter.
Aber auch ohne den Verdacht der Kungelei ist die Trennung zwischen Beruf und Freizeit manchmal ein Balanceakt. Zum Beispiel dann, wenn Verteidiger und Haftrichter nach dem gemeinsamen Frühsport morgens um 7 Uhr im Fitness-Center nackt nebeneinander unter der Dusche stehen und sich dann um 10 Uhr im Gericht über die Frage einer Haftverschonung streiten müssen.
Es gibt eigentlich keine eindeutige Antwort auf die Ausgangsfrage, sondern nur den Standard: Es kommt drauf an. Und zwar auf den Menschen, auf die Persönlichkeit der Beteiligten.
Noch ein Fall aus der Praxis: Nicht jeder Richter wählt sich als Pflichtverteidiger einen bequemen „Verurteilungsbegleiter“. In einer konfliktreichen Wirtschaftsstrafsache hat mein Mandant mit meiner Hilfe und nach einem Heidentheater den Vorsitzenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnt. Nur wenige Wochen später hat dieser Richter bei mir angefragt, ob er mich in einer neuen Sache zum Pflichtverteidiger bestellen soll.
Also: In einigen Fällen ist der gute Draht zwischen Richter und Verteidiger von Vorteil, in anderen Fällen eher nicht. Entscheidend ist die Professionalität, mit der die Beteiligten ihren Beruf ausüben und mit der sie ihre unterschiedlichen Aufgaben erledigen.
Einen habbich noch: Nach etwa 15 Minuten gegenseitiger Anschreierei im Gerichtssaal hat mich der Vorsitzende auf dem Weg zur Cafeteria über die Qualität des dortigen Espresso informiert. Dienst ist Dienst, und Caffè ist Caffè.
Wobei Sie mir jetzt die Antwort auf die Frage, wie die Mandanten auf so ein Näheverhältnis reagieren, schuldig geblieben sind. Ich kann mir die Antwort aber eigentlich fast denken – sämtliche Verteidiger, mit denen ich mich außerhalb des Gerichtssaal duze, haben mir entweder ausdrücklich gesagt oder durch demonstratives Siezen zu Erkennen gegeben, dass ich sie auf keinen Fall in Anwesenheit ihrer Mandantschaft duzen soll (nicht, dass ich jemals auf diesen Gedanken gekommen wäre).
(Und zum Thema Pflichtverteidigerauswahl nur so viel: Der Typus Verurteilungsbegleiter ist mir bekannt, und ich habe für ihn wenig mehr als Verachtung übrig. Wer bei mir unter der Türschwelle durchkriecht, um mit mit Kratzfuß seine Visitenkarte auf den Schreibtisch zu legen, kann sicher sein, dass die im Papierkorb landet, bevor er das Gebäude verlassen hat. Wenn meine Beschuldigten, denen ich gerade einen Haftbefehl eröffnet habe, mich den Verteidiger auswählen lasse, kriegen sie von mir immer ausdrücklich die Zusicherung, dass sie von mir keine Pfeife zum Verteidiger bestellt bekommen, und an dieses Wort fühle ich mich gebunden. Erstaunlicherweise haben aber auch diese Verteidiger treue Stammkundschaft, die ausdrücklich darum bitten, ihren angestammten Anwalt wieder zu bekommen.)
Die dem richterlichen Monitum zufolge offen gebliebene Frage, ob persönliche Nähe zwischen Richtern und Anwälten deren Mandaten eher anzieht oder befremdet, lässt sich nicht allgemein beantworten. Das ist so ähnlich wie bei der Wahl eines Verteidigers, der früher Strafrichter oder Staatsanwalt war und den Dienst nach etlichen Jahren quittierte, um Anwalt zu werden (ich bin eine solche Existenz). Viele Mandanten finden das gut („Herr Spormann, Sie kennen wenistens die andere Seite“), andere stößt das eher ab („ist das vielleicht ein Spitzel der Justiz?“). Es hängt letztendlich von der eigenen Persönlichkeit ab. Richter zu kennen, ist für jeden Anwalt ein Vorteil. Nicht wegen etwaiger Wohltaten, die daraus für eigene Mandanten entstehen können. Nein, das weitet den Blick und nimmt aus dem Miteinander im Gerichtssaal unnötige Spannung, die letztendlich dem Mandanten schaden würde.
Im Grunde möchte ich mich dem Kollegen Rüdiger Spormann anschließen. Ich informiere den Mandanten, wenn ich einen Richter „gut“ kenne, aber ich „vermarkte“ diese persönliche Beziehung nicht. Genauso weise ich darauf hin, wenn zwischen mir und dem Richter eine Spannungsverhältnis besteht (siehe „Richter K.“).
Ergänzend sei noch angemerkt, insbesondere lieber Rüdiger, daß es im Gerichtssaal auch Spannungen gibt, die nötig sind und die dem Mandanten nützen.
Zusammengefaßt: Es bleibt bei der Antwort auf die Ausgangsfrage. Es kommt drauf an, wie beim Beton, was man draus macht.
Also als Mandant geht es mir ungefaehr so: Wenn die Verteidigungsstrategie auf Schadensbegrenzung hinausläuft (Strafmassverteidigung), dann finde ich ein gutes Verhältnis zwischen Anwalt und Richter / StA natürlich positiv.
Steht allerdings eine Konfiliktverteidigung in Richtung Freispruch an, wäre mir professionelle Distanz deutlich lieber.
Keine wirkliche Überraschung, oder?
Als Mandant sollte man ja wissen ob man sich schuldig fühlt oder nicht und wie man verteidigt werden möchte.
Wir halten es da ganz streng. Keine Geduze mit Richtern und Staatsanwälten, keine gemeinsamen Freizeittermine, keine aus langer dienstlicher Bekanntschaft erwachsende „Kumpeligkeit“, Distanz auch außerhalb des Dienstes, auf Fortbildungsveranstaltungen, usw. Wobei Distanz natürlich nicht unfreundlich oder mißtrauisch bedeutet. Die gleiche Distanz versuchen wir zu anderen Anwälten zu wahren.
Wir versuchen auch Telefonate mit anderen Verfahrensbeteiligten, die über bloße Formalitäten hinaus gehen, zu vermeiden. Wer schreibt der bleibt. Und es soll doch später kein Dissens darüber entstehen, wer was gesagt hat.
Ich finde jede Form von Nähe birgt die Gefahr von „Korruption“ (im sozialen Sinne), von falsch verstandener Rücksichtnahme, Kriecherei, Nachgeben zulasten der Sache und des Rechts, etc., auch wenn jedermann die Anfälligkeit für diese Gefahr natürlich weit von sicht weisen würde. Nach dem Motto: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Diese Trennung halte ich für nicht möglich.
Wenn Richter, Kollegen oder Mandanten damit ein Problem haben, ist mir das gleichgültig. Dann sollen sie ihren Mist alleine machen, aber ohne mich.
Mir gefällt seit jeher ein Satz aus dem Film „Wallstreet“, gesprochen von Michael Sheen im Zusammenhang mit fragwürdigen Näheverhältnissen: „Ich gehe nicht mit einer Hure ins Bett, deshalb wache ich auch nicht neben einer Hure auf.“
Ich räume ein, das mag etwas borniert und unflexibel wirken. Und so mancher Kollege, der sich gut mit Richtern und Staatsanwälten versteht, gerne telefoniert und in fremden Büros herumschleicht, kann bei hierfür „anfälligen“ Richtern und Staatsanwälten bessere Ergebnisse für die Mandanten herausholen als auf dem streng formellen Wege. Andererseits können solche Versuche auch ganz schrecklich in die Hose gehen. Ich sage dem Mandanten von Anfang an, wie ich es handhabe. Wenn er damit nicht einverstanden ist oder wird, darf er gerne eine zweite Meinung einholen oder den Anwalt wechseln.
Grundsätzlich gebe ich auch dem Kollegen Spormann recht und halte es auch so wie der Kollege Hoenig.
Gerade im Saarland lässt es sich nicht vermeiden, dass man sich z.B. aus Studienzeiten auch privat kennt. Ein guter, langjähriger Freund von mir hat z.B. „das Ufer gewechselt“. Von Anwalt zum Strafrichter. Demnächst ist er wohl bei der Staatsanwaltschaft. Soll ich jetzt keine Mandate mehr annehmen, die bei ihm landen? Zwischendurch war er auch Zivilrichter. Keine Zivilsachen mehr? Nicht wirklich praktikabel.
Generell kann ich sagen, dass ich bei einem mir, egal ob gut oder weniger gut bekannten Richter, etwas innerlich „freier“ in der Sache hart sein kann, mit dem Wissen, dass er es mir nicht persönlich krumm nimmt und meine Mandanten die nächsten Jahre darunter leiden müsse.
Ist es denn aus Sicht einer möglichen Befangenheit denn so klug, soziale Beziehungen zw. Richter und Anwalt in sozialen Netzen beweissicher zu dokumentieren? Man wird sicher nicht seine Freundschaft wg. dem beruflichen Interessenskonflikt absagen, aber evtl. sollte man damit sehr dezent umgehen.
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