Alles Lüge? (Teil 1)

726208_web_R_by_Dr. Stephan Barth_pixelio.de Vergangenes Wochenende habe ich über einen Verdacht berichtet, der sich gegen Polizeibeamte richtet: Sie sollen als Zeugen vor Gericht gelogen haben, berichtete Katrin Bischoff in der Berliner Zeitung. Ich frage mich nun, was ich von der folgenden Geschichte halten soll.

Es ist ein wenig schwierig, das Geschehen in der gebotenen Kürze für einen Blogbeitrag nachvollziehbar darzustellen. Deswegen heute nur die Vorgeschichte, morgen dann das eigentliche Thema.

Teil 1 – die Vorgeschichte.

Gegen ein Urteil des Amtsgerichts habe ich farblos und unbestimmt „Rechtsmittel“ eingelegt. Ganz bewußt habe ich offen gelassen, ob es sich dabei um eine (Sprung-)Revision (§ 335 StPO) oder um eine Berufung (§ 312 StPO) handelt. Dem Urteil war eine sehr streitige Hauptverhandlung vorausgegangen und ich war (bin) der Ansicht, der Richter habe grobe Fehler gemacht. Was angesichts der Rechtsmaterie nicht so schwierig ist – es ging um einen Verstoß gegen das Arzeneimittelgesetz (AMG). Für die Jurastudenten und Tour-de-France-Teilnehmer unter den Lesern: § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG iVm. § 6a Abs. 2a Satz 1 AMG.

Die Entscheidung, welches Rechtsmittel es am Ende werden soll, habe ich für den Zeitpunkt nach der Urteilszustellung vorgesehen. Ich wollte schauen, ob der Richter seine Fehler auch fein säuberlich in den Urteilstext schreibt, damit sie revisibel sind. Das war zu erwarten und ist auch genau so eingetroffen.

Für einen (sagen wir es offen: faulen) Richter ist das farblose Rechtsmittel suboptimal: Wenn sein Urteil wegen (blöder) Rechtsfehler oder schlampiger Urteilsbegründung, die allein er zu vertreten hat, vom Revisionsgericht aufgehoben wird, ist das selbstredend keine Auszeichnung. Anders ist es bei einer Berufung – da werden etwaige Fehler nicht so offenkundig thematisiert, weil oft die gesamte Beweisaufnahme wiederholt wird.

Will ein Richter also eine Blamage möglichst verhindern, muß er sich ernsthaft Mühe bei der Abfassung der Urteilsgründe geben. Das macht Arbeit, kostet Zeit und ist frustrierend, wenn dann am Ende dann doch nur eine Strafmaßberufung herauskommt.

Wie immer im richtigen Leben gibt es auch hier ein Gegenmittel, das insbesondere der Typus von Richtern im Auge hat, mit dem ich es hier zu tun hatte. Wenn nämlich die Staatsanwaltschaft eine Berufung gegen das Urteil einlegt, ist der Verteidigung der Weg in die Revision versperrt. Deswegen werden solche Rechtsmittel untechnisch als Sperrberufung bezeichnet.

So kann ein freundlicher Anruf des Richters beim befreundeten Staatsanwalt nach Urteilsverkündung eine Menge unerfreulicher Arbeit ersparen. Ob das in „meinem“ Fall so war, dafür habe ich keine Anhaltspunkte. Die Inhalte von Telefonaten zwischen Freunden werden in aller Regel nicht in der Akte dokumentiert.

Soweit erst einmal die Vorschichte – was danach geschah, bleibt dem zweiten Teil dieses Berichts vorbehalten.

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Bild: © Dr. Stephan Barth / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Strafrecht veröffentlicht.

7 Antworten auf Alles Lüge? (Teil 1)

  1. 1
    Denny Crane says:

    Unbestimmte Rechtsmittel immer am letzten Tag der Frist nach 18.00 Uhr per Fax einlegen. Oder beim benachbarten „Heimatgericht“ abends persönlich in den Briefkasten werfen. So erfährt die Staatsanwaltschaft nichts und mit der „Sperrberufung“ wird es nichts.

  2. 2
    mark says:

    Halten Sie die Möglichkeit einer Sperrberufung für einen korrekturbedürftigen Fehler im Deutschen Rechtssystem?

    • Solange sich der Staatsanwalt an die Spielregeln (vulgo: Ziffer 147 RiStBV) hält, ist die Regelung grundsätzlich in Ordnung. Wenn aber ein Richter und ein Staatsanwalt durch kollusives Verhalten die Revision des Angeklagten damit verhindern wollen, ist das Verhalten der beiden Jusitzorgane korrekturbedüftig. crh
  3. 3
    A. Hirsch says:

    Vielleicht landen Sie ja bei einer Berufungskammer, die bereit ist, die Berufung der Staatsanwaltschaft als unzulässig zu verwerfen. Wenn gegen Nr. 147 RiStBV verstoßen wurde, lässt sich insoweit aus OLG Karlsruhe StV 2004, 431, Leitsatz 3, ein bisschen Honig saugen. Ich gebe allerdings zu, dass ich damit noch keine Berufungskammer überzeugen konnte.

  4. 4
    BV says:

    @A. Hirsch – #3:

    Das stelle ich mir aber reichlich schwierig vor, schon allein weil das OLG Karlsruhe selbst ausführt:

    „Zwar sieht der Senat die Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft nicht als rechtsmissbräuchlich an (vgl. hierzu aber die Erwägungen im Beschluss des 2. Strafsenats des OLG Karlsruhe im Verfahren nach § 23 EGGVG vom 26.06.2003, 2 VAs 36/02), denn allein die – wenn auch sachwidrige – Geltendmachung eines prozessualen Rechts genügt hierfür nicht.“

    Die Frage der Unzulässigkeit von Sperrberufungen wird von Krumdiek (in: StRR 2010, 84) beleuchtet. Der Aufsatz kann hier online (als PDF) abgerufen werden: http://tinyurl.com/naywrzz
    Vielleicht ist das ja eine halbwegs „neutrale“ Instanz, da Frau Krumdiek als wissenschaftliche Mitarbeiterin schreibt und damit weder als Staatsanwältin oder Rechtsanwältin.

  5. 5
    A. Hirsch says:

    @BV:

    Der Entscheidung des OLG Karlsruhe lag ja auch nicht der Sachverhalt zugrunde, von dem Herr Hoenig hier berichtet. Und ob es im hier behandelten Fall Anhaltspunkte für Rechtsmissbräuchlichkeit gibt, lässt sich dem Blog-Cliffhanger nun nicht entnehmen. Warten wir’s ab.

    Im Übrigen hat das OLG Karlsruhe die Berufung der StA zwar nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen, aber als unzulässig, so dass man schon auf die Idee kommen könnte, dass auch in jenem Fall eine Verwerfung der Berufung nach § 322 I 1 StPO möglich gewesen wäre. Von Rechtsmissbrauch steht in dieser Vorschrift jedenfalls nichts.

  6. 6

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  7. 7
    Kirchmann says:

    Vielleicht sollten Sie nicht „Rechtsmittel“ gegen ein amtsgerichtliches Urteil, sondern immer „Berufung“ einlegen. Dann können Sie innerhalb der Revisionsbegründungsfrist immer noch das Rechtsmittel umstellen.
    Der Textbaustein dazu lautet:

    „… ändere ich das am xx.xx.xxxx eingelegte Rechtsmittel der Berufung und führe es hiermit als Revision weiter. Der Übergang von der Berufung zur Revision, innerhalb der Frist der Revisonsbegründung, ist zulässig (vgl. BGHSt 5, 338; BGH 5 StR 249/03, Beschluss v. 3.12.2003. Ich beantrage …“ usw.

    Aber das dürfte eh bekannt sein.

    Ich habe bisher keine Probleme mit Sperrberufungen gehabt.