Bekanntes Muster einer Verteidigung

124991_web_R_K_by_erysipel_pixelio.deWegen Strafvereitelung im Amt nach Tod von Khaled I. hat MdB Volker Beck (Grüne) eine Strafanzeige erstattet. Die Dresdner Polizei hatte zunächst ein Fremdverschulden ausgeschlossen, obwohl der Schwarzafrikaner durch mehrere Messerstiche in Hals und Oberkörper tödlich verletzt wurde. Darüber hatte ich hier bereits berichtet.

Diese Strafanzeige hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) zum Anlaß genommen, seinerseits eine Strafanzeige gegen Volker Beck zu erstatten. André Schulz, Bundesvorsitzendee des BDK, ist der Ansicht, Beck habe durch seine Strafanzeige möglicherweise die Straftatbestände der falschen Verdächtigung, der üblen Nachrede und Beleidigung erfüllt.

Schulz bellt in einer Pressemitteilung des BDK,

[man] wisse […] nicht, woher Herr Beck sein gefährliches Halbwissen über polizeiliche Ermittlungsarbeit im Allgemeinen und über diesen Fall im Besonderen habe. Die Defizite seines fehlenden juristischen oder polizeilichen Backgrounds wurden schon mehrfach in seinen Äußerungen deutlich, finden nun aber einen Höhepunkt in der selbstverliebten und populistischen Anzeige gegen die Polizei und Staatsanwaltschaft in Dresden.

[…]

Diese haltlosen Mutmaßungen eines Bundestagsabgeordneten aus seinem Elfenbeinturm in Berlin sind unverschämt, unangemessen und eine Beleidigung für jeden Ermittler. Beck agiert als geistiger Brandstifter

Ich würde Herrn Schulz als getroffenen Hund bezeichnen, denn er wird seinen Grund haben, auf diese Weise zu versuchen, sich und das Verhalten der Polizeibeamten vor Ort zu rechtfertigen.

Prof. Dr. Henning Ernst Müller stellt im Beckblog die rhetorische Frage, ob es sinnvoll sei, eine öffentliche Diskussion mit Strafanzeigen zu führen.

Ich möchte diese Frage mit einem typischen „Es kommt drauf an.“ beantworten. Zumindest guckt sich jetzt jemand die Sach- und Rechtslage an und der Vorfall wird nicht (wieder?) unter einen in Dresden nicht vorhandenen orientalischen Teppich gekehrt.

Jedenfalls entspricht diese Art der Verteidigung, mit der sich Polizeibeamte gegen Vorwürfe wehren, einem (mir) bekannten Muster: Der Anzeige eines Bürgers, der sich falsch beamtshandelt fühlt, wird mit einer Gegenanzeige des Beamten (und seines Vorgesetzten) begegnet.

Nur mit viel Glück landen beide Verfahren dann mal auf dem Tisch eines Richters. In zahlreichen Fällen habe ich erfahren, daß das Verfahren gegen den Beamten eingestellt und nur das gegen den Bürger weitergeführt wird.

Ein klassisches Beispiel aus meiner Referendarzeit:

Der 45 kg „schwere“ Hänfling wird im Bahnhof Zoo schlafend (und mit 3,5 Promille) auf einer Bank angetroffen. Von drei 2-Meter-mal-2-Meter großen und breiten Bundesgrenzschützern. Deren Ziel (und Aufgabe) war es, die halbe Portion aus dem Bahnhof zu weisen und gegebenenfalls zu versorgen. Soweit, sogut.

Am Ende sah es aber so aus: Der Penner mit den schmalen Schultern war übersät mit Blutergüssen am ganzen Körper. Er (!) wurde angeklagt wegen Körperverletzung, Beleidigung und Widerstand. Die Ermittlungsverfahren gegen die drei Kleiderschränke Beamte wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt wurde bereits frühzeitig im Ermittlungsverfahren nach § 170 II StPO eingestellt.

Das ist eine Struktur, nach der die Auseinandersetzung zwischen Beck und Schulz sich abzuspielen scheint. Volker Beck ist glücklicherweise kein alkohol- und drogenkranker und im Stich gelassener Obdachloser, der sich vor einem Kläffer fürchten muß.

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Bild: erysipel / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Kanzlei Hoenig Info veröffentlicht.

14 Antworten auf Bekanntes Muster einer Verteidigung

  1. 1
    WPR_bei_WBS says:

    So so, eine Strafanzeige (in der keine falschen *Tatsachen*behauptungen aufgestellt werden) einzureichen ist jetzt also schon eine Straftat?

    Also wenn ich mir die Begründung so durchlese: Herr Hoenig wie wäre es, wollen Sie nicht eine Strafanzeige gegen André Schulz stellen?

  2. 2
    jemand says:

    Dann kann Herr Beck ja jetzt noch eine Anzeige gegen Herrn Schulz wegen falscher Verdächtigung, übler Nachrede und Beleidigung nachreichen, da er sich durch dessen Anzeige ebenfalls falsch verdächtigt, übel nachgeredet und beleidigt fühlt.

  3. 3
    Bert Grönheim says:

    Schade nur für die Menschen, die nicht so virtuos den Einsatz der Medien beherrschen, mit welchem Ergebnis auch immer.

    • Dafür gibt es (Medien-)Berater. crh
  4. 4
    le D says:

    Was mich ein wenig wundert ist, dass der BDK folgende Schlagzeile veröffentlicht: „Ermittlungen gegen Volker Beck nach Anzeige gegen Dresdner Polizei“

    Mir schwirrt was im Hinterkopf wegen idemnität und Immunität (I&I) im Hinterkopf herum, dass *vor* der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (und so verstehe ich die Schlagzeile) die I&I des Betroffenen vor(!) der Einleitung aufgehoben werden muss.

    Unabhängig davon kann es (ich bin aber auch nur IT-/TK-Rechtler) ja wohl kaum sein, dass das Anstoßen eines rechtsstaatlich vorgesehenen Verfahrens (und mE ist in dem Bereich eine umfassende Ermittlung zwingend) kaum eine Straftat darstellen kann, so lange man sich nicht im Bereich der falschen Verdächtigung bewegt.

  5. 5
    Mitleser says:

    „Angenehmer“ Nebeneffekt: Man kann (erst irgendwann?) dann mit Recht die Wahrheit kundtun: „Gegen MdB Beck wurde schon mehrfach strafrechtlich ermittelt.“ oder (falls der Immunitätsausschuss sich nicht für ein Kasperltheater hergibt) „Nur seine Immunität als Abgeordneter schützte Herrn MdB Beck vor einem [erneuten] strafrechtlichen* Ermittlungsverfahren“.

    *muss man in der BLÖD dazuschreiben

  6. 6
    WPR_bei_WBS says:

    @ le D:

    Ein Ermittlungsverfahren könnte kann man wohl (wenn Fristen usw. eingehalten wurden) mit dem hier als genehmight betrachten:

    http://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg/anlage6/245194

  7. 7
    Thorsten says:

    Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Herr Schulz in der Kürze der Zeit mit allen beteiligten Kollegen über die Sache in der gebotenen Ausführlichkeit gesprochen hat. Ich habe Zweifel, ob er überhaupt hinterfragt hat, weswegen die Kollegen Fremdverschulden anhand der vorhandenen Verletzungen überhaupt so schnell ausgeschlossen haben. Also letztlich alles eine Kurzschlussreaktion oder ein Reflex?

    Ein Glück ist so einer nur Gewerkschaftsfunktionär und kein Bundeskanzler. Sonst hätten wir hier alsbald einen Polizeistaat.

  8. 8
    gabelweg says:

    @Thorsten
    Es braucht auch niemand Rücksprache halten. Der Grund ist nämlich ganz einfach der Presse zu entnehmen. Es lagen Verletzungen vor, die wohl das Vorhandensein von Messerstichen überdeckten. Erst durch die Obduktion wurden die Stiche erkannt. Dies will allerdings der Blogger nicht aufschreiben.
    Er wird seine Gründe haben.
    Mir fällt immer wieder auf, dass dieser Blogger und auch der andere im lawblog bei Themen die Polizei, Staatsanwaltschaft, Richter usw. betreffen sehr gerne im Kontext negativ besetzte Adjektive verwenden.
    Man wird seine Gründe haben.

  9. 9
    Mitleser says:

    @gabelweg:
    Wie man in den Wald hineinruft…
    Mir tut es auch um die (wenigen?/vielen?) aufrechten/ehrlichen Polizisten, StA und Richter Leid. Auf der anderen Seite lernt man die zu selten kennen und sie exponieren sich auch nicht: Korpsgeist und Angst (! in/vor der eigenen Struktur!) hält sie wohl von einer Selbstreinigung ab.

    Jemand, den ein Hund gebissen hat, unterscheidet nicht mehr zwischen Hunden. Hund == Gefahr/negativ. Das mag zuweilen auch in der Sprache durchscheinen.
    Ich empfehle gerne den Selbsttest: Arbeite bei einer Kontrolle mal nicht wie ein unterwürfiger Bürger mit (Du musst nur immer sagen „Das geht Sie doch nichts an“) und Du wirst erleben, dass nur eine Minderheit(!) sich weiter korrekt verhält (höflich verlange ich nicht).

    Selbstverständlich färbt innere Haltung auf die Sprache ab, aber PolB&Co sollten sich schon fragen warum der britische Bobby (ich hoffe, immer noch) ein so viel höheres Ansehen in der eigenen Bevölkerung geniesst, als ein deutscher PolB (mir ist dabei der Teufelskreis mangelnde Mitarbeit->negative Erwartungshaltung des PolB->entsprechndes Verhalten des PolB->Ver-/Missachtung des PolB durchaus bewusst – es ist heute fast eine selbsterfüllemde Prophezeihung (auf beiden Seiten)).

    Die Lösung muss aber Polizei/Justiz bringen: Selbstreinigung, konsequentes Durchgreifen. Anstatt solcher (leider typischen, alltäglichen) „Spässe“ wie dem hier besprochenen Vorgehen.
    Im Gegensatz zu MdB Beck weiss der Schulz nämlich, dass seine Anschuldigung haltlos ist!!.
    Ich bin da bei „jemand“: Hr. Beck sollte Strafanzeige gegen den Schulz stellen!

    BTW: Der Schulz zieht damit seine Kollegen in den Dreck, lässt Polizisten selbst dem nur ansatzweise rechtsverständigen Laien als nicht kritikfähig, bösartig und rachsüchtig erscheinen!

  10. 10
    gabelweg says:

    @Mitleser
    Ihr Kommentar ist leider schwer zu lesen und ebenso schwer zu verstehen. Ich meine aber daraus zu lesen, dass ihnen nicht mit größtem Respekt begegnet wird. Sie schreiben es aber gleich zu Anfang selber. Wald und so. Kann es sein, dass genau dort, also bei ihrem Reinrufen, der erste Fehler liegt.
    Aber in einem gebe ich ihnen uneingeschränkt Recht. MdB Beck hat, vermutlich aus übersteigender Selbstverliebtheit nicht gewusst was er tut. Und eines fällt mir auch auf. Sie prangern das Verhalten von dem Schulz an und verlangen selber wieder eine Gegenanzeige.
    Ach deutscher Michel, was offenbart sich ein Mitleser als Kleingeist

  11. 11
    T.H., RiAG says:

    Dafür, dass angeblich in ganz Dresden kein Strafverfolger gewillt war, die Sache aufzulären, ging es jetzt dann aber doch recht fix:

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/tod-von-khaled-b-in-dresden-haftbefehl-gegen-mitbewohner-a-1014469.html

  12. 12
    Mitleser says:

    @gabelweg: Rechtsbrecher-Versteher?
    Ich bedauere Dein Unverständnis einfacher Sprache. Man muss es natürlich auch wollen…
    Zur Frage: Nein, beim „in den Wald hineinrufen“ liegt mein Fehler nicht. Der PolB ruft nämlich in den Wald, ich rufe heraus (bis auf die Ausnahmen, wo ich zum PolB freiwillig hingehe, um z.B. um eine Auskunft oder Hilfestellung zu ersuchen). Wer sich mir gegenüber korrekt verhält wird ebenso behandelt.
    Wer aber unter (unbewusster?) Überschreitung seiner Kompetenz Dinge fordert, die ich nicht zu leisten verpflichtet bin darf sich nicht beschweren, wenn ich ihn (nicht un)höflich aber deutlich darauf hinweise („Das geht Sie nichts an.“). Bereits die Frage ist eine Respektlosigkeit, überspitzt gesagt ein Betrugsversuch (der Versuch, durch Weglassen der Information, dass ich zur Auskunft nicht verpflichtet bin, eine Information zu erhalten).
    Solche Handlungen wiederum sind polizei-/justiztypisch (weswegen Strafverteidiger ja zu Recht darauf hinweisen keine Angaben zu machen und nicht an polizeilichen Massnahmen mitzuwirken.

    Warum brauche ich eigentlich überhaupt einen Strafverteidiger, um die Rechtsstaatlichkeit von Vorgängen/Verfahren sicherzustellen, wenn doch jeder Beteiligte (ausser mir) auf Dieselbe verpflichtet ist?!!

  13. 13
    Mitleser says:

    @gabelweg:
    Vielleicht noch ein anderes Beispiel: Die Betreiber von Abofallen werden gemeinhin als ehrloses, mieses Pack wahrgenommen, das Unbedarfte abzocken will.
    Was Diese aber vom gemeinen Polizisten unterscheidet ist, dass sie durchaus Hinweise auf Rechtsfolgen geben (irgendwo auf der Seite, kleingedruckt, mit schlechtem Kontrast o.ä. – man muss nur suchen).
    Die meisten Polizisten hingegen geben nicht einmal in einem leisen Nebensatz den Hinweis auf die Freiwilligkeit einer Massnahme sondern setzen (mMn ganz bewusst) darauf, dass der Bürger die Freiwilligkeit nicht von einem Zwang zu unterscheiden vermag.

    In anderen Worten: Jeder Behördenbrief muss heute eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, nur die Polizisten fordern munter drauf los und hoffen auf Unerfahrenheit. Umgangssprachlich nennt man ein solches Verhalten „übertölpeln„.

  14. 14
    Mirco says:

    Der Schulz tut seinen Kollegen sicher keinen Gefallen, wenn er den Fall weiter streisandet. Dem Beck schon.

    Der mögiche positive (also für BDK) Effekt ist eine Einschüchterung anderer. Wir schießen zurück, egal wie sinnlos das ganze ist und sind dafür auch bereit ziemlich doof auszusehen.