Der „Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.“ (VBRG) ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt. Ziel des Verbands ist der Aufbau eines flächendeckenden Beratungsangebots, die Qualifizierung von Beratern sowie die sichtbare Unterstützung von Betroffenen rechter Gewalt.
Ich möchte hier einen Aufruf veröffentlichen, den Robert Kusche, Dresden, für die VBRG an Rechtsanwälte, insbesondere Strafverteidiger, gerichtet hat:
Liebe Anwältinnen und Anwälte,
in Folge der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschuss hinsichtlich der Verfolgung rechter Straftaten ist nun das neue „Hasskriminalitätsgesetz“ in Kraft getreten. Mit dem neuen Gesetz ist der Katalog der Strafzumessungsumstände (§ 46 Abs. 2 StGB) um die Formulierung „die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ ergänzt und soll künftig dazu beitragen rechte Tatmotive bei der Strafzumessung besser zu berücksichtigen. Bereits im Vorfeld haben sich die ostdeutschen Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt in einer gemeinsamen Stellungnahme zu diesem Gesetzesvorhaben kritisch geäußert. Wir befürchten, dass der Merkmalskatalog in seiner jetzigen Form zu unbestimmt ist. Darüber hinaus fordern wir dringend ausdrückliche Ermittlungs- und Dokumentationspflichten in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) zu verankern, die die Ermittlungsbehörden verpflichten, bei Verdachtsfällen rechten Tathintergründen nachzugehen und diese gegebenenfalls aktiv auszuschließen.
Daher wollen wir das jetzige Gesetz kritisch begleiten. Bis Mitte 2016 wollen wir verfolgen, wie sich diese Gesetzesänderung auf die juristische Praxis in den Gerichtsverfahren auswirkt. Dazu laden wir Sie/ Euch ein uns über Ihre/Eure Erfahrungen mit dem geänderten Gesetz zu berichten. Im Frühjahr 2016 planen wir zudem eine kleine Umfrage, um zu erfahren ob sich die Gesetzesänderung auf Urteile gegen rechte Straftäter positiv ausgewirkt hat.
Wir danken im Voraus Ihre/Eure Unterstützung.
Bitte informiert uns unter info@verband-brg.de über Urteile und Prozesse, in denen der geänderte § 46 Abs. 2 zur Anwendung bzw. zur nicht Anwendung gekommen ist.
Robert Kusche, Dresden
An diese Stelle möchte ich noch einmal hinweisen auf die Ausführungen des VRiBGH Thomas Fischer, die ich hier aus dem österreichischen Standard abgeschrieben habe.
WEHRET DEN ANFÄNGEN!
NIE WIEDER POLITISCHE VERFOLGUNG!
Sondergesetze gegen Andersdenkende gibt es schon durch 86a & 130 StGB. Andersdenkende werden kriminalisiert. Nun also das nächste Sondergesetz.
Erhebt ihr erst dann eure Stimme wenn die Sondergesetze gegen Juden, Romas, Ausländer oder Linke kommen?
Heuchlerei!
Meinungsfreiheit muss man auch dann schützen, wenn man die Meinung nicht teilt. Linke begehen ihre Straftaten zu 99% ebenfalls aus Hass. Flüchtlinge ebenfalls, wie man täglich sehen kann.
Hören Sie mit ihrer Heuchlerei auf! Erheben Sie sich gegen Sondergesetze!
Ach?
Und jetzt, mein werter „Regimekritiker“, erklären sie mir bitte nochmal, wo konkret Sie da ein Problem haben.
Ich persönlich denke, Gesetze gegen den im Gesetzestext beschriebenen Menschenschlag sind durchaus notwendig. Das dies im wesentlichen bei Pegioten & Co *beweisbar* sein wird, liegt einzig in deren Natur. Und es liegt wiederum in der Natur unserer Gesetzgebung, dass diese für alle gilt. Auch für „Linke“ und auch für „Flüchtlinge“. Selbstverständlich!
Wieder ein Schritt weiter zum Gesinnungsstrafrecht. Für politische Signale (die nichts bringen) immer mehr im Recht rumpfuschen.
Wäre es nicht sinnvoller, eine solche Umfrage an Strafverfolgungsbehörden/Staatsanwälte zu richten?
Der gemeine Strafverteidiger wird – so das Gesetz überhaupt eine merkliche Wirkung hat – dieses doch eher als Hindernis empfinden, oder?
Und wie stellt man die Beweggründe eines Täters überhaupt fest? Ich meine, selbst wenn die Täterschaft unstrittig ist und er in typischer Tracht im Gerichtssaal erscheint, dürften doch immer noch ausreichend Zweifel an den Beweggründen für diese bestimmte Tat bleiben. Oder?
@ Andreas Raddatz:
Ich habe damit auch ein Problem. Weil hier nämlich nunmal ein Gesinnungsstrafrecht eingeführt wird.
Auf fder ersten Ebene: Es geht aufeinmal um Beweggründe. Wenn ich also jemanden einfach so aus Spaß eins auf die Fresse haue bekomme ich eine geringere Strafe, als wenn ich es aus irgendwelchen ideologischen Gründen mache. Ja, das ist ein falsch. Das ist ein erster Schritt zu einem politischen Strafrecht.
Auf der zweiten Eben: Es werden nun mal explizit in dem Gesetz nur bestimmte Gesinnungen aufgeführt. Und damit sind wir dann tatsächlich bei einem politischen Strafrecht. Ich kann die Nazis auch nicht ab, und wer von denen Gewalt verübt soll auch hart bestraft werden. Aber nicht härter, als wenn er die gleiche Tat aus einem anderen Grund begangen hätte. Das IST nun mal politische Verfolgung.
Und jetzt komme mir keiner beid en Gründen mit irgendwelchen möglicherweise wichtigen Begleitumständen – die werden im Rahmen der Schuldfrage auch heute schon in das STrafmaß aufgenommen.
Man sollte es aber bitte auf linke *UND* rechte Gewalt beziehen. Alles andere wäre doch sehr bedenklich.
Auch vor der Gesetzesänderung war es strafschärfend zu berücksichtigen, wenn Gewalttaten aus rassistischen oder sonst menschenverachtenden Motiven verübt wurden (so völlig zurecht die BRAK in einer Stellungnahme vom November 2013 und des DAV im August 2014). Selbst die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass derartige Ziele bereits nach altem Recht bei der Strafzumessung zu berücksichtigen waren.
Die Neufassung ist daher vollkommen inhaltsleer und sollte in der Praxis der Strafzumessung bedeutungslos bleiben. Dann bleibt es bei der üblichen Politiker-Selbstbefriedigung und richtet wenigstens keinen Schaden an.
Unabhängig davon sei daran erinnert, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch bei „rechten“ Straftaten gilt. Natürlich soll jemand, der Heime anzündet, ein paar Jahre einfahren, aber wenn ich Berichte lese, wonach es für irgendwelche im Suff ins Netz gerotzten Facebook-Einträge 5 Monate gibt, frage ich mich schon, wie das mit § 47 StGB vereinbar sein soll. Die Kollegen, die solche Strafen verhängen, werden sich sehr anstrengen müssen, wenn sie das mal ihrem OLG erläutern müssen.
Die Gesetzesänderung ist ein völlig bedeutungsloser Programmsatz, der an der bestehenden Rechtslage nichts ändert. Die Motive des Täters für seine Tat, soweit sie denn anhand eigener Aussage des Täters oder ausreichend deutlicher objektiver Indizien ermittelt werden können, sind seit jeher ein in der Strafzumessung zu berücksichtigender Faktor. Dabei gilt es seit jeher als ein ethisch besonders verächtliches und damit strafschärfend zu berücksichtigendes Motiv für eine Gewalttat, einen Menschen allein deshalb zu attackieren, weil er Ausländer ist oder weil er sonst ein Merkmal aufweist, das unter die Diskriminierungsverbote des Art. 3 III GG fällt (Religion, bestimmte sexuelle Orientierung, Behinderung etc.). Das ist auch gut so und hat mit der Kriminalisierung von freier Meinungsäußerung nichts zu tun, anderen Leuten auf die Fresse hauen fällt nicht unter Art. 5 GG. Unter menschenverachtende Motive fällt übrigens auch z.B. ein islamistisches Attentat aus Hass auf „Ungläubige“.
Irgendwelche Auswirkungen wird das Gesetz nicht haben, außer vielleicht, dass Richter künftig noch etwas mehr darauf achten, in ihre Strafzumessungserwägungen reinzuschreiben, ob ein rassistisches oder sonst menschenverachtendes Motiv vorlag. Da es jedoch nur einer von vielen Faktoren innerhalb des vagen und weitgehend ergebnisoffenen Vorgangs der Strafzumessung ist, wird kein Richter, der bisher auf dem rechten Auge blind war, wegen dieses Programmsatzes härtere Strafen verhängen.
[…] Beobachtungen zu § 46 Abs. 2 StGB, […]