Diskussion unter Richtern

gefährliches InstrumentDer Kollege Detlef Burhoff hat einen werthaltigen Blogbeitrag – seine Gedanken – zu der Einlassung von Beate Zschäpe geschrieben. Es sind die Gedanken eines ehemaligen Richters am Oberlandesgericht und erwartungsgemäß sachlich fundiert. Ich habe einmal mehr von ihm gelernt etwas

  • zur Teileinlassung
  • über die Form der Einlassung und
  • zur Qualität eines Frage-Antwort-Spiels auf schriftlicher Grundlage.

Aber fast noch interessanter ist die Diskussion, die sich unter dem Beitrag zwischen vier Richtern entwickelt hat. Zwei noch aktive (Straf-)Richter am Landgericht – Jan Eßer, RiLG, und T.H., RiLG, – und zwei nicht mehr aktive Richter – Karsten Koch und eben Detlef Burhoff – erörtern anhand der Zschäpe-Erklärung die Aufgaben, die sich den Richtern stellen, wenn sie nach der Beweisaufnahme das Urteil schreiben wollen oder müssen.

Dieser Meinungsaustausch gibt einen sehr erhellenden Einblick in die Entstehung eines Urteils. Für einen Strafverteidiger werden ein paar (mehr) Hintergründe deutlich, wie der gefürchtete „falsche Film“ entsteht. Und auf welcher Basis revisionssichere, aber falsche Urteile geschrieben werden (können).

Besonders die Statements der beiden aktiven Richter bestärken mich in der Forderung nach einer audio-visuellen Aufzeichnung der Hauptverhandlung. Richterliche Unabhängigkeit ist ein extrem nützliches, aber auch extrem gefährliches Instrument, das, wenn es unkontrolliert eingesetzt wird, ziemlich üble Verletzungen verursachen kann.
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Bild: © Nesmuk

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

7 Antworten auf Diskussion unter Richtern

  1. 1
    T.H., RiLG says:

    Hallo CRH,

    ich halte es – mit Verlaub – nicht für richtig, die Stellungnahmen des Kollegen Eßler und meiner Wenigkeit gleichzusetzen. Dessen These, man müsse keine Fragen stellen, wenn man dem Angeklagten „ohnehin nicht glaube“, hat doch mit meiner Auffassung, wonach es nicht den Vorwurf eines Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht begründet, wenn sich das Gericht nicht auf die Forderung des Angeklagten, nur schriftlich mit der Kammer/dem Senat kommunizieren zu wollen (Wie soll sich das eigentlich mit dem Mündlichkeitsgrundsatz vertragen?), gar nichts zu tun.

    Zudem meine ich, mich auf den BGH stützen zu können, sagt dieser doch:

    „Die Vernehmung erfolgt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Zweck der Vorschrift durch eine mündliche Befragung mit mündlichen Antworten….“

    Schließlich kann – bitte sehen Sie mir die Polemik nach – der Angeklagte sonst auch keine Bedingungen stellen, was sein Aussageverhalten betrifft, oder verlangt Frau Z. demnächst, dass der Senatsvorsitzende auf einem Bein durch den Saal hüpft und dabei die Nationalhymne singt, damit sie aussagt, und muss dieser dem dann nachkommen, um nicht gegen die Aufklärungspflicht zu verstoßen?

    Im Ernst: schriftliche Einlassungen sind ja gut und schön (ob sie immer clever sind, ist eine andere Frage, mit der sich aber eher Ihr als mein Berufsstand auseinandersetzen muss), aber ein Recht der/des Angeklagten, dem Gericht die Art der Befragung vorzuschreiben, sehe ich nach wie vor nicht. Wer sich nicht vernehmen lassen will, möge vom Schweigerecht Gebrauch machen (was, diese Prognose wage ich einmal, auch im Falle der Frau Z. besser wäre).

    Was Ihre Forderung nach einer Aufzeichnung der HV betrifft ist der Widerstand in der Richterschaft jedenfalls bei der Generation „U45“ übrigens bei weitem nicht so groß, wie in der Anwaltschaft immer geunkt wird. Mir erscheint schon die Perspektive, bei den Vernehmungen nicht alles mitschreiben zu müssen, verlockend; nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern weil die derzeitige Situation auch ohne den verteidigerseits gerne unterstellten bösen Willen fehleranfällig ist.

    Da aber die Schaffung der technischen Voraussetzungen Geld kosten würde, was die Justizverwaltungen bereits für Projekte wie ForumStar und die E-Akte auf den Kopf gehauen haben, wage ich die Vorhersage, dass Sie das nicht mehr als aktiver RA erleben werden, es sei denn sie streben an, mit 80 noch im Büro zu sitzen. ;-)

    Auch dürften die Revisionsgerichte wenig Interesse daran haben, dass die „Gefahr“ geschaffen wird, sich Aufzeichnungen anhören zu müssen.

  2. 2
    Ra Kranz says:

    Wenn auch vielleicht neben dem hier angesprochenen Thema, kommt bei mir die Frage auf, sollte das OLG tatsächlich auf die Forderungen der neuen Verteidigung von Fr. Z eingehen, wer un diesem Verfahren die Verhandlung leitet. Aus meiner Sicht müssten die Mitangeklagten schon die Feder für einen unaufschiebbaren Antrag wetzen, wenn tatsächlich schriftliche Fragen an Fr. Z. gestellt werden.

  3. 3
    Noch nicht im Urlaub says:

    So überlastet kann die Justiz nicht sein, wenn tagsüber öffentlich in Blog-Beiträgen diskutiert werden kann.

    Oder sind schon alle im Urlaub?

    By the way: http://prntscr.com/9cx4z2

    Problem tritt bei mir in Chrome, Firefox und Opera auf. Einziges Plugin: „Skype Click2Call“.

  4. 4
    BrainBug2 says:

    Ich bin mir nicht so sicher, ob unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht nicht doch in diesem besonderen Prozess die schriftliche Beantwortung der Fragen zugelassen werden müsste. Der Prozess geht mittlerweile über zwei Jahre. Das Gericht wird sich die Fragen, die es stellen wird sehr genau überlegen und diese aus dem Inbegriff der über zweijährigen Verhandlung schöpfen. Es kann daher – in diesem besonderen Prozess – schon das Gebot des rechtsstaatlichen Verfahrens dafür sprechen, auch der Angeklagten in dieser besonderen Situation das Recht zuzusprechen, die Fragen zumindest schriftlich zu beantworten. Denn mit jeder Frage und jeder Antwort kann der Prozesstoff von zwei Jahren verarbeitet werden. Hinzu kommt, dass Grasel erklärt, dass ihm die Mitschriften der anderen Verteidiger über den Prozessinhalt der letzten zwei Jahre nicht vorliegen und die Angeklagte wird zur Beantwortung der Fragen nicht auf die ersten drei Verteidiger zurückgreifen und sich von diesen beraten lassen. Mein Tip daher: in dieser besonderen Prozesssituation wird das Gericht jedenfalls die schriftliche Beantwortung und wohl auch die schriftliche Fragestellung zulassen.

    Anfangs dachte ich übrigens auch: was für eine belanglose Einlassung. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass sie den Weg zur Verurteilung für Beihilfe zu den Morden eröffnen kann, wohingegen ich zuvor nur eine Verurteilung wegen Mittäterschaft erwartet hätte.

  5. 5
    T.H, RiLG says:

    In der SZ ist ein sehr lesenswerter Artikel von Heribert Prantl erschienen.

    • Ziemlich genau hier. Danke für den Hinweis. crh
  6. 6
    Mourinho says:

    Witzig ist ja, dass im ach so armen Portugal die Videoaufzeichnung von Strafsachen lange Standard ist und auch die Rechtsmittelgerichte hiermit keine Probleme haben. Die dortigen Strafprozesse und im Prinzip das Justizwesen insgesamt, auch was die justizielle Selbstverwaltung angeht, haben mE europaweit Vorbildcharakter.

  7. 7

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