Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, an einem umfangreichen Kapitalanlagebetrug beteiligt gewesen zu sein. Weil die Staatsanwaltschaft seinerzeit schon etwas knapp war, was die Substanz des Vorwurfs angeht, suchte man – publikumswirksam und zur Unterhaltung der interessierten Nachbarschaft – in der Wohnung meines Mandanten nach weiteren Beweismitteln.
Mit „Erfolg“: So ziemlich alles, was an der Rückwand einen Kabel mit Stecker hatte, wurde mitgenommen: PC, Laptop, Monitor, Maus (das Mauspad haben sie übersehen, ha!) …
Das war vor gut fünf Jahren, anno 2010 (also zu einer Zeit, in unsere Referendare noch mit auf Papier ausgedruckten Gesetzestexten gearbeitet haben). Unzählige Sachstandsanfragen und Herausgabeanträge später bekam ich dann diese erlösende Nachricht:
Das ist ja erst einmal erfreulich. Aber der Mandant (und ich) wollten natürlich auch wissen, warum die Einstellung erfolgte. Das wird aber nur auf ausdrücklichen Antrag verraten. Deswegen gibt es bei uns diesen Textbaustein:
ich nehme Bezug auf die Einstellungsnachricht vom [DATUM] und beantrage unter Hinweis auf Ziffer 88 RiStBV, der Verteidigung ausführlich und im gebotenen Umfange die Gründe der Einstellung mitzuteilen.
Darauf reagierte der schwerst beschäftigte Staatsanwalt mit diesen dürren Worten:
So sind’se. Erst wie ein Tiger zum Sprung ansetzen und dann als Bettvorleger landen. Daß sich ein bis dahin unbescholtener Mittelstandsbürger zu Tode erschreckt, interessiert die prädikatsexaminierten Apparatschiks offenbar wenig bis gar nicht, solange ihre Fall- und Erledigungszahlen den aufsteigenden Karriereweg in die Pensionierung ebnen. Das allein ist aber keine Rechtfertigung für den einen, einzigen hingerotzten Satz, mit dem der Staatsanwalt pauschal und inhaltsleer die Einstellung zu begründen versucht.
Das geht natürlich gar nicht, meint auch der Mandant, dem nun die in 5 Jahren völlig verrottete Technik quasi vor die Füße gekippt werden soll.
Ich bin gespannt, wie die Ermittler mit der Dienst-/Fachaufsichtsbeschwerde umgehen werden.
….. notgedrungen wird die Beschwerde gelesen und sodann in der großen Rundablage entsorgt.
Ist eine Dienst-/Fachaufsichtsbeschwerde nicht generell ein zahnloser Tiger /ungeeignetes Mittel?
Die Erfahrung zeigt, dass im Bereich Jobcenter jede noch so üble Verfehlung konsequenzlos für den Sachbearbeiter bzw. Abteilungsleiter bleibt. Beschwerden werden nicht bearbeitet. Und selbst wenn. Afaik kann die Aufsicht wenn ueberhaupt nur darum gebeten werden, dem Beschwerdefuehrer ein moegliches Ergebnis mitzuteilen. So lange es keine Haftung fuer falsches Handeln gibt, stoert eine Beschwerde niemanden. Ob Jobcentermitarbeiter, oder Staatsanwalt.
es ist nach wie vor ein skandal, dass sich die ermittlungsbehörden so unfassbar viel zeit mit der elektronik lassen. egal, ob überlastet oder nicht..
es ist kein sekundäres gerät mehr wie in den 90ern worauf man noch notgedrungen verzichten könnte. geräte beschlagnahmen, festplatten kopieren und fertig, aber das wird wohl nie passieren
„Sollte innerhalb von 2 Wochen eine Abholung nicht erfolgen, gehe ich davon aus, dass auf eine Rückgabe verzichtet wird.“
Was für ein wunderschöner Satz.
Was hier las „Start als Tiger, Landung als Bettvorleger“ bezeichnet wird, hat seine Ursache in der extrem weiten Fassungen des § 102 StPO, der Durchsuchung bei jedem Anfangsverdacht erlaubt, und der bedauerlichen Tatsache, dass in der alltäglichen Praxis die gebotene Abwägung mit dem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) regelmäßig zu kurz kommt, weil überlastete Amtsrichter die Anträge der Staatsanwaltschaft mehr oder weniger durchwinken.
Aber Aber Herr Hoenig….
Sie werden doch bittesehr Ihrem Mandanten raten eine Entschädigung zu erstreiten für die Nichtnutzbarkeit und den Wertverlust der PC Technik.
Das ist doch hinreichend höchstrichterlich bereits entschieden… Ein ganz normaler Vorgang bei solchen Fällen. Und die Beträge Können sich durchaus sehen lassen.
Die Entschädigungszahlung tendiert regelmäßig gegen Null, weil Hardware damals wie heute kaum etwas kostet. Und wenn es sich um bereits gebrauchte Hardware handelte, gibt es erst Recht (kaum) Entschädigung. Was ist denn ein gebrauchter PC, Laptop, noch wert? Das lohn den Aufwand nicht.
Daß der größte Schaden in der Nichtnutzbarkeit oder gar dem Verlust der zahllosen Daten auf den heute riesigen Datenspeicher besteht (private und berufliche Korrespondenz, Fotos, Videos, etc.), hat sich in der Justiz noch nicht herumgesprochen. Das sind alles „immaterielle“ Werte und der zeitliche und finanzielle Aufwand zur Wiederherstellung dieser Daten nicht Teil des Schadens.
Sicher, aber wenn das die einzige Motivation ist, dann wird sich an der Praxis nichts ändern.
Wir haben in diesem Punkt eine schreiende Ungerechtigkeit. Unser Staat wendet Recht an, das Unrecht ist. Der Einzelne kann nicht viel dagegen tun. Aber jede Entschädigungsforderung macht nicht nur dem Beanspruchenden Arbeit, sondern auch der anderen Seite.
… und diese Mehrarbeit ist der Schlüssel. Wenn eine solche Ungerechtigkeit, zukünftig von immer mehr Betroffenen auch verfolgt wird, sinkt vielleicht die Hemmschwelle bei dem ein oder anderen Staatsanwalt sich auf ein solches Abenteuer einzulassen. Nicht, weil er es als Unrecht ansieht, nein, weil auch er ein bequemer Mensch ist und die Mehrarbeit scheut. Wenn er aber wie derzeit, sich sicher sein kann, dass seine dem Paragrafen 1 BRAO vermutlich mehrheitlich verbundenen Berufskollegen schon allein aus Kostengründen von Weiterungen absehen, dann sitzen wir noch in fünfzig Jahren schimpfend vor den Bildschirmen und nichts wird sich verändert haben …
Anspruchsgrundlagen für „Haftung fuer falsches Handeln“ staatlicherseits gibt es schon: § 839 BGB iVm Art. 34 GG oder nach StrEG. Wenn man aber z. B. für Freiheitsentziehung pro Tag 25 Euro bekommt, dann lässt das tief blicken, wie wichtig dem Staat die Entschädigung von Justizopfern ist.
Aus diesem Grund braucht man immer eine dezentrale Sicherungskopie. Von mir aus sogar verschlüsselt(!) in der Cloud, immernoch besser als gar keine. Oder einen verschlüsselten USB Stick vergraben oder bei Bekannten deponieren. Oder ein WLAN NAS beim Nachbarn oder hinter einer Trockenbauwand. Neue Hardware bekommt man schneller als neue Daten. Und natürlich die eigentlichen Rechner sollten -wie alles- auch verschlüsselt sein.
Wäre es nicht sinnvoller – wenn auch vielleicht dem Stil des Hauses weniger entsprechend -, schlicht Akteneinsicht zu nehmen und auf diesem Wege Kenntnis nicht nur von der Einstellungsverfügung zu erhalten, sondern auch die zugrundeliegenden Tatsachen prüfen zu können?
Vorliegend haben Sie aber offenbar durchaus recht – das Vorgehen der Staatsanwaltschaft war falsch, weil die Durchsuchung eine Maßnahme nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG, so dass darüber entsprechend hätte belehrt werden müssen. In dem Zusammenhang ist es dann zumeist üblich, auch dem Beschuldigten eine Einstellungsnachricht mit Gründen und der gebotenen Belehrung zukommen zu lassen, um doppelten Aufwand zu vermeiden.