Die Fahrtenbuchauflage nach einem erfolglosem Versuch der Fahrerermittlung. Oder auch: Nach einem erfolgreichen Verschweigen der Fahreridentiät.
Ein bei den Verwaltungsbehörden besonders beliebtes Buch ist das Fahrtenbuch. Diese Vorliebe wird nicht überall geteilt, deswegen sollte man wissen, wie man sich vor einer Fahrtenbuchauflage hüten kann.
Der Fall: Wilhelm Brause, er nun schon wieder. Heute mal ganz in Schwarz: Schwarzes Mopped, schwarzes Leder, schwarzer Helm mit schwarzem Visier. Wilhelm fährt (mit Fahrerlaubnis, also doch nicht ganz schwarz) durch’s Dorf, um den neu programmierten Chip für die Einspritzanlage und die Zündung zu testen. Angeblich 15 PS mehr soll die elektronische Spielerei bringen. Brause testet die Höchstgeschwindigkeit. Im Dorf. Und: Tatsächlich, die GS hat deutlich mehr Druck. Jedenfalls kommt die Zivilstreife mit ihrem Opel Astra nicht hinterher… 3 1/2 Wochen später bekommt Brause Post vom Polizeipräsidenten, der ihn ob der ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung anhören möchte. Brause überlegt, wie er sich einlassen soll.
Die Lösung: Es handelt sich hier um eine „Kennzeichenanzeige“, das Fahrzeug wurde nicht angehalten und der Fahrer vor Ort nicht identifiziert. Da es die „Halterhaftung“ in diesem Zusammenhang nicht gibt, muß die Bußgeldstelle den Täter, d.h. den Fahrer ermitteln. Dies steht natürlich im diametralen Gegensatz zu den Interessen von Brause, der sich nicht ermitteln lassen will.
Um zu verhindern, daß die Raser sich auch künftig hinter ihren schwarzen Visieren verbergen, hat der Gesetzgeber eine Idee gehabt: Die Fahrtenbuchauflage gem. § 31 a Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) . Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
Der Zweck dieser Vorschrift liegt auf der Hand. Der Halter selbst soll also dafür sorgen, daß die Polizei immer erfahren kann, wer sich hinter schwarzen Visieren verbergen will. Verstößt der Halter gegen diese Auflage, wird jedesmal (!!) ein Bußgeld in Höhe von 50,00 EUR fällig sowie ein Flens (Ziffer 190 BKat) . Es ist zwar nicht die Welt, aber lästig wird dies auf Dauer dann doch.
Nun kann allerdings nicht wegen jeder Kleinigkeit gleich eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden. Nur wenn es Punkte gibt, kommt eine Zwangsbuchführung in Betracht. Des weiteren muß die Feststellung des Fahrers der Behörde nicht möglich sein. Dies immer dann der Fall, wenn die Behörde nicht in der Lage gewesen ist, den Täter selbst zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Hier gibt es in der Praxis eine recht große Hürde für die Behörde. Die (Verwaltungs-)Gerichte haben nämlich herausgefunden, daß die Bürger dieses unseres Staates vergeßlich sind. Deswegen müssen sich die Behörden beeilen. Wenn die Polizei einen Verkehrsverstoß feststellt, hat die Bußgeldstelle lediglich zwei Wochen Zeit, den Halter anzuschreiben. Nach 14 Tagen hat man in unserer schnell-lebigen Zeit eh alles vergessen.
Im Ausgangsfall liegt ein schwerer Verkehrsverstoß vor, so daß dies keinen Hinderungsgrund für die Fahrtenbuchauflage darstellt. Allerdings war der Herr Polizeipräsident etwas zu langsam. Wilhelm Brause darf also – von der Rechtsprechung abgesegnet – mitteilen, er hat’s nach 3 1/2 Wochen schlicht vergessen.
Variante: Wilhelm ist nicht selbst gefahren, sondern hat die BMW an seine Verlobte Wilhelmine verliehen, die einen burn out mit anschließendem Wheelie in der Tempo 30 Zone übte. Es flattert wieder der Anhörungsbogen ins Haus der Heiratswilligen. Brause überlegt, erinnert sich und schreibt der Behörde: „Ich bin’s nicht gewesen. Wer es gewesen ist, sage ich Euch aber nicht, denn: Ich mache von meinem Aussageverweigungsrecht Gebrauch. Ätsch, Mittelfinger und Grüße, Euer WB.“ Die Bußgeldbehörde grinst kurz, stellt das Verfahren gegen Brause ein und schickt die Akte an die „Fahrtenbuchauflagenbehörde“, die die Buchführung für Brause und sein Mopped (mit zwei Mittelfingern!) anordnet. Brause heult auf und weint, man höhle sein Aussageverweigerungsrecht aus.
Alles im grünen Bereich, meint die Rechtsprechung dazu. Das Aussageverweigerungsrecht gelte für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. In diesem Zusammenhang wird Herrn Brause auch kein Millimeterchen von seinem Recht abgeschnitten. Mit dem Fahrtenbuch sei das jedoch etwas gaaanz anderes. Dies diene der Sicherheit des Straßenverkehrs und sei keine Strafe – also erlaubt. Basta. Hatte Brause also nur die Wahl zwischen Verrat an der Freundin und Inkaufnahme eines Fahrtenbuchs?
Nein, er hat nur relativ ungeschickt geantwortet. Es wäre nicht ganz so einfach gewesen für die Behörde, wenn er beispielsweise geschrieben hätte, daß er sich nicht mehr erinnern könne, wer denn gefahren sei, da sein Mopped von mehreren Personen gefahren wird.
Wenn nun das Fahrtenbuch verhängt wurde, gibt es für Brause eigentlich nur zwei sinnvolle Möglichkeiten. Er führt es gewissenhaft und legt es auf Verlangen vor. Oder er meldet das Mopped (und ggf. sein Auto) ab und die Verlobte läßt die Fahrzeuge auf ihren Namen zu. „Hält“ Brause kein Fahrzeug, braucht er auch kein Fahrtenbuch zu führen. Gemeine Behörden verfügen jedoch eine Auflage auch für „künftig zuzulassende“ Fahrzeuge. Es wird schon ein paar Jährchen dauern, bis Brause wieder seinen Namen auf einem Kfz-Schein lesen kann.
Ob sich so ein Aufwand lohnt, mag man selbst beurteilen. Als wirksamstes Mittel gegen solcherlei Unbill erscheint auf alle Fälle, möglichst nicht aufzufallen, wenn man die Leistung seines Kraft-Rades testen will – und sei es dadurch, daß man zur Sicherheit die Verkehrsbeschränkungen besser beachtet.
Update/Anmerkung:
Diese Geschichte habe ich vor vielen Jahren geschrieben, als es die seit 2014 geltenden neuen Spielregeln für die Fahrtenbuchauflage noch nicht gab. Aktuell liegt die (Regel-)Geldbuße für den Verstoß gegen die Fahrtbuchauflage bei 100 Euro (Ziffer 190 BKat), aber es gibt keine Punkteeintragungen mehr dafür.