Strafsache gegen Strafverteidiger: Zuschauer-Bericht

Der Koblenzer Kollege Rainer Herrmann war Prozeßbeobachter und schildert in dem nachfolgenden Beitrag seine Eindrücke.

Wer gestern die Plädoyers in BS gehört hat, hatte schon vor der Urteilsverkündung ein seltsames Gefühl.

Der Staatsanwalt ließ frösteln. Polizisten haben Narrenfreiheit und müssen geschützt werden, um jeden Preis.

Dass dieser Preis die Aufgabe der Meinungsfreiheit und der Freiheit der Advokatur darstellt, scheint ihm, der ebenso wie wir Anwälte einen Eid auf die Verfassung und die FDGO abgelegt hat, nicht in den Sinn zu kommen.

Dabei klang unterschwellig die eiserne Beweisregel der Justizkantine mit, dass Polizisten per se durch Diensteid die besseren und ehrlicheren Menschen sind.

Menschen, die nur die Verteidigung der Gesetze und die Gefahrenabwehr im Sinne haben, aber kein Karrieredenken kennen, keine Erfolgserlebnisse wollen. Polizeibeamte, die nicht über Fehler ihrer Kollegen spotten.

Ich habe selbst erlebt, wie in einer Bußgeldsache, die eingestellt worden ist, ein Polizist zu seinem Kollegen (beide waren als Zeugen anwesend) sagte: „Wir haben verloren“.

Nicht, dass ich missverstanden werde: Wir Bürger brauchen und wollen gute Polizeibeamte, die uns schützen und für unsere Sicherheit sorgen.

ABER: ich will Polizisten, die nur das machen, was sie von mir und damit von uns allen verlangen: Einhaltung der Gesetze.

Polizisten sind im Rahmen der Verbrechensbekämpfung Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft.

Und das bedeutet, dass sie in einer Kette mit den Strafverfolgungsorganen stehen.

Hieraus folgt, dass dieser unserer Staat an Glaubwürdigkeit und Legitimation verliert, wenn er gesetzesbrechende Polizeibeamte duldet, wobei in diesem Zusammenhang das Sprichwort, dass ein verdorbener Apfel den ganzen Korb verdirbt, voll zum Tragen kommt.

Realitätsfern wäre es zu glauben, dass rechtsuntreue Polizisten nur in der Theorie vorkommen.

Ich denke, dass nur jemand verurteilt werden darf, der in einem rechtsstaatlichen Verfahren überführt wird, denn nur das ist, um mit einem der gestrigen Verteidiger zu sprechen, ein gerechtes Urteil, wie immer es aussehen mag.

Oder anders ausgedrückt: Der Preis unseres freiheitlich demokratischen Rechtsstaates ist es, dass nur der verurteilt werden darf, der in einem rechtsstaatlichen Verfahren mit rechtsstaatlichen Mitteln überführt werden kann.

Wenn nun Unstimmigkeiten bei der Verfolgung von Straftaten erkennbar sind, dann ist es die Pflicht eines Verteidigers, die Finger in die Wunde zu legen.

Und er muss dieses mit deutlichen Worten brandmarken.

Ein Beschuldigter hat nur sein(e)n Verteidiger. Und der hat nur seine Fähigkeiten und die Macht des Wortes.

Recht bescheidene Möglichkeiten, wenn man sich vergegenwärtigt, welche technischen Möglichkeiten auf Seite der Strafverfolger gegeben sind.

Wenn nun das beschnitten wird, dann können wir die Verteidigung aufgeben und der Staat hat Narrenfreiheit.

Oder anders ausgedrückt: Willkür, die uns derzeit nur aus totalitären Systemen bekannt ist.

Den gestrigen Verteidigern an dieser Stelle ein dickes Lob und Kompliment.

Sie haben deutlich aufgezeigt, dass der Kollege Siebers verteidigt hat, wo er die Finger in die Wunde gelegt hat, wo er das gemacht hat, was jeder von uns von seinem Verteidiger erwartet, wenn er in die Situation kommt, sich gegen Vorwürfe verteidigen zu müssen.

Jeder von ihnen auf seine Art. Aber allen gemein war, dass sie dies souverän und überzeugend gemacht haben.

Die Richterin wollte keinem weh tun.

So liess sie es vor der Urteilsverkündung durchblicken. Mir kamen die Worte Gretchens aus dem Faust in den Sinn: „zwar vernehme ich die Worte, allein mir fehlt der Glaube“.

Sie hat nicht den Mut gehabt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen.

Sie hat nicht die Standfestigkeit besessen, entgegen der herrschenden Meinung und der Erwartungshaltung der Justizkantine frei zu sprechen.

Da hilft ihr hilfloses „Ich stehe hier, ich kann nicht anders“ nicht weiter.

Wie sang vor 20 Jahren Bettina Wegner: „Menschen ohne Rückgrat haben wir schon zuviel“.

Oder wie hat es Thomas v. Aquin (sinngemäß) ausgedrückt: besser auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen als sein Gewissen zu verraten.

In diesem Sinne dem Kollegen Siebers und seinen Verteidigern weiterhin viel Erfolg.

Rainer Herrmann
Rechtsanwalt + Mediator
Hohenzollernstr. 115
56068 Koblenz

Tel.: 02 61 / 96 29 09-0
Fax:: 02 61 / 96 29 09-9
email: raiherrmann@t-online.de

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht veröffentlicht.

Eine Antwort auf Strafsache gegen Strafverteidiger: Zuschauer-Bericht

  1. 1

    Danke für die Unterstützung