Vollmachtsvorlage: Auf Biegen und Brechen

Die Frage, ob der Verteidiger eine schriftliche Vollmachtsurkunde vorlegen soll bzw. muß oder nicht, wurde bereits mehrfach diskutiert. Ich habe mich der ganz herrschenden Meinung in Rechtssprechung und Literatur angeschlossen, die die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht durch den Verteidiger für nicht erforderlich hält.

In einem aktuellen Fall stellte die Bußgeldbehörde mir den Bußgeldbescheid förmlich zu, obowhl meine schriftliche Vollmacht nicht in der Akte war. Damit ist nach nahezu einhelliger Ansicht keine wirksame Zustellung erfolgt. In der Konsequenz bedeutet dies, daß ohne wirksame Zustellung auch keine Verjährungsunterbrechung eingetreten ist.

Dies habe ich dann auch dem Amtsgericht Ludwigslust in dieser Verteidigungsschrift (pdf – 123 kB) mitgeteilt, und beantragt, das Verfahren wegen Eintritt der Verfolgungsverjährung einzustellen. Damit dürfte es erledigt sein, hatte ich gedacht.

„Denkste!“ sagte das AG Ludwigslust und beschloß, daß es neben einer Verteidigervollmacht auch noch eine „rechtsgeschäftliche Vollmacht“ gebe, die der Gesetzgeber zwar im Wesentlichen ungeregelt gelassen habe, die für eine wirksame Zustellung gleichwohl aber ausreichen solle.

Aha, in Ludwigslust gibt es also zwei Vollmachten. Und irgendeine der beiden reicht schon aus, um am Gesetz vorbei wirksam zustellen zu können. Ludwigsluster Landrecht.

Die Privatansicht des Richters am Amtsgericht Ludwigslust ist lesenswert, deswegen hier der Beschluß in voller Länge (pdf – 319 kB.

Der Richter schafft also neues Recht, um auf Biegen und Brechen zu verhindern, daß der Betroffene durch Fehler der Behörde einen Vorteil erlangt, der ihm nach dem gesunden Volksempfinden doch gar nicht zusteht. Oder habe ich das flasch [tm] verstanden?

Der Beschluß ist nicht rechtskräftig! :-)

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5 Antworten auf Vollmachtsvorlage: Auf Biegen und Brechen

  1. 1
    Anwalts Liebling says:

    Lesen bildet – lesen Sie doch, bevor Sie dem Gericht praktisch Rechtsbeugung unterstellen, einfach mal die Entscheidung des OLG Rostock, auf die das AG sich bezieht(oder z.B. Entscheidung des OLG Hamm, 4 Ss OWi 524/04, mitgeteilt z.B. hier: http://www.burhoff.de/rspr/texte/bm_00004.htm,
    mit weit. Nachw.)!

  2. 2

    Na, Anwalts Liebling ist wohl auf der einen Seit blind und sollte sich auf der anderen Seite mal die Brille putzen. Sowohl bei der Entscheidung aus Rostock als auch bei der aus Hamm wird zunächst festgestellt:Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt nur der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion, die für den Betroffenen nachteilige Wirkung haben kann und die deshalb nicht großzügig zu dessen Nachteil ausgelegt werden kann.

    Und wenn Anwalts Liebling das getan hätte, was er dem Kollegen Hoenig anempfiehlt, nämlich lesen, dann wäre ihm aufgefallen, dass beide Entscheidungen einen völlig anderen Sachverhalt betreffen, nämlich den, dass sich eine Vollmacht in den Akten befunden hat, die lediglich im Kopf nicht den Namen des Betroffenen sondern den einer GmbH getragen hat.

    Tja, lesen bildet, wenn man es denn kann, lieber Liebling

  3. 3

    Ich verstehe das Problem nicht, § 51 III OWiG, sowie § 145a StPO sprechen doch eine klare Sprache und im übrigen von der Rspr. in fast epischer Breite mehrfach bestätigt.
    Eine Fiktion gilt doch nur im umgekehrten Fall, nämlich dann wenn eine Vollmacht bei den Akten liegt, nicht aber wenn keine mit eingereicht wurde. Dann ist eine Begründung mit einem Geschäftsbesorgungsvertrag etc. obsolet und eine gegen den Gesetzeswortlaut lautende Konstruktion einer „fiktiven“ Zustellungsbevollmächtigung unzulässig und schlichtweg gesetzeswirdrig.

  4. 4

    Die unendliche Geschichte der Vollmacht

    Es ist eine viel diskutierte Frage, ob es sinnvoll, oder sogar notwendig ist eine schriftliche Vollmacht in Straf- und Bußgeldverfahren mit zu den Akten zu reichen. Sofern keine schriftliche Vollmacht bei den Akten ist, ist der gewählte Verteidig

  5. 5
    Anwalts Liebling says:

    O.k., lesen allein bildet nicht immer, man muss es auch verstehen. Aber wenn man Anwalt ist, kann man sich dabei natürlich auch durch das Rechtsmittelgericht helfen lassen (auf Kosten des Mandanten, versteht sich).

    Für alle anderen zum Nachlesen (OLG Hamm, 4 Ss OWi 524/04):
    „Die Generalstaatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, dass die zu diesem Zeitpunkt in den Akten befindliche Vollmacht der Rechtsanwälte K., H. und S. ausgestellt war „in Sachen C.-GmbH“. Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt nur der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion, die für den Betroffenen nachteilige Wirkung haben kann und die deshalb nicht großzügig zu dessen Nachteil ausgelegt werden kann. (vgl. OLG Rostock NStZ-RR 2003, 336). Die “in Sachen C-GmbH” ausgestellte Vollmacht ist mithin nicht als Zustellungsvollmacht i.S.v. § 51 Abs. 3 OWiG auszulegen. Der Betroffene hatte jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt seinen Verteidigern eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt , so dass die Zustellung des Bußgeldbescheides an die Verteidiger am 29. Oktober 2003 wirksam war. Die Vorschrift des § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG schließt (ebenso wie § 145 a Abs. 1 StPO) nicht aus, dass der Betroffene seinem Verteidiger eine rechtsgeschäftliche Vollmacht und auch eine solche Zustellungsvollmacht erteilt (vgl. BGH NStZ 1997, 293; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 145 a Rdnr. 2; Schnarr, NStZ 1997, 15 ff.). Eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht kann formlos und auch noch nach erfolgter Zustellung nachgewiesen werden (BGH NStZ 1997, 293; OLG Rostock, NStZ-RR 2003, 336). Zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheides bestand hier eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht für den Verteidiger. Der Betroffene hat sowohl im Schriftsatz vom 9. Juni 2004 als auch in dem Wiedereinsetzungsgesuch vom 23. Juni 2004 durch seinen Verteidiger vorgetragen, dass eine wirksame Verteidigungs- und Vertretungsvollmacht vorgelegen habe. Die Vollmacht sei von ihm, dem Betroffenen, unterzeichnet worden und allein die Bezeichnung „in Sachen C., Bußgeldsache“ führe nicht dazu, dass die von ihm selbst unterzeichnete Vollmacht für eine C.-GmbH gelte. Schließlich sei ein Firmenstempel auf diese Vollmacht nicht gesetzt worden. Der Verteidiger hat dieser Darstellung nicht widersprochen, sondern sie übernommen, so dass für den Senat kein Zweifel daran besteht, dass der Verteidiger bereits vor der Zustellung des Bußgeldbescheides einen sogenannten Verteidigervertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Betroffenen geschlossen hatte und eine entsprechende rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht vorlag. Die mit Erlass des Bußgeldbescheides am 28. Oktober 2003 beginnende neue sechsmonatige Verjährungsfrist ist durch Eingang der Akten bei Gericht am 9. Dezember 2003 unterbrochen worden (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG). Eine weitere Unterbrechung vor Durchführung der Hauptverhandlung am 3. Mai 2004 erfolgte durch die Anberaumung des Hauptverhandlungstermins am 24. Januar 2004 (§ 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG), so dass eine Verfolgungsverjährung nicht vorliegt.“

    Das OLG Hamm stützt sich also gerade nicht auf die bei den Akten befindliche schriftliche Vollmacht (der GmbH), sondern auf die wirklich erteilte, aber gerade nicht zu den Akten gereichte Vollmacht des Betroffenen. Und genauso ist es natürlich auch richtig, auch wenn hier eine knappe Handvoll von [plump beleidigendes Attribut gelöscht. crh] Verteidigern mächtig Wind für das Gegenteil macht.