Schuss ins Blaue
Eine Lücke im EU-Recht macht es möglich: Will ein säumiger Schuldner seinen Gläubiger überrumpeln, muss er nur gegen ihn klagen – vor dem falschen Gericht .
Die langsamsten Raketen kommen aus Italien. Der „Italienische Torpedo“ ist unter Juristen berüchtigt als Prozessverschleppungstaktik. Durch solch einen Torpedo kann ein Unternehmen berechtigte Ansprüche eines Vertragspartners für längere Zeit blockieren, und zwar auf völlig legale Art und Weise.
Die Taktik ist simpel: Werden die Mahnungen eines Gläubigers ungemütlich, reicht der Schuldner Klage bei einem nicht zuständigen europäischen Gericht ein – in der Hoffnung, dass dies möglichst lange braucht, um sich für unzuständig zu erklären. Bis dahin hat der Gläubiger keine Chance, seine Forderung einzutreiben. Denn nach Artikel 27 der EG-Verordnung über Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung im Handels- und Zivilrecht (EuGVVO) muss sich ein Gericht für unzuständig erklären, wenn innerhalb der EU bereits eine Klage wegen desselben Anspruchs bei einem anderen Gericht anhängig ist. Damit sollen widersprüchliche Entscheidungen in derselben Sache vermieden werden. „Die Vorschrift birgt ein erhebliches Missbrauchspotenzial in grenzüberschreitenden Fällen“, sagt Peter Burckhardt, Partner bei Clifford Chance.
Quelle: wissen.de
Allein der Begriff „Italienischer Torpedo“ hat mich zu diesem Beitrag veranlaßt. Was es alles nicht gibt. ;-)
Danke an Rechtsanwalt Thomas J. Lauer für den Link
Zumindest in Fällen offensichtlichen Rechtsmißbrauchs wird sich der Schuldner mit dieser Taktik allerdings ins Knie schießen und dem Gläubiger schneller einen vollstreckbaren Titel verschaffen, als er schauen kann.
Denn der gemeine Gläubigeranwalt wird ganz tief in seinen Aktenkoffer greifen und das mittelalterliche Folterwerkzeug herausholen, das der Zivilrechtler ‚Arrest‘ nennt.
So einen Arrestbeschluß erhält man, wenn der Antrag ausreichend begründet ist, binnen Tagen, oder gar Stunden, ohne daß der Schuldner vorher angehört würde, und man kann damit munter in das Vermögen des Schuldners vollstrecken, seine Bankkonten lahmlegen und auch sonst (fast) alles anstellen, was das Herz begehrt. Nur befriedigen darf man sich aus den gepfändeten Sachwerten, Forderungen etc. noch nicht. Dazu bedarf es schon eines Urteils in der Hauptsache. Und das könnte, wie der einleitende Artikel uns sagt, etwas länger auf sich warten lassen …
Artikel 27 EUGVVO steht einem Arrestverfahren übrigens nicht im Weg, denn prozeßrechtlich betreffen Arrest- und Hauptsacheverfahren verschiedene Ansprüche, den auf Sicherung und den auf Zahlung.
Auf jedes Töpfchen paßt ein Deckelchen. ;-)
Arrest ist etwas feines, schon der dingliche, erst Recht aber der prsönliche Arrest. Es ist nur (unter anderem wegen der feinen Dinge, die man damit anstellen kann) seeeeeehr schwer, glaubhaft zu machen, dass „zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.“ (§ 917 I ZPO). Hat der Gegner/Schuldner tatsächlich seinen Sitz im Ausland, gilt aber die Vermutungsregel des § 917 II ZPO.
Arrest torpediert den Torpedo also nur dann wirklich, wenn der Schuldner Ausländer ist.
Also ich habe neulich in unserer Vorlesung zum Wettbewerbsrecht von unserem Prof. gehört, dass ein Persönlicher Arrest in seiner Karriere noch nie angewendet oder zugelassen wurde. Und er ist einer der führenden Köpfe im Wettbewerbsrecht.
Für einen Arrest ist es allerdings auch erforderlich, dass man weiss wo der Schuldner noch „Vermögen “ hat. Wer so eine Taktik kennt, der kennt wohl auch den Arrest. Das geht dann wohl eher nach hinten los wenn man von keinem Vermögen weiss, aber seinen Anwalt losschickt…auf den Kosten bleibt man dann nämlich selber sitzen. Ansonsten ist ein Arrest schon eine schöne Sache;-)
Das mit dem Arrest ist ziemlicher Unsinn. Zwar kann nach Art. 31 EuGVVO ein deutsches Gericht trotz Zwang zur Aussetzung der Hauptsache Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutz erlassen. ABER: Der EuGH hat bereits 1994 ( ! ) entschieden, dass Länder der Europäischen Union für die damals die Regelung der EuGVÜ galt – heutige Nachfolgeregelung ist deíe EuGVVO – nicht „Ausland“ i.S.d. § 917 II ZPO sind. Im Geltungsbereich der EuGVVO – und somit für fast alle EU Länder gilt, das auch hier kein Arrestgrund nach § 917 Abs. 1 ZPO vorliegt – eine dementsprechende Entscheidung des OLG Frankfurt für Spanien vom 03.01.1995 ist heute auch völlig überholt. Also ist die Beantragung eines Arrestes ziemlich unsinnig und kostet nur Geld, es sei denn es liegt einer der klassischen Arrestgründe vor, z.B. Straftat, Verschleuderung und Verschiebung von Vermögen, etc. Das dürfte aber regelmäßig die absolute Ausnahme sein. Fazit ist damit, dass als Abwehrmaßnahme gegen eine Torpedoklage die Beantragung eines Arrestes fast immer unsinnig ist und nur unnötige Kosten verursacht.
RA Schumann