Mein Beitrag hier im Blog „Die Gerichtssprache ist Deutsch“ wurde teilweise kritisch kommentiert (auch per eMail), wohl von Lesern, die den Strafprozeß von außen betrachten. Der englischer Begriff „Opening Statement“ sei dem deutschen Strafprozeß fremd. Ich möchte dazu anmerken, daß dieser fremdsprachliche Begriff mittlerweile zu einem festen Bestandteil der modernen Strafverteidigung geworden ist.
Ende 1997 legten Deutscher Richterbund und Deutscher Anwaltverein ein gemeinsames Papier vor, in dem „Für Streitkultur im Strafverfahren“ geworben wurde (Deutsche Richterzeitung 1997, 491, 492). In ihm heißt es:
„Zur Offenheit gehört, daß der Verteidiger seine Ziele darlegen kann und von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Je früher dies geschieht, desto wirksamer wird er zur Konzentration und Beschleunigung beitragen. Nach Verlesung der Anklageschrift und nach Belehrung des Angeklagten sollte dem Verteidiger die Gelegenheit gegeben werden, durch Darlegung seiner Zielvorstellungen eine Konzentration des Verfahrensstoffes auf das Wesentliche zu ermöglichen („Verteidigungssatz versus Anklagesatz“ oder Opening-statement)“
Der Berliner Rechtsanwalt Stefan König sprach sich dafür aus, dem Verteidiger Gelegenheit zu geben, anstelle, vor oder nach der Einlassung des Angeklagten zur Sache in einer Gegenrede – Opening-Statement – auf die Anklage zusammenhängend aus der Sicht der Verteidigung zu erwidern. (AnwBl. 1997, 541, 542, 544)
Quelle dieser Zitate: Saarbrücker Bibliothek. Unter dem Titel
Gedanken zur Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung und zum sog. Opening-Statement des Verteidigers
beschreibt Egon Müller dort anschaulich die Hintergründe dieses wichtigen Rechts der Verteidigung.
Den Kritikern teile ich mit, daß ich für das Ding zur Konfliktmeidung künftig einen deutschen Begriff wählen und in schwarz-rot-goldenen Lettern über die Erklärung setzen werde. Die Farben sind ja mittlerweile wieder hoffähig geworden.
S(chwarz)R(ot)G(old)
S(achlich)R(echtklärende)G(egenrede)
Manchmal sind nutzlose Fremdworte lästig. Wenn Sie aber sinnvoll sind, kann deren krampfhafte Vermeidung genauso lästig sein. Ein Terminus (oder sollte ich besser „Ausdruck“ sagen?), der aus einer fremden Rechtsordnung kommt, soll ruhig als solcher gekennzeichnet werden. Wir sprechen doch auch von der fruit-of-the-poisonous-tree-doctrine statt von der „Theorie von den Früchten des vergifteten Baumes“!
Außerdem sagen wir „ne bis in idem“ und „nulla poena sine lege“, werfen dem Gegner „venire contra factum proprium“ vor und schelten den Staatsanwalt, der Mandant habe wie jeder das Recht zu schweigen: „Nemo tenetur se ipsum accusare.“ Warum sind diese Ausdrücke besser als das „opening statement“? Vielleicht, weil der Staatsanwalt die Chance hatte, sie im Repetitorium auswendig zu lernen?