Der Strafgefangene wollte sich wehren. Gegen eine Maßnahme der Anstaltsleitung. Die hatte nämlich gegen ihn ein einwöchiges Fernsehverbot als disziplinarische Maßnahme ausgesprochen. Das Gericht, das der Gefangene angerufen hatte, schickte seine Beschwerde auf dem Dienstweg an die Anstaltsleitung zur Stellungnahme und setzte eine Frist von zwei Wochen. Die Stellungnahme der Leitung erschöpfte sich darin, daß sich die Sache bereits durch Zeitablauf erledigt habe. Die Woche Sperre war bereits vorbei. Folgerichtig wurde der Antrag des Häftlings zurück gewiesen.
Das Ganze wiederholte sich ein weiteres Mal, als gegen den selben Gefangenen eine weitere Disziplinarmaßnahme verhängt wurde.
Gericht und Anstaltsleitung ließen den Grundrechtsträger am ausgestreckten Arm der Justiz verhungern. So geht das nicht, meinte dazu das Bundesverfassungsgericht, das der Häftling dann mit einer Verfassungsbeschwerde angerufen hat.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die Behandlung der Eilanträge des Beschwerdeführers durch die Strafvollstreckungskammer den Beschwerdeführer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Gerichtlicher Rechtsschutz hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich eine Maßnahme bei richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist. Das Anbringen eines Eilantrags gegen eine sofort vollziehbare Disziplinarmaßnahme bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer führt zwar nicht ohne weiteres zur Aussetzung der Maßnahme. Das angerufene Gericht ist jedoch verpflichtet, ohne weiteres Zögern in der jeweils situationsgerechten Weise tätig zu werden. Die Regelung des Strafvollzugsgesetzes, nach der Disziplinarmaßnahmen in der Regel sofort vollstreckt werden (§ 104 Abs. 1 StVollzG), ändert an diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nichts; die grundgesetzliche Garantie effektiven Rechtsschutzes muss vielmehr gerade auch angesichts dieser einfachgesetzlichen Vorgabe zur Geltung gebracht werden.Die Behandlung der Eilanträge des Beschwerdeführers genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Zwar ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zunächst eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt eingeholt hat. Dabei hätte das Gericht aber dafür Sorge tragen müssen, dass durch die weitere Sachaufklärung nicht der Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterlaufen wird. Da Disziplinarmaßnahmen nach dem Strafvollzugsgesetz
in der Regel sofort vollstreckt werden, lag die Annahme nahe, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Antragseingangs die Maßnahmen bereits vollzogen wurden. Das Gericht hätte deshalb Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens – wie zum Beispiel telefonische Nachfrage bei der Justizvollzugsanstalt, umgehende Übersendung des Antrags per Telefax unter Bestimmung einer kurzen Frist zur Stellungnahme – ergreifen müssen, um eine Entscheidung innerhalb eines im Hinblick auf das Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes angemessenen Zeitraums sicherzustellen. Stattdessen hat das Gericht in einer mit regulärer Post übersandten Verfügung der Anstalt eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen beziehungsweise – im zweiten Verfahren – zehn Tagen gesetzt und das Verfahren damit so gestaltet, dass eine Entscheidung voraussehbar nicht mehr vor Erledigung durch Vollzug würde ergehen können.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
Einmal mehr zeigt das Verfassungsgericht den Richtern und den Justizvollziehern, daß auch Häftlinge Grundrechte haben, die zu berücksichtigen sind. Mir wäre es als Richter äußerst peinlich, wenn ich mir diese Selbstverständlichkeit wie ein Jurastudent im zweiten Semester erst durch Dritte erklären lassen müßte.
… stimmt, schon oberpeinlich ! Ob’s denn aber auch verstanden wurde ?