Landgericht Frankfurt/M, Urteil vom 7.9.2006, Az.: 2-20 O 88/06

Heute hat unsere Kanzlei vom Landgericht Frankfurt das bereits hier besprochene Urteil erhalten. Thema was das Motorradfahren als Verschulden gegen sich selbst.

Die Entscheidungsgründe übertreffen meine schlimmsten Befürchtungen bei weitem; irgendwie hatte ich ja noch gehofft, es handele sich um einen Aprilscherz. Aber nein – der promovierte Richter meint das wirklich ernst.

Eine kleine Kostprobe:

Das Gericht geht sicherlich nicht fehl in der Annahme, dass diese Dinge auch vorliegend eine Rolle gespielt haben: Ein Sonntag, schönes Wetter, eine beliebte Motorradstrecke – die jährlich ihrer Gefahren wegen Todesopfer fordert -, eine Maschine, die in 7,4 Sekunden auf 200 km/h beschleunigt. Dies alles begünstigt eine Stimmung, die jeder Autofahrer an jedem schönen Wochenende bei zahllosen Motorradfahrern beobachten kann. Hier beherrscht häufig die Technik den Menschen und nicht umgekehrt, zumal die streitgegenständliche Maschine 251 kg wiegt.

Es ging um eine Suzuki GSX 1300:

gsx1300.jpg

Wer so ein Fahrzeug fährt, bekommt vom Landgericht Frankfurt vorgehalten:

Danach lässt sich die Betriebsgefahr der Motorradfahrer grundsätzlich als Verschulden gegen sich selbst begreifen, so dass die Unfallfolgen schon deshalb als bewusst in Kauf genommen ganz überwiegend nicht auf einen Unfallgegner abgewälzt werden können.

Dann warten wir mal die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Berufung gegen das Urteil ab.

LG Frankfurt, Urteil vom 7.8.2006, Az.: 2-20 O 88/06 – hier vollständig veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Motorradrecht) veröffentlicht.

23 Antworten auf Landgericht Frankfurt/M, Urteil vom 7.9.2006, Az.: 2-20 O 88/06

  1. 1
    Uwe says:

    Hallo alle miteinander,
    wenn dort im Urteil wirklich „Betriebsgefahr des Motorradfahrers“ steht (ja Carsten?) dann ist das Schwachsinn – die Gefahr wird doch auf das FAHRZEUG bezogen – der LKW-Fahrer wäre doch sonst der Ungefährliche – anstatt der LKW! Keiner stört sich am Porsche der auch mehr als 200 km/h fährt!
    Das Mopped hat doch auch Unfallverhinderungsmöglichkeiten wie schnelleres Ausweichen oder man „passt im Erstfall noch durch“ – also nicht per se schlechter dran beim Unfall – auf den Fahrer ist eben NICHT abzustellen!!
    Der Richter ist bestimmt einer von den SUV-Fahrern denen jeglich Vorstellung vom Moppedfahren fehlt!
    Grüße von Uwe

  2. 2

    Moin Uwe. Auf Seite 5 des Urteils (siehe Link im Beitrag) ist ausdrücklich die Rede von „Betriebsgefahr“.

    BTW: Was ist ein SUV-Fahrer?

  3. 3
    Walter says:

    Hallo Bikergemeinde,

    dieses Gerichtsurteil ist mehr als Absurd und entbehrt jeglicher gesetzlichen Grundlage.

    Weshalb nur werden etwas voluminösere Bikes von einigen motorradhassenden Richtern immer gleich als Teufelswerk hingestellt, während sie ihren Porsche innig liebend als Statussymbol durch die Gegend kutschieren – trotz seiner hohen Leistung.

    Bei einem eigenen Unfall ohne Verschulden würden sie bestimmt nicht auf die schwachsinnige Idee kommen, ihren Schaden selbst zu tragen.

    Ich fahre das gleiche Motorrad wie der Geschädigte und wurde vor 2 Jahren von einem blinden LKW-Fahrer von der Bundestraße in die Büsche gerammt.
    Das Verschulden an dem Unfall lag klar auf Seiten des LKW-Fahrers, aber hätte es eine gerichtliche Auseinendersetzung beim gleichen Richter gegeben dürfte ich mich warm anziehen, denn der zieht alle Register unvermögender Rechtsprechung.

    Bleibt nur zu hoffen, daß dieser Richter für befangen erklärt und der Fall einem objektiven Richter zur Beurteilung zugeteilt wird.

    Gruß
    Walter

  4. 4
  5. 5

    Also: Auch wenn jüngere Damen gelegentlich ältere Herren auf die eine oder andere Weise beherrschen: Meine – derzeit glücklicherweise nicht „streitgegenständliche“ – CB 750 Four K ist inzwischen stolze 29 Jahre alt, immer noch sehr attraktiv, wiegt allerdings auch 250 kg, aber noch beherrsche ich sie „und nicht umgekehrt“.

    Ansonsten – wie seinerzeit schon gesagt: Schwachsinn pur! Diese absurde Denke einmal fortgeführt, käme man im Ergebnis noch dazu, den Bikern den Schutz ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung zu versagen wegen (man bedenke: „Unfallfolgen … als bewusst in Kauf genommen“) vorsätzlicher Schadensherbeiführung (vgl. § 152 VVG).

    Wünsche also Gutes Gelingen für die Berufung zum – hoffentlich deutlich sachkundigeren und weniger alltagspoetischen – OLG!

  6. 6
    Ulf says:

    Hallo

    jetzt würde mich als juristischen Laien schon mal etwas interessieren: Sollte das in der Berufung gekippt werden und meine Vorredner recht haben, daß das jetzige Urteil keine gesetzliche Grundlage hat, kann man dann den Richter der (wider besserem Wissen) so ein haltloses Urteil verzapft, belangen ?

  7. 7

    @ Ulf: Nein, das ist ja gerade das Schöne an dem sog. „Richterprivileg“: Die Herrschaften können völlig ungestraft nahezu jeden Schwachsinn absondern, bis an die Grenze der Rechtsbeugung – und die Zahl der Richter, die wegen dieses Delikts verurteilt worden sind, ist, vorsichtig ausgedrückt, sehr überschaubar.

    Dass hier „wider besseres Wissen“ geurteilt wurde, lässt sich in aller Regel gerade nicht nachweisen.

  8. 8
    Hans says:

    Ich bin geneigt den Richter hinterfragen zu wollen, wie er den
    Ritt von Baron Münchhausen auf der Kanonenkugel einschätzt.

    Ich wünsche Euch ein erfolgreiches Verfahren ;-)

    Freundliche Grüße aus Köln :-)

  9. 9
    J, Tospann says:

    Da muss man sich doch ernsthaft überlegen, ob man den Richter nicht zur Überprüfung seines Geisteszustandes einweisen lassen sollte!
    Ich fasse es nicht.
    Ich wünsche ja eigentlich keinem Menschen etwas Schlechtes.
    Nur…
    Wenn der Herr beim Treppensteigen stürzt, möchte ich mal sehen, ob er seine Betriebsgefahr auch als Eigenverschulden sieht und den Oberschenkelhalsbruch billigend in Kauf nimmt!

  10. 10
    Jürgen says:

    @Ra. Melchior das Richter „unantastbar“ sind habe ich leider schon selbst erfahren.

    Mitlerweile bin ich der Meinung, Richter sollten Ihre Urteile „würfeln“ da hat man wenigstens die Chance auf 50% Gerechtigkeit. Gerade Zahl = Verloren, ungerade= Gewonnen.

    Alternativ könnte man ein Münze werfen. Jedenfalls spart das Zeit und Geld. Der Vorschlag wurde allerdings von einem „Richter“ mit einem Ordnungsgeld „belohnt“.

    Ich hoffe das Sie weiter an Ihren Beruf glauben, und genug Mandaten haben die sich Ihr Recht leisten können.

    Gruß Jürgen L.

  11. 11
    Robert says:

    Ich bin selber auch Jurist (österr.) und Motorradfahrer. Dieses in Wahrheit mE absolut „begründungslose“ Urteil muss bekämpft und aufgehoben werden.

    Das rechtskonforme Betreiben eines Kfz (Motorrades) gemäß den Vorschriften der StVO kann auf Grund der geltenden Rechtslage einfach kein „Mitverschulden“ an dem Schaden sein, den mir ein anderer zufügt – noch dazu, wenn ausschließlich der andere nachweislich Übertretungen der StVO begeht.

    „Mitverschulden“ setzt ja die „Übertretung“ bzw. das „Nichteinhalten“ einer Norm voraus – und dieser Richter meint nun, jedes – also auch völlig rechtskonformes – Motorradfahren sei schon eine „Mitschuld begründende Übertretung „… das ist unsinnig.

    Solch ein Urteil würde schlicht die Grundsätze des Schadenersatzrechts ad absurdum führen.

    Grüße
    Robert

  12. 12
    Lothar says:

    Wenn dieses Urteil rechtskräftig werden sollte, müsste im Sinne der Rechtssicherheit auch festgelegt werden, an welchen Wochentagen, mit wieviel kg und wieviel PS bei welcher Beschleunigung und in welcher Kombination dieser Angaben eine schuldfreies Bewegen eines Motorrades möglich ist.
    Ich muß schließlich wissen, ob ich mich gegen mich schuldig mache, wenn ich am Dienstag mit einer 50PS/180kg Maschine in 8 sek auf 100km/h beschleunige. Ich möchte mich ja so verhalten können, dass ich unschuldig bleibe, und fahre dann lieber am Donnerstag.
    Gruß
    Lothar

  13. 13
    Karlchen says:

    Da scheinen dem promovierten Juristen Begriffe wie „Betriebsgefahr“ und „Verschulden“ doch recht durcheinander zu gehen. Erstere als Haftungsgrundlage beinhaltet, daß ein Schaden dadurch entsteht, daß sich eine typische, dem KfZbetrieb innewohnende Gefährlichkeit adäquat realisiert. Dh, daß sich die vom KfZ ausgehenden Gefahren bei der Schadensentstehung niederschlagen. – Beim Verschuldensvorwurf muß ich mir mein Eigenverhalten entgegenhalten lassen, daß nachweislich zu der Schadensverursachung geführt, zumindest mit beigetragen hat. – Wie sich die vom Möppel ausgehende Gefahr dem vorwerfbaren Eigenverschulden nicht nur annähert, sondern diese auch deckungsgleich überlagert ist argumentativ nicht nachvollziehbar. – Wahrscheinlich lautet denn auch der Urteiltenor nicht “ Im Namen des Volkes „, sondern “ Wir kommen nunmehr zur öffentlichen Ziehung der Paragraphen “ – das OLG Frankfurt wirds hoffentlich richten.
    Grüße,
    Karlchen.

  14. 14
    Norbert says:

    Das Urteil ist für mich toll: Neben dem Mopped fahre ich ja noch ein Auto. Dies ist schon sieben mal länger unfallfrei als normal, genauer: Seit Führerscheinaushändigiung vor 27 Jahren und seit mehr als einer Million Kilometern.
    Falls es mal kracht, bekommt dann natürlich der Unfallgegner schuld, weil er mit einer Fahrer-/Fahrzeugkombination zusammengekracht ist, der eigentlich gar kein Betriebsrisiko darstellt – immer vorausgesetzt, ich erwische den selben Richter …

    Also fahre ich ab jetzt im Bezirk des LG Frankfurt sehr entspannt, weil Vorfahrtschilder und rote Ampeln nur für die anderen gleten, nicht für mich ;-)

  15. 15
    Norbert says:

    Das Urteil ist für mich toll: Neben dem Mopped fahre ich ja noch ein Auto. Dies ist schon sieben mal länger unfallfrei als normal, genauer: Seit Führerscheinaushändigiung vor 27 Jahren und seit mehr als einer Million Kilometern.
    Falls es mal kracht, bekommt dann natürlich der Unfallgegner schuld, weil er mit einer Fahrer-/Fahrzeugkombination zusammengekracht ist, der eigentlich gar kein Betriebsrisiko darstellt – immer vorausgesetzt, ich erwische den selben Richter …

    Also fahre ich ab jetzt im Bezirk des LG Frankfurt sehr entspannt, weil Vorfahrtschilder und rote Ampeln nur für die anderen gelten, nicht für mich ;-)

  16. 16
    Markus says:

    Da stellt sich die Frage, ob des Richters Liebste von einem Haya-Fahrer beglückt wurde, als er Fahrrad fuhr.

    Meinetwegen soll er doch in seiner jetzigen Position, wo er nur begrenzten Schaden anrichten kann, seinen Ruf prägen & sich für weitere Aufgaben empfehlen.

    So ein Käse macht die Runde & ich sehe die Herren beim Senat richtig lachen…

    Gruß Markus, der schon mal auf das Berufungsergebnis anstößt!

  17. 17
    Reinhard W. says:

    Nachdem ich die ganze Urteilsbegründung gelesen habe, kommen mir durchaus auch andere Gedanken, die den Richter nicht „soooo blöd“ erscheinen lassen. Wenn er den zugegeben provokaten Satz auf Seite 5 zur „Betriebsgefahr gegen sich selbst“ nicht geschrieben hätte, wäre das Urteil absolut unspektakulär!

    1) Der Beklagte Radfahrer sagt aus, er habe die Straße bereits überquert, so dass eine Vollbremsung der Motorradfahrer gar nicht notwendig gewesen wäre. Das kann eine Schutzbehauptung sein, es kann aber auch sein, dass die Motorradfahrer erschrocken sind und überreagiert haben. Vollbremsung ohne ABS ……

    2) Es gibt einen unabhängigen Zeugen (Motorradfahrer hinter den beiden Gestürzten) der aussagt, er habe den Radfahrer gesehen, deswegen viel früher seine Geschwindigkeit verringert als die Vorausfahrenden.

    3) Außerdem gab es am rechten Straßenrand noch ein Hinweisschild auf Wildwechsel und die Straße war teilweise verschattet oder von der Sonne beschienen.

    Da wir alle nicht dabei waren kann man das Vereinfachen und sagen: Aus Sicht des Fahrradfahrers, haben die Motorradfahrer nicht aufgepaßt bzw. überreagiert – dafür kann er doch nichts!
    Aus Sicht der Motorradfahrer hat der Fahrradfahrer die Vorfaht nicht beachtet und hat damit Schuld an deren Sturz.

    Ich selber fahre seit über 10 Jahren Maschinen über 1000 ccm und 100 PS; 12-15.000 Km im Jahr. Allerdings immer mit ABS und jährlichem Sicherheitstraining.

    Mich wundert oft, wieviel Geld Motorradfahrer für mehr PS ausgegeben aber dann am ABS sparen.
    Mich wundert oft, wie sich Motorradfahrer auf Ihr Vorfahrtsrecht verlassen und gar nicht daran denken, Geschwindigkeit rauszunehmen. Gerade dann, wenn ich in5 Sekunden wieder auf 100 oben bin, spielt bremsen doch keine Rolle.
    Wir Motorradfahrer wissen doch, dass wir oft übersehen werden, dass kann, muss ich doch in bestimmten Verkehrssituationen mit einkalkulieren. Hinterher schreien, hat doch meine Knochen gekostet.
    FAZIT: Nachdenken wäre manchmal durchaus angebrachter, als in die Schelte einzustimmen ohne sich die Mühe gemacht zu haben, 5 Seiten aufmerksam zu lesen. Der Radfahrer hatte doch sicher auch einen Rechtsbeistand: Wessen Idee war eigentlich das mit der Betriebsgefahr? Hat der Richter vielleicht „nur“ die Rechtsinterpretation des Fahrradler-Anwaltes übernommen?

    Noch was: Ich schätze den Infoservice der Kanzlei Hoenig sehr und deren Engagement für Motorradfahrer – schön und gut zu wissen, das es so eine Kanzlei gibt. Aber, auch diese Kanzlei gehört der Berufsgruppen „Juristen“ an, die sich jeglicher Qualitätskontrolle entzieht.

  18. 18
    Vogel André says:

    Lieber Kollege,

    Interessante Diskussion zu dem Thema auch hier:

    http://www.gsxbiker.de/gsxforen.htm

    Unter der Rubrik Verkehr und Recht.

    Ich würde anlässlich des Urteils ernsthaft erwägen, den enstcheidenden Richter wegen des Verdachtes der Rechtsbeugung anzuzeigen (Siehe hierzu auch meinr Beiträge in o.g. Forum unter „Drei“).

    Mit freundlichen kollegialen Grüße

    A. Vogel

  19. 19
    Ralf says:

    Hallo,

    bleibt dieses Urteil eigentlich rechtskräftig oder ist dagegen Berufung eingelegt worden? Es kann nicht angehen, dass es als Präzedenzfall bestand hat.

    Ich fühle mich, durch die Verallgemeinerung in der Begründung, beleidigt, herabgewürdigt und vor allem durch die Beschneidung meiner Rechte als „Vogelfrei“ bewertet.

    Dies kann unmöglich so Bestand haben, da dieser Richter, aus seiner Begründung ersichtlich, Vorurteile und Befangenheit gegenüber Kradfahrern im allgemeinen zeigt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ralf Rapp

  20. 20

    Gegen das Urteil ist Berufung eingelegt worden, es ist nicht rechtskräftig. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist bis heute (6.7.07) aber noch nicht ergangen.

  21. 21
    Christoph Otten says:

    Ich hatte vor einigen Jahren auch mal einen Unfall(Gegner Auto Linksabbieger).Mein Schmerzensgeld(Prellungen linkes Bein) Schmerzen beim laufen cirka 2Wochen war damals bescheiden umgerechnet keine 200 Euro. Durch Zufall hatte eine bekannte Person von mir einen Auffahrunfall(Schleudertrauma Halskrause). Nach einer Woche war diese Person schmerzfrei und 700 DM reicher. Mit welchen Maßstäben da mal wieder verfahren wurde ist mir bis heute rätselhaft. Autofahrer müßte man sein(bin ich übrigens auch). Das nur mal so ich hoffe der Motorradfahrer geht nicht leer aus.

  22. 22
    RA JM says:

    Komisch, der Link fehlt:

    Nö, der ist drin: Einfach auf die „Berufung“ klicken. crh

  23. 23
    RA JM says:

    Glücklicherweise hat dieser haarsträubende Unsinn der
    Berufung
    nicht standgehalten – auch wenn auch eine Mithaftung des Kradfahrers von „nur“ 30 % nicht wirklich überzeugt.