Nicht öffentlich

Der Richter am Amtsgericht entschuldigte sich bei mir. Für die Verzögerung in der Hauptverhandlung, die vor „meinem“ Termin lag. Er unterbrach die Beweisaufnahme, um den Anhörgungstermin meines Mandanten dazwischen zu schieben. Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, die Bewährung zu wiederrufen.

Ich habe den Richter gebeten, die Öffentlichkeit auszuschließen, die noch nach Beginn der Anhörung auf den Zuschauerbänken herumlümmelte. Anhörungstermine sind im Gegensatz zu Hauptverhandlungen nicht öffentlich. Hatte der Richter vergessen. Die Zuschauer verließen den Saal. Vor dem Saal wurde der rote Hinweis eingeschaltet: Nicht öffentlich.

Nach dem Ende der Anhörung hatte ich noch im Haus zu tun. Etwa 20 Minuten später kam ich wieder an dem Gerichtssaal vorbei, in dem die unterbrochene – öffentliche! – Hauptverhandlung unterdessen fortgesetzt worden war. Aber noch immer leuchtete der Hinweis auf die nicht zugelassene Öffentlichkeit vor dem Saal.

Der Kundige weiß, daß das ein Garant für eine erfolgreiche Revision wäre. Ich habe nur kurz den Kopf in den Saal gesteckt und der Richter wußte sofort, ohne daß ich was sagen mußte, daß er da wieder etwas Wesentliches vergessen hatte. Als ich den Kopf wieder aus der Tür gezogen hatte, war die rote Lampe ausgeschaltet.

Ich glaube, ich habe jetzt einen Freund mehr. Meinem Mandanten wird’s nützen … davon bin ich überzeugt. :-)

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5 Antworten auf Nicht öffentlich

  1. 1
    euphoriefetzen says:

    das musst du jetzt aber bitte noch näher erläutern, wieso ist eine nicht-öffentliche verhandlung ein garant für eine erfolgreiche revision?

  2. 2

    Der Grundsatz lautet: Strafprozesse sind öffentlich, § 169 S. 1 GVG. Wenn gegen diesen Grundsatz verstoßen wird, also der Öffentlichkeit der Zugang zur Verhandlung rechtswidrig verweigert (oder auch nur wesentlich erschwert) wird, liegt i.d.R. der (absolute) Revisionsgrund nach § 338 Nr. 6 StPO vor.

  3. 3
    J. Mosebach says:

    Sie machen dem Kollegen vorsätzlich die Revisionsmöglichkeit kaputt und sind auch noch stolz darauf??? Was hätten Sie hier geschimpft, wenn das jemand mit Ihnen gemacht hätte ….

  4. 4
    doppelfish says:

    Na, vorsätzlich war’s ja nicht. Wenn er laut in den Saal gerufen hätte, dann wär’s vorsätzlich gewesen. Aber es wäre dann sicherlich nicht so vorteilhaft gewesen :-)

  5. 5

    @ J. Mosebach:
    Ihre „?“-Taste klemmt!

    Zur Sache: Es gab keinen Kollegen, der Angeklagte war unverteidigt.