Monatsarchive: Mai 2008

Mit dem Treten begonnen

In dem Protokoll der polizeilichen Vernehmung des Zeugen, dessen Muttersprache nicht die deutsche ist und der erkennbar nicht fehlerfrei Deutsch spricht, heißt es: Der Täter hat damit begonnen, den am Boden liegenden (bereits lebensgefährlich von einem anderen verletzten) Geschädigten zu treten.

Das reichte der Staatsanwaltschaft für die Anklage des Täters. Wegen Körperverletzung. Vor der großen Strafkammer des Landgerichts.

Bereits nach den ersten paar Sätzen in der gerichtlichen Vernehmung desselben Zeugen stellt sich heraus, daß der Täter gar nicht getreten hat, sondern der Zeuge den Eindruck gewonnen hatte, der Täter wolle gleich lostreten. Eine Bewegung mit dem Bein oder dem Fuß des „Täters“ habe er nicht gesehen. Aber habe den Eindruck gehabt, als wenn es gleich losginge mit den Tritten …

Der Verteidiger führte zutreffend aus, daß der Anklagevorwurf also nicht zutreffe. Der Staatsanwalt hielt aber daran fest und räumte nach einiger Diskussion widerwillig ein, es sei aber zumindest eine versuchte Körperverletzung. Wenn der „Täter“ einräume, daß er versucht habe, den Geschädigten zu treten, könne man über die Einstellung des Verfahrens einmal nachdenken.

Ich meine, wenn man Fehler macht (und die machen wir alle ‚mal), sollte man sich dazu bekennen. Und nicht auf Biegen und Brechen sowie auf Kosten anderer versuchen, eine einmal vorgefaßte Ansicht als unumstößlich und richtig durchzusetzen. Hoffentlich bleiben der Verteidiger und sein Mandant standhaft und setzen den Freispruch durch.

Anmerkung: Ich vertrete den Geschädigten.

2 Kommentare

Versuchter Mord an eigenem Sohn?

Wegen des Verdachts des versuchten Mordes an ihrem zur Tatzeit einjährigen Sohn wurde eine 39-Jährige heute festgenommen.

Die Frau aus Berlin-Reinickendorf soll im Oktober und November 2007 mehrfach versucht haben, das Kleinkind durch Verabreichung verunreinigter Spritzen zu töten.

Der heute zweijährige Junge befand sich seit Anfang September 2007 stationär in einer Kinderklinik in Behandlung. Seine Mutter betreute ihn dabei im Rahmen des sog. “rooming in“.

Im Laufe dieses Krankenhausaufenthaltes musste das Kind ab Oktober 2007 mehrfach wegen wiederkehrender fiebriger Blutvergiftungen durch Darmbakterien behandelt werden, wobei teilweise lebensbedrohliche Krankheitssymptome auftraten.

Umfangreiche ärztliche Untersuchungen schlossen eine körperliche Erkrankung des Jungen, die die Entwicklung dieser Bakterien verursacht haben könnte, aus.

Als das Kind Anfang November während einer neuerlichen lebensbedrohlichen Situation auf die Intensivstation verlegt wurde, fanden sich in den persönlichen Sachen der Kindesmutter gebrauchte Einwegkanülen. Somit ergab sich der Verdacht, dass sie selbst dem Kind die im Blut nachgewiesenen Darmbakterien beigebracht hat. Das Krankenhaus schaltete umgehend die Behörden ein.

Umfangreiche Ermittlungen konnten den Verdacht gegen die Mutter erhärten. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin erließ ein Ermittlungsrichter am Amtsgericht Tiergarten einen Haftbefehl gegen die Mutter wegen versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen, gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung Schutzbefohlener.

Beamte des Landeskriminalamtes 125 nahmen die Frau am heutigen Vormittag fest. Am frühen Abend wird sie zur Haftbefehlsverkündung einem Richter vorgeführt.

Der kleine Junge wurde bereits im Anfang November durch das zuständige Jugendamt in Obhut genommen. Nach der räumlichen Trennung von der Kindesmutter hat sich sein Gesundheitszustand so verbessert, dass es inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte. Er lebt nun bei einer Pflegefamilie.

Quelle: Pressemeldung der Polizei Berlin

Wenn der Vorwurf in dieser Art zutrifft, muß man sich fragen: Was geht in einer Mutter vor, die auf diese Weise versucht, ihr Kind los zu werden? Wenn der Vorwurf nicht zutreffen sollte: Was geht dann in der Mutter vor?

So oder so, das zieht „Kollateralschäden“ nach sich. Entweder bei dem Kind oder bei der Mutter.

3 Kommentare

Moppeds abgefackelt

Am Romanshorner Weg in Reinickendorf stand auf dem Gehweg ein Motorrad BMW 650 in Flammen. Bereits eine Nacht zuvor hatten in der Nähe, an der Zermatter Straße, zwei Motorräder und zwei Mopeds auf einem Parkplatz gebrannt. „Ein Zusammenhang der beiden Anschläge ist aufgrund der örtlichen Nähe und auch der zeitlichen Parallele wahrscheinlich und wird geprüft“, so ein Polizeisprecher.

Quelle: Berliner Morgenpost

Daß Autos der Luxusklasse von irgendwelchen Gestörten angezündet werden … daran haben wir ja nun schon gewöhnt; aber daß die Idioten nun an Motorräder herangehen, ist ja nun überhaupt nicht akzeptabel.

Ich hoffe nur, daß nicht irgendwann mal einer von den Kerlen erwischt wird und er sich dann bei uns meldet, um sich von mir verteidigen zu lassen. Das geht ja nun gar nicht. ;-)

Kommentare deaktiviert für Moppeds abgefackelt

Kleinkriminell

Immer wieder haben sich die Strafrichter mit Ladendieben und Schwarzfahrern zu beschäftigen. Das scheint die Reaktion der Staatsgewalt auf die Armut der Bürger zu sein.

Am Ende des Geldes ist der Monat noch lang. Trotzdem muß der Mensch zum Amt oder er hat schlicht Hunger. Dann setzt er sich ohne Ticket in die U-Bahn oder klaut sich ein Lebensmittel (sic!). Er wird erwischt und bestraft. Und da unser freundliches Strafrecht nur eine Alternative kennt – Geldstrafe oder Freiheitsstrafe – ist der weitere Weg vorhersehbar.

Variante 1: Die zunächst verhängte Geldstrafe wird nicht bezahlt. Dann wird eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Variante 2: Nach zwei oder drei Geldstrafen kommt die Freiheitsstrafe.

So endet der Diebstahl von ein paar Bananen dann irgendwann im Knast …

Über einen solchen Fall, der fröhlich und traurig zugleich ist, wird berichtet auf Berlin Kriminell. Dort geht es um einen schwarz-fahrenden Paradiesvogel, der versucht, seine Federn dadurch zu retten, daß er aus Berlin in die Provinz zieht.

1 Kommentar

Mutloser GEZ-Gebühreneintreiber

Es klingelte zur Abendbrotzeit an einer Kreuzberger Wohnungstür. Draußen stand ein Herr, der dem Kreuzberger seinen Ausweis zeigte und begann, ihm etwas von der Rundfunkgebührenpflicht zu erzählen. Der Kreuzberger hatte aber Hunger und wollte sich das jetzt nicht anhören. Deswegen begann er, wortlos die Wohnungstür wieder zu schließen.

Ins Schloß bekam er die Tür allerdings nicht. Der Treppenterrier der Rundfunkanstalt hatte seinen beschuhten Fuß zwischen Tür und Zarge gestellt.

Wiederum wortlos ging der Kreuzberger zu seinem Abendbrottisch, holte dort ein etwa 40 cm langes Messer, kam zur Tür zurück und schloß – nunmehr ungehindert – die Wohnungstür. Da hatte wohl jemand Angst um das Wohlergehen seiner Füße.

Keine Bedrohung, keine Nötigung, keine Straftat … meinte die Staatsanwaltschaft später.

10 Kommentare

Immer wieder Stalking

Früher waren es vornehmlich Auseinandersetzungen von Nachbarn in Eigenheimsiedlungen, die die Strafrichter beschäftigen. In jüngerer Vergangenheit sind vermehrt die Namen der Teilnehmer an „Rosenkriegen“ auf den roten Aktendeckeln der Staatsanwaltschaften zu lesen. Diese Art der Auseinandersetzung mag niemand wirklich, sind die Sachverhalte doch meist selbst für die unmittelbar Beteiligten kaum noch überschaubar.

So kommt es immer wieder dazu, daß die Staatsanwaltschaft oder spätestens das Gericht mit den üblichen prozessulaen Mitteln versuchen, die Sachen irgendwie wieder vom Tisch zu bekommen. Das bedeutet in dem meisten Fällen, die Verfahren werden nach § 153a StPO gegen Auflagenzahlung an eine gemeinnützige Organisation (oder an die Jusitzkasse) ohne Urteil eingestellt.

Über einen solchen Fall berichtete Barbara Keller auf Berlin Kriminell. Dort versucht das Gericht, den vermeintlichen Stalker durch die Kostenkeule zur Raison zu bringen. Manchmal funktioniert das ja …

Kommentare deaktiviert für Immer wieder Stalking

Nicht immer nur ich …

… schimpfe über unsinnige Strafverfahren in Moabit. Die Berliner Morgenpost hat einen spannenden Fall entdeckt: Es geht um

eine Aktion der Umweltschutzorganisation „Robin Wood“ am 18. Januar 2007 vor dem Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Der Energiekonzern Vattenfall lud dort zu einem Kongress. Und weil Vattenfall nach Meinung von „Robin Wood“ noch immer Braunkohle abbaut und verheizt, gab es eine Gegenaktion. „Umweltaktivisten“ kletterten vor dem Schauspielhaus auf drei Fahnenmasten und befestigten ein Transparent mit der Aufschrift: „Vattenfall – Als Klimakiller top, im Umweltschutz ein Flop“. Die Polizei wurde gerufen. Der leitende Beamte einigte sich mit den drei Umweltaktivisten, dass sie noch einige Minuten auf den Masten bleiben und ihr Transparent nach oben halten dürften, anschließend aber brav wieder herunterkommen müssen – was sie dann auch taten.

Der 1. Hauptverhandlungstermin im Dezember endete ohne Ergebnis, weil Zeugen fehlten. Am 23. Mai fand dann ein zweiter Termin statt.

Wieder waren ein Richter, eine Staatsanwältin und eine Protokollantin im Einsatz. Fünf – vom Dienst für diesen Gerichtsauftritt freigestellte – Polizeibeamte und acht weitere Zeugen wurden vernommen.

Fertig? Nein!

Am 6. Juni soll es nun einen weiteren Prozesstag geben. Mit weiteren Zeugen.

Als wenn die Jungs und Mädels in Moabit nichts Besseres zu tun hätten. Da scheint mir wieder mal ein besonders eifriger Staatsanwalt am Werke zu sein, der an einem übermäßigen Verfolgungsdruck leidet. Solche Typen gibt es im Berliner Kriminalgericht häufiger.

Nebenbei: Ich kann mir gut vorstellen, daß das Ganze in einer zweiten Instanz aufgearbeitet wird. Kommt es zum Freispruch, legt die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel ein. Wird die Fahnenstangenkletterin verurteilt, geht sie in die Berufung.

Das würde ich allerdings auch tun. Denn solange sich ein Staatsanwalt mit dieser Sache beschäftigen müssen, kann er an anderer Stelle keinen Unsinn machen. ;-)

7 Kommentare

… genieße ein Pils

Es ist Superwetter in Kreuzberg, ich sitze am Schreibtisch und schreibe eine Stellungnahme in einer komplizierten Strafsache, neben mir türmen sich die Akten mit der Eingangspost von zwei Tagen und ich denke mit Wehmut an die sonnige, frische Luft da draußen. Da erreicht mich eine SMS des Mandanten:

Grüße aus Obersdorf (Allgäu). Sitze auf 1.451 Meter und genieße ein Pils.

Akte zu. Rechner aus. Jetzt brauche ich erstmal ’ne Pause. Zum Abregen.

2 Kommentare

Senioren-Event

Wegen Motorraddiebstahls sowie versuchten Tankbetrugs und Unfallflucht ermittelt die Polizei seit Mittwochabend gegen einen Potsdamer. Beamte stellten den 20-Jährigen gegen 18.30 Uhr in Drewitz, nachdem er mit einem bereits Mitte April in Berlin gestohlenen BMW-Motorrad nach einem versuchten Tankbetrug in Rehbrücke geflüchtet war. Später stieß er mit einem Pkw zusammen; er ließ die BMW auf der Straße liegen und flüchtete in eine Siedlung, wo die Polizei ihn nach Zeugenhinweisen aus einem Seniorenheim entdeckte und festnahm. Der junge Mann hat keine Fahrerlaubnis ist und ist der Polizei durch eine Vielzahl von Straftaten bekannt.

Quelle: Berliner Morgenpost

Das kann ich mir gut vorstellen. Da sitzen die Betagten, auf weiche Kissen gelehnt, am Fenster und beobachten, wie die Blätter an den Bäumen der Siedlung wachsen. Außer ein paar Vögelchen traut sich niemand, einen Laut von sich zu geben. Und dann kommt da einer angerannt, wie von der wilden Wutz gebissen. Auf so einen Event haben die Senioren doch seit Jahren gewartet …

Ich ziehe da einen anderen Senioren-Event vor.

3 Kommentare

Verjährung

Aus einer Ermittlungsakte – es geht um einen räuberischen Diebstahl von 1.200 Euro aus einer Postbankfiliale:

Strafverfolgungsverjährung tritt nicht vor Ablauf des 26.12.2025 ein, da am 19.12.2005 ein Haftbefehl gegen den Beschuldigten beantragt und dieser am 27.12.2005 erlassen wurde (Bd. I BI. 235, 239).

20 Jahre – ganz schön lange Zeit.

Kommentare deaktiviert für Verjährung