Monatsarchive: September 2008

Vertrauen in ein faires Verfahren

Der Mandant verteidigt sich durch Schweigen. Das gefällt den Ermittlern nicht. Die meisten, und ganz besonders die guten und erfolgreichen, respektieren aber das Recht des Beschuldigten. Schließlich ist das „Schweigerecht“ ein Schwergewicht unter den Beschuldigtenrechten.

Es gibt aber auch andere Ermittler, zum Beispiel den Ermittler K vom LKA.

Das Gericht hatte einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß erlassen: Der Mandant sollte eine Speichelprobe für einen DNA-Abgleich abgeben. Ich habe dem K vom LKA mitgeteilt, daß die Vollstreckung des Beschlusses nicht erforderlich sei – der Mandant wird „freiwillig“ auf dem Amt erscheinen.

K vom LKA hat mir dabei versprochen, lediglich die Speichelprobe zu nehmen und ihn ansonsten nicht zur Sache zu vernehmen. Deswegen könne ich darauf verzichten, den Mandanten auf dem Weg zum LKA zu begleiten, versicherte K.

Solche Abreden zwischen Ermittler und Verteidiger sind üblich und man kann sich in aller Regel auf das gesprochene Wort verlassen. Auch das gehört zum fairen Verfahren.

Es war sicher nicht nur die reine Neugierde, die den K vom LKA dazu bewegt, doch eine kleine Frage zu stellen. Erst eine kleine, dann noch eine und dann noch eine … Der Mandant war vorbereitet. Er widerstand auch dem Druck des Ermittlers: „Was soll denn Ihre kleine Tochter von Ihnen denken, wenn sie erfährt, daß Sie der Polizei nicht helfen?!“ In der Akte fand sich der Vermerk:

Herr D. wiederholte stereotyp, daß er auf Anraten seines Verteidigers keine Fragen beantworte.

Schade eigentlich, daß es dem Mandanten nicht nützt, wenn ich diesem K vom LKA mit ganz deutlichen Worten sage, was ich von ihm halte. Ich werde leider damit warten müssen, bis das Verfahren gegen den Mandanten eingestellt wurde. Aber dann …

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Kein City-Run bei den Angels

Zur Feier ihres 35-jährige Bestehens in Deutschland hatten die Hells Angels am Samstag den „City-Run“ durch die Hauptstadt geplant.

Doch dieser Konvoi war gerichtlich verboten worden. Die Polizei hatte verkehrsrechtliche Bedenken: „Eine solche private Veranstaltung würde die damit einhergehenden Polizeimaßnahmen nicht rechtfertigen“, sagte ein Sprecher.

Quelle: Tagesspiegel

Die Morgenpost zitiert aus der Begründung des Verbots:

Eine Kolonne aus 80 Motorrädern stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des Verkehrs dar, hieß es darin. Zudem fehle das öffentliche Interesse an einer solchen Ausfahrt. Es bestünden Zweifel daran, dass die Mitglieder der Hells Angels die „erforderliche Zuverlässigkeit besitzen“.

Man hätte auch schlicht schreiben können: „Wir wollen die Ausfahrt nicht, und basta!“ Inhaltlich hätte es keinen Unterschied gemacht.

Vielleicht sollten die Angels demnächst politische Demonstrationen anmelden; dann wird zumindest die Ausfahrt nicht so ganz einfach zu verbieten sein. Wenn die Stadt Aufzüge von irgendwelchen Nazis verträgt, dürfte eine knapp einstündige Rocker-Rundfahrt eigentlich keine Rolle spielen.

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Bußgeld für Küppersbusch?

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Wurde hinter der Kölner Zoobrücke polizeilich rausgewunken, weil „der Kollege per Funk gemeldet hat, Sie hätten während der Fahrt auf Ihr Handy geguckt“.

Was wird besser in dieser?

Kölner Polizei geht dazu über, sich Knöllchen-Anlässe gleich zu Hause auszudenken oder gegen Aufpreis Verkehrskontrollen telefonisch durchzuführen. Natürlich nicht während der Fahrt.

Quelle: taz

Es gibt wohl nicht viel Delikte, die man genauso erfolgreich verteidigen kann, wie der Vorwurf des verbotenen Telefonierens während der Fahrt. Bei Stichworten wie Diktiergerät, Rasierapparat, Navigator, Taschenuhr … müßte einem „Bußgeldrichter“ eigentlich schwindelig werden.

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Missglückte Stimulation

Am 20. April 2008 abends tötet Matthias S. (47) in seiner Wohnung in der Straße Am Tierpark in Lichtenberg den 41-jährigen Mike G. durch einen brutalen Hieb mit einem Steakmesser in die linke Brust. Das gefesselte Opfer, dem Matthias S. mit einer Damenstrumpfhose die Augen verbunden hat und mit dem er einvernehmlichen, sadomasochistischen Sex teilt, verblutet innerhalb kürzester Zeit. Eine Berliner Schwurgerichtskammer hat nun darüber zu entscheiden, ob Matthias S. zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes einen Mord beging, wie es in der Anklage heißt. Oder ob Mike G. Opfer einer missglückten Stimulation wurde.

Quelle und mehr bei: Barbara Keller auf Berliner Kriminell

Es gibt nichts, was es beim Sex und im Strafrecht nicht gibt.

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Alarm bei Drogenhandel

Die BVG will das Kottbusser Tor zum Musterbahnhof für Videoüberwachung machen – mit beweglichen Kameras und Gesichtserkennung. Die Hightech-Geräte könnten sogar bei Drogenhandel Alarm auslösen.

Quelle: Tagesspiegel

Und es wird sicherlich immer noch ein paar arme Trottel geben, die sich am Kotti unter laufender Kamera eine Tüte drehen.

Noch weiter entwickelte Systeme sollen so programmiert werden können, dass sie auf bestimmte Bewegungsabläufe reagieren, wie sie beim Drogenhandel typisch sind. Die Kamera löst dann einen Alarm aus.

Ich bin gespannt darauf, was sich daraus später noch entwickeln wird. „Szenetypische Stückelung“ (*) von Bargeld gibt es ja bereits in den Ermittlungs- und Strafverfahren.

Aber was – bitteschön – sind „szentypische Bewegungsabläufe“? Und wenn man sie kennt: Ist es verboten, sich so zu bewegen, daß der Alarm ausgelöst wird, auch wenn man nur ein Pfefferminz anbietet, weil der andere Mundgeruch hat?

(*) Wenn Sie wissen wollen, was das ist, schauen Sie in Ihr Portemonnaie.

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Das Kriminalgericht in Bildern

Treppe in der Haupthalle

Eine kleine Fotoserie über die Gebäudekomplexe des Amtsgerichts Tiergarten in der Turmstraße, Wilsnacker Str. und Kirchstraße jeweils in Moabit findet man auf Berlin.de. Ganz nett gemacht, um einen ersten Eindruck der ehrwürdigen Altbauten und modernen Beton- und Plastikburgen zu bekommen.

In diesem Zusammenhang: Wer etwas über die Geschichte des Kriminalgerichts lesen möchte, wird bei dem Berliner Urgestein Rechtsanwalt Gerhard Jungfer fündig.

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Die eMail zum Wochenende

Soeben (also noch kurz vor dem Wochenende) erreicht mich die Kündigung eines Mandats. Naja, es ist der Versuch einer Kündigung. Schließlich bin ich dem Mandanten als Pflichtverteidiger bestellt worden:

ich halte Sie für ein ekelhaftes kalt gelecktes komplettes Arschloch sowie ihren verfickten [ehemaligen Betreuer]. Meinen Sie ich lasse mir das alles gefallen Sie Wixer.

Dafür muss ich Sie und den verfickten [ehemaligen Betreuer] halten.

Ich bestehe auf meine Meinungsfreiheit.
Ich bestehe auf mein Recht.
Ich bestehe auf meinen Führerschein.
Ich bestehe auf meine gerechte Kompensation.

Sonst schenke ich auch Ihnen ein schönes neues Leben mit dem permanenten Fernbleiben von Gesundheit und LEBEN überhaupt.

Sie sind ein dummer FachIdiot und ich will nicht einmal ein Bekanntschaft mit solch unwürdigen Schema“F“-Falschdenkern wie Ihnen. Ich habe immer die Wahrheit gesagt und SIE haben es nicht einmal fertiggebracht, diesen Leuten der gerechten Strafe zu zuführen. Stattdessen soll ich für die Kriminalität anderer gegen mich leiden. Sie sind ein Arschloch ohne Chance auf den Pass fürs Himmelreich… bekehren brauchste dir och nich mehr.

Ansonsten will ich von dir Vollidiot und Helfeshelfer krimineller und hochbezahlter Subjekte nichts mehr zu tun haben. Das Mandat legen Sie sofort nieder Herr Rollerfahrer. Ich habe jede Achtung und Respekt vor dir verloren.

auf nimmer wieder kucken..

Das mit dem „Herr Rollerfahrer“ nehme ich ihm krumm, aber richtig krumm!

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Eigentor

Der Göttinger Kollege Tobias Feltus zitierte in seinem WebLog Wissenswertes, Interessantes und Kurioses aus Justiz und Alltag aus einem Zeitungsartikel, der die Äußerung einer Verteidigerin wiedergab:

„Meine Mandantin ist unschuldig. Wir streiten jegliche Tatbeteiligung ab.“

Man kann schon darüber streiten diskutieren, ob es nicht besser angebracht wäre, in einer Strafsache von „der Angeklagten“ zu sprechen statt von „meiner Mandantin„, um die professionelle Distanz zwischen Vertreterin und Vertretener auch nach außen zu dokumentieren. Völlig außer Diskussion sollte aber stehen, daß ein Verteidiger nicht von „wir“ spricht, wenn er „die Angeklagte/meine Mandantin“ meint.

Genau in diese Wunde legte Rechtsanwalt Feltus seinen salzigen Finger:

Es ist zu hoffen, dass die Verteidigerin nichts mit den vorgeworfenen Taten zu tun hat…..

Statt nun in sich zu gehen und über einen mißglückten Auftritt in der Presse nachzudenken, wählt die Verteidigerin die Offensive. Und fordert Rechtsanwalt Feltus mit Anwaltsschreiben auf, seinen Blogbeitrag zu entfernen.

Was ich nicht begreife: Warum ruft die Verteidigerin den Kollegen nicht einfach an und bittet ihn – vielleicht auch bei einem Glas Latte Macchiato – den Beitrag wieder rauszunehmen? Das wäre mit großer Wahrscheinlich erfolgreicher gewesen (so wie ich den Kollegen einschätze).

Zumindest hätte dies verhindert, daß der unprofessionelle Sprachgebrauch der Frau Kollegin (ich verkneife mir, den Namen hier zu nennen ;-) ) nun ein weiteres Mal in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

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Polizei in Kreuzberg

Im Kreuzberger Wrangel-Kiez hatte man schon immer ein besonderes Verhältnis zur Polizei.

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Dauermandant

Eigentlich sind es ja die Steuerberater, die einen Mandanten einmal bekommen und dann bis zu seinem Ableben behalten. Manchmal gibt es sowas auch bei Anwälten. Jedenfalls rief heute morgen ein Mandant an, für den wir bereits drei (unverschuldete) Motorradunfälle reguliert haben.

Gestern hatte er den vierten Unfall binnen zweier Jahre.

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