Monatsarchive: November 2008

Lieblingsmandanten

Manche Mandanten machen einem Strafverteidiger besondere Freude. Einer von dieser Sorte wurde erwischt, weil er einem anderen eine mit der flachen Hand gesemmelt hat. Beide sind dann umgefallen. Das lag mehr an dem zuvor genossenen Alkohol als an dem Schlag. Sonst war eigentlich nicht viel mehr passiert.

Außer daß er sich gegen die Festnahme durch die Polizei gewehrt hat. Mit Herumgezappel und begleitenden Worten. Der Vorwurf ist der klassische Dreisprung: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung.

Das alles streitet der Mandant auch nicht ab.

Ich habe Akteneinsicht von der Staatsanwaltschaft bekommen. Den Kopiesatz habe ich dem Mandanten zugeschickt, damit er mir dazu seine Stellungnahme aufschreiben kann.

Die Stellungnahme trifft dann auch hier ein. Überschrieben mit „Strafanzeige“. Der Mandant verlangt von mir, Strafanzeige gegen den Polizeibeamten zu erheben, der das Vorgangsdeckblatt geschrieben hat. Wegen Verleumdung. Denn der Polizeibeamte habe ihn in diesem Formular bezichtigt, eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben. Und das stimme ja ganz offensichtlich nicht!

Der Mandant ist Angehöriger eines bei Rechtsanwälten besonders beliebten Berufe.

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Genervt, hat er gesagt

Drango läßt aber auch nicht locker. Eine Woche vor dem Termin beim Landgericht nimmt er noch einmal „in der gebotenen Kürze“ Stellung zu meiner Erwiderung, daß er mir auf die Nerven geht.

In rechtlicher Hinsicht, wird nochmals darauf hingewiesen, dass es dem Kläger als Rechtsanwalt nicht gestattet war, Anrufe des Beklagten im Büro des Klägers für eine Terminsabsprache zu untersagen. Das steht der Regelung des § 5 BORA entgegen. Es handelte sich nicht um einen Telefonanruf zum Zwecke des Wettbewerbs, sondern im Zusammenhang mit der beruflichen Ausübung des Klägers als Rechtsanwalt.

Derjenige, der sich mit dem Berufsrecht auskennt, wird seine helle Freude an dieser Argumentation haben. Die Berufsordnung, die sich die

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Bundesrepublik Deutschland sowie die weiteren Mitglieder der Rechtsanwaltskammern […] durch die Versammlung ihrer frei gewählten Vertreterinnen und Vertreter

selbst gegeben haben, soll nun Drango, einem Sachbearbeiter der Gothaer, dazu berechtigen, unsere Kanzlei mit seinem Telefonterror zu überziehen. Aha.

Sehr schön ist aber auch dieses Argument hier:

Der Kläger hat nunmehr auch erklärt, dass er sich von Telefonaten des Beklagten genervt fühlte. Allein das berechtigt den Kläger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und im Rahmen einer Mandatsausübung nicht, eine telefonische Kontaktaufnahme aus jedwedem Grund zu verbieten.

Das Rauchkraut, das man in Köln beziehen kann, scheint mir von deutlich besserer Qualität zu sein, als das was hier in Berlin von der Polizei beschlagnahmt wird. Ich frage mich nur, wie kommt Drango da ran?

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Keine Altherren-Motorradclubs

Während Ende der 90er-Jahre Rocker als eher aussterbendes Phänomen galten, begann um die Jahrtausendwende der Run auf die Clubs. „Die deutsche organisierte Kriminalität hatte Probleme mit den Rivalen ausländischer Herkunft“, weiß Heike Rudat, Dezernatsleiterin für organisierte Kriminalität. „Man brauchte Schutz und einen Deckmantel.“

Wurden damals in Berlin gerade mal eine Handvoll Clubs mit insgesamt 90 Rockern gezählt, sind es heute 30 Clubs mit mehr als 650 Mitgliedern. 50 bis 60 Prozent aller europäischen Outlaws leben in Deutschland.

heißt es in einem ausführlichen Bericht von Michael Behrendt und Axel Lier in der Berliner Morgenpost. Die beiden Autoren versuchen, den aktuellen Stand der Rocker-Szene in Berlin und Brandenburg zu skizzieren.

Mit einem Zitat des Berliner LKA-Chef Peter-Michael Haeberer

„Der Mythos vom Altherren-Motorradclub gehört der Vergangenheit an“,

leiten die Autoren einen Artikel ein, in dem sie kein gutes Haar an den Bruderschaften lassen.

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Doppel-Freispruch

Angeklagt war ein Polizeibeamter. Während der drei Hauptverhandlungstermine saß neben anderen Interessierten stets eine Dame mittleren Alters auf der Galerie und machte sich Notizen.

Sie war sichtlich enttäuscht, als am letzten Verhandlungstag auf meine Anregung die Verhandlung unterbrochen wurde, um ein sogenanntes Rechtsgespräch zu führen. Denn auch sie mußte nun den Saal verlassen. Und das, was dann zwischen Richter, Staatsanwalt und Verteidiger besprochen wurde, kann man später auch nicht in der Akte nachlesen.

Aber die Dame konnte sich eine Stunde später das Ergebnis der Besprechung anhören. In der richterlichen Begründung des Freispruchs aus tatsächlichen Gründen.

Noch einmal war ihr der Unmut anzumerken. Denn nun wird sie Schwierigkeiten haben, das Disziplinarverfahren gegen den Polizeibeamten fortzusetzen.

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Ende des Mandats

Marco W. hatte zwei deutsche Verteidiger. Bis er sein Buch veröffentlichte. Jetzt hat er nur noch einen.

„Ich habe stets versucht, Schaden von Marco abzuwenden“, sagte Matthias Waldraff der in Hannover erscheinenden „Neuen Presse“. Mit dem Erscheinen des Buches noch während des laufendes Verfahrens sehe er keine Möglichkeit mehr, in diesem Sinne zu wirken und werde deshalb seine Tätigkeit beenden.

Quelle: Tagesspiegel

Die taz zitiert den Strafverteidiger:

„Ich bedaure das wirklich sehr. Aber allein die Art und Weise, wie dieses Buch angekündigt wird, konterkariert die Strategie, die ich und meine Kollegen bisher verfolgt haben“, erklärte Waldraff gegenüber der taz. „Wir waren bisher immer darum bemüht, das Gericht in der Türkei nicht unnötig zu provozieren. Öffentliche Einmischung hochrangiger Politiker oder Aktionen der Bild-Zeitung, 18.000 Protest-Leserbriefe zum türkischen Gericht zu transportieren, waren schon damals, als Marco in Haft saß, nicht gerade hilfreich.“

Ich kann den Frust verstehen, der entsteht, wenn der Mandant seinem Verteidiger in den Rücken fällt. Die Konsequenz, dann das Mandat zu beenden, ist manchmal hart, aber dann auch notwendig.

Es ist zu hoffen, daß weder die Buchveröffentlichung noch die Mandatsbeendigung dem Angeklagten schadet.

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Legales Kiffen in der Oase

Am Sonntag stimmt die Schweiz über die Straffreiheit des Cannabis-Konsums ab. Sie könnte das erste Land der Welt werden, das die vor 60 Jahren eingeführte Hanf-Prohibition abschafft.

Quelle: Mathias Bröckers in der taz

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Verschubung

Die Person wird in eine Kabine eingesperrt. Die Kabine befindet sich eingebaut in einem Bus. Die Fahrt wird mehrere Stunden dauern. In Stehhöhe dieser Kabine ist ein Sehschlitz angebracht. Die Milchglasscheibe lässt sich nicht öffnen. Die Person kann die Außenwelt nicht sehen. Eine Frischluftzufuhr von außen gibt es nicht. Ebenso wenig ist der Raum klimatisiert. An sonnigen Tagen wird es in der Kabine unerträglich heiß. Die Grundfläche der Kabine beträgt weniger als einen halben Quadratmeter. Die Person erreicht irgendwann am Tag ein Zwischenziel. Sie wird nun in einen spärlichst eingerichteten Haftraum verbracht. Nichts persönliches ist vorhanden. Den Rest des Tages bleibt sie unter Verschluss. Findet die Weiterfahrt erst am übernächsten Tag statt, mag die Person am Folgetag an einem einstündigen Hofgang teilnehmen dürfen. Eine Kontaktmöglichkeit zur Familie, zu Angehörigen oder zum Verteidiger gibt es in dieser Zeit nicht. Die Behandlung kann zwei Wochen oder länger dauern.

Quelle: Realität und Rechtswidrigkeit der gegenwärtigen Transporthaft – ein Überblick von Strafverteidiger Andreas Mroß aus Lübeck.

Nota bene: Es geht in vielen Fällen um den Transport von Untersuchungshäftlingen. Also von Gefangenen, die nicht rechtskräftig verurteilt wurden, also als unschuldig gelten.


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Dienstaufsichtsbeschwerde

In der Bußgeldsache gegen

Graf Gottfried von Gluffke
– 290 OWi 9999/08 –

erhebe ich

D I E N S T A U F S I C H T S B E S C H W E R D E

gegen

Herrn Richter K. am Amtsgericht.

I.
Am 25. November 2008 fand in der vorstehend genannte Sache ein Hauptverhandlungstermin statt. Pünktlich um 12:45 Uhr erfolgte der Aufruf in den Saal, den der Betroffene und ich im Wartebereich hörten. Wir betraten dann ohne Verzögerung gemeinsam den Saal.

Herr Richter K. forderte meinen Mandanten auf, auf dem vorgesehen Stuhl Platz zu nehmen; der Betroffene legte seinen Helm auf den Tisch und tat wie ihm geheißen. Während ich noch im Begriff war, meinen Mantel auszuziehen, die Tasche zu öffnen, um meine Robe, den Laptop und die Akte herauszuholen, begann Herr Richter K. bereits mit der Verhandlung, in dem er den Betroffenen zu seiner Person befragte. Während der Angaben des Betroffenen zu seiner Fahrerlaubnis hatte ich es gerade geschafft, den Laptop ans Stromnetz anzuschließen und war im Begriff, meine Robe anzuziehen, als der Richter den Betroffenen bereits über die Freiwilligkeit hinsichtlich der Höhe seines Einkommens belehrte und ihn danach fragte. Noch im Stehen mußte ich auf diese Frage für meinen Mandanten eine entsprechende Erklärung abgeben. Erst dann war ich eigentlich verhandlungsbereit und habe Platz genommen.

Ich fühle mich durch dieses Verhalten des Richters zu einem störenden Objekt herabgewürdigt und gekränkt. Den Beginn der Verhandlung bei gleichzeitiger Ignoranz, daß der Verteidiger noch im Begriff war, sich einzurichten, empfinde ich als eine grobe Unhöflichkeit, die sich für einen seriösen Richter nicht geziemt. Ich bin der Ansicht, daß ich in dieser Hinsicht von einem Richter jedenfalls solange mir gegenüber Respekt verlangen kann, als daß ich nicht durch unangemessenes Verhalten den Beginn der Verhandlung verzögere. Das war hier nicht der Fall. Meine Vorbereitungen haben insgesamt weniger als ca. 60 Sekunden benötigt, die Herr Richter K. durchaus hätte sich gedulden müssen und können. Soviel Zeit muß sein.

Ich empfinde dies als eine Respektlosigkeit mir gegenüber, die ich nicht zu akzeptieren bereit bin.

II.
Dieses aus meiner Sicht unakzeptable Verhalten setzte der Richter während der Hauptverhandlung fort, indem er es nicht für nötig erachtete, einen Lutsch-Bonbon (oder ein Kaugummi?) aus dem Mund zu nehmen. Statt dessen lutschte er, während er zu dem Betroffenen, zu mir als Verteidiger, aber auch zu den beiden Polizeibeamten, die als Zeugen erschienen waren, sprach, das Bonbon ungeniert und bei weitem nicht geräuschlos weiter.

Ich achte als Strafverteidiger stets darauf, daß meine Mandanten, gleich aus welcher Schicht sie stammen, sich nicht durch ungebührliche Kleidung oder Auftreten unwürdig gegenüber dem Gericht verhalten; neben dem obligaten Hinweis, ein etwaiges Funktelefon vor dem Betreten des Saales auszuschalten, fordere ich insbesondere postpubertäre, mit Testosteron geschwängerte Halbstarke dazu auf, ihre Bonbons und Kaugummis aus dem Mund zu nehmen, wenn sie denn nicht schon von selbst darauf gekommen sind, diese Flegeleien zu unterlassen – was allerdings, das muß ich auch zur Ehrenrettung meiner jugendlichen Mandanten sage, meist der Fall ist.

Umsomehr waren mein Mandant, immerhin ein erfolgreicher und seriöser mittelständischer Unternehmer, und ich völlig entsetzt, Schmatz- und Schlürfgeräusche von einem Richter ertragen zu müssen, der den Bonbon beim Sprechen von einer Backentasche laut vernehmlich in die andere beförderte.

Auch dieses beschriebene Verhalten des Herrn Richters K. stellt sich für mich als eine üble Respektlosigkeit nicht nur mir gegenüber, sondern auch und insbesondere gegenüber den anderen Anwesenden dar, die dem Bild eines Richters nicht würdig erscheint.

So geht das nicht! Ich bitte die Dienstaufsicht, auf Herrn K. entsprechend einzuwirken.

Die richterliche Unabhängigkeit umfaßt nicht ein geräuschvolles Bonbonlutschen während einer Hauptverhandlung. Er mag sich zumindest bei meinem Mandanten, den beiden Polizeibeamten und der Protokollführerin für dieses Verhalten entschuldigen.

Ich wäre der Dienstaufsicht sehr verbunden, wenn mir die dienstliche Äußerung des Richters zur Veröffentlichung in meinem Weblog zur weiteren Stellungnahme übermittelt werden könnte.

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Kinder wegschließen

Ich bin die, die eure Kinder einsperrt, aber das macht mir keinen Spaß.“

So wird die Jugendrichterin Kirsten Heisig von der Berliner Morgenpost zitiert.

Sie werde deutliche Worte finden, kündigte Heisig vor der ersten Informationsveranstaltung für türkische Eltern am Mittwochabend im Rathaus Neukölln an.

Die Veranstaltung soll am 1.12.2008 stattfinden. Man kann den Umgang dieser Richterin mit Verteidigern und der Unschuldsvermutung kritisieren. Aber daß sie außerhalb des Gerichtsaals recht gute Arbeit macht, muß man ihr schon lassen. Mal sehen, ob man mir die Teilnahme an der Veranstaltung gestattet.

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Hüte und Lutscher in Moabit

Die Verhandlung war gerade beendet. Ich war dabei, meine Sachen einzupacken: In die linke Hand die Tasche, die rechte Hand trug die Robe und der Hut war, wo er hingehört.

Ziehen Sie bitte den Hut ab, solange Sie sich in meinem Gerichtssaal befinden.

maßregelte mich Richter K. und schob dabei die letzten Reste seines Lutschbonbons, das er sich während der Verhandlung bereits den Mund geschoben hatte, geräuschvoll von der eine Backentasche in die andere.

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