Monatsarchive: November 2008

Besten Dank, liebe Rechthaber

;-)

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Beweisanträge gegen die Arroganz

Der Klassiker eines eBay-Betrugs sollte verhandelt werden: Gottfried Gluffke hatte die Kühltheke für rund 240 Euro ersteigert und den Kaufpreis überwiesen. Das Unternehmen, die Brause Enterprice GmbH, das als Verkäufer auf der anderen Seite des Vertrags stand, lieferte die Theke jedoch nicht. Auch nicht nach einem Anruf des Gluffke bei einem Herrn, der sich am Telefon als der Geschäftsführer des Unternehmens ausgab.

Gluffke schreibt die Strafanzeige, die Polizei schreibt meinem gleichgültigen Mandanten, daß gegen ihn ermittelt wird und dann schreibt die Staatsanwaltschaft die Anklage. Sonst passierte bis dahin nichts.

Mit der drei Wochen zuvor zugestellten Anklage kommt Bulli Bullmann zu mir. Ich melde mich als Verteidiger, beantrage Akteneinsicht und erhalte die Akte gleich zusammen mit der Terminsladung vor das Jugendstrafgericht. Bulli Bullmann ist 19 Jahre alt, also Heranwachsender.

Aus der Akte und den drei Beiakten ergab sich, daß mein Bullmann im zarten Alter von 18 Jahren von einem windigen Geschäftsmann namens Wilhelm Brause dazu überredet wurde, sich als Geschäftsführer des Unternehmens Brause Enterprice GmbH ins Handelsregister eintragen zu lassen.

Die Kripo, die in einer ähnlichen Geschichte schon in der bzw. gegen die Enterprice ermittelt hatte, hielt vor längerer Zeit in einem Vermerk fest, daß Brause der faktische Geschäftsführer sei, der die Fäden der Enterprice fest in der Hand hielt. Bullmann sei erkennbar lediglich ein Strohmann, der von nichts noch nicht einmal überhaupt keine Ahnung habe.

Gegen Brause, mehrfach wegen Betruges vorbestraft, wird in einer vergleichbaren Sache bereits ein Verfahren vor dem (erwachsenen) Schöffengericht verhandelt. Auch dort geht es um den Vorwurf eines eBay-Betruges.

Meine telefonische Frage an die Richterin, ob die Zulassung der Anklage und das Ansetzen der Hauptverhandlung bei diesem Ermittlungsstand nicht ein wenig zu engagiert gewesen sei, quittierte sie mit einem überheblichen „Das müssen Sie schon mir überlassen, Herr Verteidiger!“

Als ich heute morgen dann den Terminszettel an der Tür zum Saal las, wurde ein weiteres Mal deutlich, was Staatsanwaltschaft und Jugendrichter mit meinem armen Bullmann vorhatten: Einen kurzer Prozeß. 30 Minuten später sollte die nächste Sache starten.

Ich habe der Richterin nach Aufruf der Sache und Feststellung der Personalien meines Mandanten ein Bündel Papier auf den Tisch gelegt: 8 Beweisanträge, in denen ich die versäumten Ermittlungen nun in der Hauptverhandlung erzwinge. Ich rechne mit zwei bis drei weiteren Hauptverhandlungsterminen.

Richterin und Staatsanwältin warfen mir unisono und entgeistert vor: Das hätten Sie aber auch früher mitteilen können. „Das müssen Sie schon mir überlassen, Frau Richterin.“ Die Worte kamen ihr bekannt vor.

Jetzt haben wir eine hochkomplizierte und umfangreiche Wirtschaftsstrafsache vor der Jugendrichterin. Ich bin sicher, daß sie meine Anrufe demnächst mit – zumindest gespielter – Höflichkeit entgegen nehmen wird, wenn ich wieder mal mit ihr sprechen möchte.

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Lügende Polizeibeamte

Eine Abgeordnete wird wegen Beamtenbeleidigung angezeigt und verurteilt. 25 Jahre später gesteht ein Polizist: „Wir haben gelogen“. Er und der Anwalt erinnern sich.

Die taz veröffentlicht ein spätes Geständnis eines Polizeibeamten, der gemeinsam mit drei Kollegen unter Druck ihres Vorgesetzten ein Fehlurteil veranlaßt hat – durch eine bewußte Falschaussage, konstant in zwei Instanzen. Zur Wort kommt auch Christian Ströbele, der als Verteidiger an jenem Verfahren beteiligt war.

Ich werde sicherlich noch einmal Gelegenheit haben, im Gericht aus dem Artikel zu zitieren. Polizeizeugen gehören zum Alltag eines Strafverteidigers.

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Ideen muß der Anwalt haben

Eine Kanzlei bereitet einen Arzthaftungsfall vor, es geht um einen Geburtsschaden. Dazu benötigt sie die Krankenunterlagen aus der betroffenen Klinik. Das Krankenhaus war auch umgehend bereit, eine komplette Kopie der Akte an die Anwälte zu geben. Doch dafür verlangte die Klinikverwaltung 159 Euro Gebühren fürs Fotokopieren. Die Anwälte wollten diesen Betrag nicht erstatten und erklärten, dass für denselben Umfang nach den allgemein üblichen Kopiergebühren etwa bei Gericht oder unter Anwälten nicht mehr als 65,20 Euro fällig würden. Als die Klinik auf ihren 159 Euro beharrte, reichte die Kanzlei Klage beim Landgericht München I ein und bezifferte den Streitwert auf 100 000 Euro – das ist der Betrag, der beim folgenden Arzthaftungprozess geltend gemacht werden soll.

[…]

… der Jurist kassiert nun von der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten rund 4.050 Euro Anwaltskosten …

Quelle: sueddeutsche.de

Ich könnte mir vorstellen, daß dem Rechtsschutzversicherer beim Lesen der Rechnung und des Urteils der Begriff „Schadensminderungspflicht- / Obliegenheitsverletzung“ in den Sinn kommt und die Zahlung verweigert.

Trotzdem: Die Idee, die der Zivilist da hatte, ist grundsätzlich nicht schlecht. Wenn ich an die Probleme denke, die uns manche Ärzte und Kliniken im Rahmen einer Strafverteidigung gemacht haben, wenn wir die Krankenakte (und die dann bitteschön auch in lesbarer Form) haben wollten, …

Bisher haben wir immer damit gedroht, den Arzt als Zeugen zu benennen und vom Gericht zur Hauptverhandlung laden zu lassen, wenn er uns nicht gibt, was wir haben wollen. Funktioniert meistens auch.

Denn Ärzte haben dieselbe Angst vor Juristen wie Juristen vor Ärzten. ;-)

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Landgericht gegen Bandido

Die Vorwürfe der Anklage lauteten auf versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung und unerlaubten Waffenbesitz.

Die Staatsanwaltschaft beantragte gegen den Beschuldigten vier Jahre und zehn Monate Haft wegen des Angriffs mit einer Gaspistole und Drogenhandels. Er sei aber vom Vorwurf des versuchten Totschlags wegen der Schüsse auf den Angehörigen der „Hells Angels“ freizusprechen, weil er dadurch weitere Provokationen der Rocker verhindern wollte.

Die Verteidigung plädierte für nicht mehr als zwei Jahre Haft für ihren Mandanten. Bei dem Angriff in der Diskothek habe er Reizgas eingesetzt, keine Gaspistole.

Quelle: Lausitzer Rundschau

Heute – sieben Wochen nach Prozeßbeginnn – gibt es das Urteil des Landgerichts Cottbus gegen den Bandido.

Was bisher geschah, beschreibt die Morgenpost.

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Nicht verstanden

Ich hatte meine Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragt. Begründet hatte ich den Antrag mit der notwendigen Akteneinsicht, ohne die eine Verteidigung in dem recht unübersichtlichen Fall nicht möglich sei.

Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts eigentlich auch kein Thema mehr. Wenn Akteneinsicht die erforderlich ist, liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor und der Angeklagte bekommt einen Pflichtverteidiger. Eigentlich ganz einfach zu verstehen.

Der Richter schickt meinen Antrag zur Amtsanwaltschaft, um dort Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die kommt dann auch:

Ich sehe keinen Fall einer Pflichtverteidigung. Umfassende Akteneinsicht kann der Verteidiger auch ohne Bestellung als Pflichtverteidiger erhalten.

… auf diesem Niveau wurde die gesamte Akte bearbeitet, bevor sie mit der Anklage an das Gericht gesandt wurde.

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Mindestverbüßungsdauer 26 Jahre

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart will heute seine Entscheidung über eine Haftentlassung des früheren RAF-Terroristen Christian Klar veröffentlichen. Der mittlerweile 56-jährige Klar wurde 1985 als ehemals führendes Mitglied der Terrororganisation Rote-Armee-Fraktion wegen neunfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Später wurde die Mindestverbüßungsdauer auf 26 Jahre festgelegt, so dass Klar frühestens am 3. Januar 2009 freikommen kann.

Quelle: Tagesschau

26 Jahre Knast in einem 56-jährigen Leben sind eine verdammt lange Zeit.

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Radfahrer sind die schlimmsten

Es ist ein bisschen kühl und windig, aber kein typischer finster-grauer Novembertag, an dem Übellaunigkeit praktisch im Kalender steht. Sogar die Sonne schafft es hin und wieder durch die Wolken. Die City-West von der Uhlandstraße den Ku’Damm entlang und die Tauentzien hinunter bis zum KaDeWe, ist belebt. Die Gehwege sind voll. Leute knubbeln sich an Bushaltestellen und Ampeln, Rollstuhlfahrer und Fußgänger mit Einkaufstüten, Kinderwagen, Hunden, Rollkoffern zwängen sich durch schmale Spalte zwischen Schaufensterfassaden und Bauzäunen. Und eben jener Radfahrer. „Guten Tag, Ordnungsamt Charlottenburg-Wilmersdorf, halten Sie mal bitte an?“, hat Beate Arbeiter ihn höflich angesprochen. Aber Höflichkeit will er nicht.

Den Alltag im öffentlichen Dienst mit

Widerstand, Freiheitsberaubung, Bedrohung, Beleidigung

beschreibt Krimi-Autorin Pieke Biermann unter den Überschriften Berliner Verbrechen / Schnauze – oder auf die Fresse im Tagesspiegel.

Der Öffentliche Dienst versucht, den Deckel auf dem Topf zu halten:

Die Außendienstler sind deeskalationsgeschult, und wenn sie bei einem muslimischen Schuldner zu Hause pfänden gehen, ziehen sie auch mal die Schuhe aus oder Krankenhaus-Überzieher drüber. Sie müssen das nicht, sie tun es, wenn die Stimmung kooperativ und friedlich ist. So wie sie die Feiertage religiös empfindlicher Menschen beachten. Man muss ja nicht unbedingt während des Ramadan die Möbel abholen, wenn die Nerven aus Fastengründen blank liegen.

Noch schlimmer als beim Geld-Eintreiben geht es zu beim Nicht-Geld-Hergeben: Auf dem Arbeitsamt In den Berliner Jobcentern:

Oben sitzen die Mitarbeiter allein oder zu zweit in diskret geschlossenen Zimmern, genehmigen Geld oder eben nicht und bieten Jobs oder Aus- und Fortbildungsmaßnahmen feil. Bevor ein Kunde hier oben ankommt, hat er oft stundenlang gewartet, draußen vor der Tür, vor dem Schalter und im Warteraum zwischen streitenden Familien und plärrenden Kindern vor dem Großraumbüro. Ist es da ein Wunder, dass er explodiert, wenn er oben erfährt, dass seine Nebenkostenabrechnung immer noch nach Manipulation riecht und er die Miete nicht bewilligt bekommt?

Das scheint der Preis zu sein, den die Mitarbeiter des Öffentlichen Diensts für ihren sicheren Arbeitsplatz zahlen. Korrekt ist das nicht, ich möchte nicht mit ihnen tauschen.

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Anklagebankchef

Zusammen mit elf weiteren Exmanagern der Berliner Bankgesellschaft muss sich der einstige CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky vor dem Landgericht wegen „Untreue in einem besonders schweren Fall“ verantworten. Die Richter seien nach eingehender Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass eine Verurteilung wahrscheinlicher sei als ein Freispruch, sagte Gerichtssprecherin Iris Berger am Freitag. Deswegen könne der Prozess nun eröffnet werden.

schreibt die taz.

Wer wettet mit? Das Verfahren wird irgendwann nach einer mühsamen Beweisaufnahme gem. § 153 a StPO eingestellt. Und Lando zahlt irgendwas 5- bis 6-stelliges an die Justizkasse, zum Ausgleich dafür, daß die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung aufgibt.

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Online-Durchsuchung? Yeah!

Nach dem am Freitag veröffentlichten ZDF-„Politbarometer“ finden es 57 Prozent grundsätzlich richtig, dass das BKA das Recht erhalten soll, die Festplatten von Computern verdächtiger Personen heimlich auszuspähen. 39 Prozent sind dagegen.

Quelle: Tagesspiegel

Liebe Basisdemokraten, wie war das mit der Volksabstimmung nochmal?

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