Auf einmal hat sie es eilig

Es ging um eine Tat am 1. November 2007; anläßlich oder besser: nach einer Halloween Party hat mein Mandant ein paar gefährliche Dummheiten gemacht, die glücklicherweise ohne ernsthafte Konsequenzen geblieben sind.

Im Januar 2008 bekomme ich die Ermittlungsakte und kündige eine Verteidigungsschrift an. Nach der Besprechung der Akte mit dem Mandanten war es notwendig geworden, den Inhalt der Akte und das Ergebnis dieser Besprechung mit dem zuständigen Staatsanwalt zu erörtern, um zu einem für alle Beteiligten angemessenen und „gerechten“ Ergebnis zu kommen. Die Situation stellte sich wesentlich komplizierter dar, als aus der Akte ersichtlich.

Ich habe den Staatsanwalt auch zügig erreicht, der aber die Akte nicht (mehr?) kannte und sich erst einmal (wieder) einarbeiten wollte. Er werde sich melden, hat er mir versprochen. Das war Anfang Februar 2008.

Seit dieser Zeit habe ich monatlich zweimal an diese Rückmeldung des Staatsanwalts erinnert, teilweise seriös und angemessen, teilweise ironisch, später auch mal etwas frecher. Eine Reaktion erfolgte in keinem Fall.

Mitte Mai diesen Monats bekam ich endlich Post. Von einer promovierten Frau Staatsanwältin, wohl frisch aus der Ausbildung im Amt. Nicht mehr der „alte“ Staatsanwalt sei zuständig, sondern jetzt sie, teilte mir die Dame mit.

Es wird Ihnen bis zum 25. Mail 2008 Gelegenheit gegeben, wie mit Schreiben vom 15.1.2008 angekündigt, zum Tatvorwurf schriftlich Stellung zu nehmen. Anderenfalls …

schrieb mir die Neue.

Von der vereinbarten Besprechung der Akte war keine Rede mehr. Also versuche ich Frau Dr. Staatsanwältin telefonisch zu erreichen. Die Geschäftsstelle teilt mir mit, daß Frau Dr. Staatswältin nur donnerstags und freitags im Hause sei, donnerstags aber dann meist bei Gericht. Ich solle es Freitag mal versuchen.

Frau Dr. Staatsanwältin ging am Freitagnachmittag gegen 14:30 Uhr tatsächlich noch ans Telefon, sie kannte die Grundzüge der Akte auch ein wenig, war aber zu dem ursprünglich mit ihrem Kollegen vereinbarten Gespräch nicht bereit. Sie werde nun einen Strafbefehl beantragen; wenn meinem Mandant das nicht gefällt, könne er ja Einspruch einlegen und dann in der Hauptverhandlung noch was dazu erklären. Basta!

Ich fasse es nach langen Jahren Erfahrung als Verteidiger immer noch nicht und rege mich immer noch über so eine Schlamperei und Sturheit auf. Das von dieser promovierten Nebenerwerbs-Juristin angekündigte Verfahren ist völlig überflüssig, verursacht der Landeskasse reichlich Kosten, kostet meinem Mandanten noch mehr Nerven und könnte durch ein Fünf-Minuten-Gespräch ganz einfach vermieden werden. Aber dazu ist die Hausfrau in der Robe nicht bereit und wohl auch nicht imstande.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

20 Antworten auf Auf einmal hat sie es eilig

  1. 1
    Jutta says:

    Wieso? Was Sie für Ihren Mandanten einzuwenden haben, hätten Sie doch – wie offeriert – schriftlich vorbringen können.

    Wenn das so offensichtlich geeignet ist, den Tatvorwurf auszuräumen, hätten Sie den den Strafbefehl doch auch so vermeiden können. Und wenn es die StA nicht überzeugt, hätte das Gespräch auch nichts genützt.

    Wo ist also das Problem (von Ihren Ressentiments gegen a) Juristinnen mit b) Doktortitel mal abgesehen)?

  2. 2
    Brandau says:

    Jeder war mal jung und hat mit der Arbeit recht frisch angefangen. Das man dann noch nicht so in dem Dealen drin ist wie ein Staatsanwalt mit mehr Berufserfahrung und Sorge hat, von einem Verteidiger mit mehr Erfahrung ausgetrickst zu werden, kann ich mir vorstellen.

    Ärgerlich ist es für den Mandanten natürlich trotzdem, der kann sich den Bearbeiter ja nicht aussuchen.

  3. 3

    @ Brandau: Sturheit und mangelnde Beweglichkeit im Kopf ist keine Frage der Berufserfahrung, sondern ein Charakterzug. Sinnvolle und faire Gespräche sind auch möglich, wenn einer der beiden Partner (sic!) weniger Erfahrung hat als der andere.

    @ Jutta: Für Diskussionen über die Frauenrechtsfrage gibt es bessere Einrichtungen als dieses Blog.

    Hinsichtlich einer Verteidigung durch Gesprächsführung im Vorfeld von Entscheidungen sei Ihnen gesagt, daß manches in Akten Geschriebene dem Mandanten besser geholfen hätte, wenn es nur Gesprochenes gewesen wäre.

  4. 4
    Harald says:

    So muss es sich anhören, wenn jemand sauer ist ;)

    Aber das Problem fängt ja viel früher an. Am 1. November 2007.

  5. 5

    Schlussendlich sollte man sich fragen ob es sich in solchen Fällen -Übergang einer Position von erfahren auf unerfahren- um einen „Systemfehler“ handelt, oder um die auch auf diesem Gebiet zwingend notwendige Evolution des Systems selbst. Mitunter ist frisches Blut ja auch von Vorteil (Wer die Medien aufmerksam verfolgt erhofft sich dieses z.B. seit Jahren für Hamburg. Dort sitzen offensichtlich der Schreibmaschine verhaftete ergraute Persönlichkeiten und betätigen sich, nach wie vor sehr aktiv, einerseits als „Innovationsbremse“ und andererseits als „Kapitalbeschaffungsmechanismus“ für Menschen die keiner ordentlichen Arbeit fähig zu seien scheinen).

    Wenn dieser Fall tatsächlich derart simpel zu lösen ist, Sie auch kein Problem haben sich bei der Dame noch unbeliebter zu machen, dann schreiben Sie doch mal dem Bund der Steuerzahler. Die freuen sich über jeder Meldung die auf Verschwendung von Steuermitteln.

    Allerdings sollten Sie auch nicht verdrängen das Sie als Strafverteidiger eine nicht unerhebliche „Fangemeinde“ in dieser Republik besitzen :-)

    Gruß

  6. 6

    @ Harald: Ja, da haben Sie grundsätzlich Recht.

    Nur – Für den Blödsinn am 1. November 2007 gibt es einen Satz heiße Ohren, für den im Mai 2008 am 1.6.2008 wieder frisches Gehalt.

  7. 7
    Jutta says:

    Staatsanwälte und -innen haben nunmal beträchtlich höhere Erledigungsziffern als Strafverteidiger und deshalb nicht immer Zeit für stundenlange Gespräche, nur weil „manches in Akten Geschriebene dem Mandanten besser geholfen hätte, wenn es nur Gesprochenes gewesen wäre.“

  8. 8
    Malte S. says:

    Wenn sich aber durch ein sagen wir einstündiges Gespräch mit der Frau Dr. jur. StA das Verfahren abbedingen läßt, dann bedeutet das zugleich, dass Personal- und Raumkapazitäten der Justiz und Strafverfolgung eingespart wurden. Damit hätte die StA plötzlich mehr Zeit, um ihre „Erledigungsziffern“ zu erreichen, als wenn sie es auf einen Prozess ankommen läßt und sich um diesen kümmern muss.

  9. 9

    @ Jutta:

    nicht immer Zeit für stundenlange Gespräche

    In dem beschriebenen Fall (wie in anderen von mir erfahrenen Fällen auch) ging es nicht um die Zeit. Insoweit stimme ich Malte S. in seinem Kommentar oben zu. Es ist die Arroganz der Macht gepaart mit der Freiheit von der Kostentragungslast, die manche Entscheidung prägt.

    Und überhaupt: Ich hatte von fünf Minuten geschrieben, nicht von Stunden.

  10. 10
    Consigliere says:

    „Die Arroganz der Macht“? Seitens der Staatsanwaltschaft? Indem sie ein Verfahren einleitet, dessen Ausgang sie nicht in der Hand hat, und gegen das bei Nichtgefallen der Gegenseite auch noch Rechtsmittel offen stehen? Ja, das erscheint schon unheimlich mächtig…

    PS: Würden Sie Sich an Zusagen oder Versprechungen Ihres Vorgängers (bspw. eines vorher mandatierten Kollegen) gebunden fühlen?

  11. 11
    Malte S. says:

    Wäre es eine rechtlich verbindliche Zusicherung gewesen, hätte sie sich daran zu halten gehabt. Sie hätte diese ja im Namen der StA abgegeben. Gleiches sollte bei rechtlich nicht normierten Zusagen gelten, da auch diese im Namen der StA und nicht als Privatperson abgegeben werden.
    Anders sieht dies bei einem Anwaltswechsel aus. Hier wechselt nicht nur das handelnde natürliche Subjekt, sondern auch das juristische, sprich bindungsfähige, Subjekt. Auch in diesen Fällen wird aber eine Bindung nicht unmöglich sein.

  12. 12

    Die obige Diskussion zum Thema: „klärendes Gespräch oder Gerichtsbverfahren“ ist eines Irrenhauses wert.

    Die Reaktion von Frau Dr. STA brachte mich auf den Gedanken, ob sie denn nicht ihren Doktor an der UNI in Hannover seinerzeit gamacht hat.

    Gerichtsbverhandlungen sind das letzte und kaum taugliche Mittel, etwas einvernehmlich und nachhaltig zu regeln.

  13. 13
    jj says:

    was hat eigentlich der dr. iur. mit dem ganzen kladderadatsch zu tun?

  14. 14
    RA JM says:

    @ jj: Der ist das Sahnehäubchen auf der Geschichte.

    Ansonsten – obwohl ich mich sonst ungern wiederhole – mein Standardkommentar: Staatsanwältin eben!

  15. 15
    jj says:

    ist es denn wirklich so (frage ich als noch nur erststaatsexaminierter), dass die dr. iur. häufiger deshalb unangenehm auffallen, weil sie einen dr. iur haben?

  16. 16
    doppelfish says:

    Mein persönlicher Eindruck ist, dass der Dr. durchaus dem einen oder anderen zu Kopfe steigt, dabei den weiblichen Trägern allerdings wesentlich häufiger als den Männchen.

  17. 17
    xyz says:

    @stimmt, bei den Männchen hat das eher Auswirkungen auf andere Körperregionen ;-)

  18. 18
    doppelfish says:

    Diese Aussage kann ich zu diesem Zeitpunkt weder bestätigen noch dementieren. :P

  19. 19
    Consigliere says:

    > Wäre es eine rechtlich verbindliche Zusicherung gewesen, hätte sie sich daran zu halten gehabt

    Es besteht also ein besonderer Vertrauensschutz, weil ein Gespräch zugesagt wurde? Es wird hier ja nicht das rechtliche gehör entzogen… Zumal, wenn das Gespräch dann eh nur 5 Minuten dauern soll, weil alles so evident sei – das kann man nicht kurz in einem Schriftsatz darlegen?

    > Mein persönlicher Eindruck ist, dass der Dr. durchaus dem einen oder anderen zu Kopfe steigt

    Lustig, mein Eindruck ist eher, dass nicht promovierte sich (und anderen) beweisen müssen, dass sie mindestens genau so gut sind wie „Herr Doktor“ und daher bei Sachen, die man auch einfacher lösen könnte, gleich auf Attacke stellen.

  20. 20
    Malte S. says:

    Auch Zusagen zu einem bestimmten behördlichen Handeln erzeugen eine Rechtsbindung, ähnlich der Bindung bei den kodifizierten Zusicherungen (§ 38 VwVfG). Auch wenn hier keine rechtsverbindliche Zusage vorliegt, sollte eine Behörde sich an die Handlungsweisen ihrer Vertreter halten und nicht einfach bei Personalwechsel mit diesen brechen. Das wird i.Ü. auch in der Pflicht zu konsequentem Verhalten im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs bestätigt.
    Es hat ja nicht nur DER StA gehandelt, sondern eben auch DIE StA als Behörde. Und diese hat nicht gewechselt.