Dilettantischer geht’s eigentlich nicht

Kein großer Film. Eine Auseinandersetzung auf dem Vorplatz eines Männerwohnheims. Um zwei Plastiktüten mit Parfüm. Der Geschädigte wird einmal geschlagen, ohne feststellbare Folgen. Eine Tüte wechselt den Besitzer. Einen der Täter will der Geschädigte wiedererkannt haben. Dieser wiederum belastet einen Dritten und der wiederum kennt meinen Mandanten. Vier Beteiligte, drei Nationen und komsumierter Alkohol, der für einen ganzen Männergesangsverein ausgereicht hätte.

Der Vorsitzende Richter am Amtsgericht lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, die in der Anklage formulierten Vorwürfe gegen meinen Mandanten ließen sich nicht aufrecht erhalten. Die Staatsanwaltschaft erzwingt die Zulassung der Anklage auf dem Beschwerdewege. Murrend terminiert der Vorsitzende.

Es wäre ein Rein-Raus-Spiel gewesen: Rein in die Verhandlung, Verteidigung durch Schweigen und raus mit dem Freispruch unterm Arm an die frische Luft. Selbst, wenn es zur Verurteilung gekommen wäre, hätte es nicht zu einer Freiheitsstrafe gereicht.

Allerdings: Der Mandant war weder für mich, noch für das Gericht erreichbar – er erschien nicht zum Termin (übrigens auch der polnische Geschädigte nicht). Die Standardreaktion war der Erlaß eines Haftbefehls gem. § 230 StPO.

Monate später wurde der Mandant verhaftet, saß nun drei Monate in Haft und wartete auf den neuen Termin. Der war dann in der vergangenen Woche.

Zwischenzeitlich hatte sich aber der Herr Kollege aus dem Wohnzimmer dazwischen gemogelt und meine Entpflichtung als Pflichtverteidiger beantragt. Diesem Antrag wollte der Richter nicht entsprechen. Deswegen meinte der Wohnzimmerbetreiber, den Richter am Terminstag ablehnen zu müssen, weil er ihn für befangen hält.

Der Versuch des Richters, ihn zugunsten des inhaftierten Angeklagten zur Rücknahme des Antrag zu bewegen, war ohne Erfolg.

Einen schlimmeren Blödsinn kann man als Verteidiger eigentlich nicht machen.

Zum einen: Der Haftbefehl wäre zwingend aufzuheben gewesen, nachdem die Verhandlung stattgefunden hat.

Zum anderen: Mit einem neuen Termin vor dem Schöffengericht ist nun nicht vor drei bis vier Monaten zu rechnen. Solange bleibt der Haftbefehl bestehen.

Und schließlich: Ich habe das Ablehnungsgesuch noch nicht gelesen; aber wenn es nur halb so schlecht geschrieben wurde, wie es das bisherige Verhalten des Hobby-Strafverteidigers befürchten läßt, dürfte es keine Aussicht auf Erfolg haben.

Warum können manche Anwälte nicht einfach mal die Finger von solchen Sachen lassen, von denen sie auch nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung haben?! Ich mache ja auch kein Insolvenzrecht.

Dieser Beitrag wurde unter Verteidigung veröffentlicht.

7 Antworten auf Dilettantischer geht’s eigentlich nicht

  1. 1
    RA JM says:

    Naja, ob nun Männerwohnheim oder JVA, Hautsache, ein Dach über dem Kopf und regelmäßige Mahlzeiten, wen stört das schon … ;-)

  2. 2
    rhabarber says:

    Der „Wohnzimmerkollege“ muss ja einen am Hammer haben. Sieht er wenigstens jetzt ein, was er da verbockt hat? Oder ist er komplett merkbefreit?

    Ich kenn mich da ja überhaupt nicht aus. Die StPO ermöglicht in §§232, 233 theoretisch, je nach Vorwurf, eine Verhandlung ohne Angeklagten auf dessen Antrag – darauf müsste ja auch der Haftbefehl weg. Ist da denn gar nix zu machen? Himmelnochmal!

  3. 3
    Richter Mittendrin says:

    ich erlaube mir den Hinweis, dass es einen „Vorsitzende(n) Richter am Amtsgericht“ nicht gibt. Der Berufsrichter beim Schöffengericht ist zwar der Vorsitzende in der Sitzung, aber kein Vors. Ri am Amtsgericht.
    Die Beförderungsstellen am Amtsgericht heißen entweder Direktor oder „Wauri“ für weiterer aufsichtsführender Richter

  4. 4
    doppelfish says:

    Bin ich eigentlich der Einzige, der sich über die leichte Diskrepanz zwischen der URL und dem Titel dieses Beitrags wundert? :)

  5. 5

    … wohl aber der erste, dem es auffällt und darüber schreibt. ;-)

  6. 6
    Juergen Zerche says:

    Hallo,
    die Altvorderen waren nicht dumm. Es gab klare Gründe zur Beschränkung auf 5 Rechtsgebiete. Ein Mehr geht oft zu Lasten des Mandanten. Ein Beispiel:
    Baurecht beackern viel zu Viele. Weil diese sich oft durch eigenen Häuslebau berufen fühlen und nach den grossen Streitwerten gieren. Statt etwas Technik zu studieren, wird der Fachanwalt „gemacht“. Was wird, wenn weder Anwalt noch Mandant die richtigen Fragen im Antrag für ein Selbst.Beweisverfahren stellen? Der clevere Gutachter beantwortet nur gestellte Fragen ! Nun noch einen Privatgutachter für Mängel und Fragen einschalten? Die Methode ist für Reiche.

  7. 7

    […] meine Entpflichtung und seine Bestellung als Pflichtverteidiger durchzusetzen versuchte, hatte ich bereits berichtet. Der Mandant sitzt immer noch in Haft, obwohl er bereits am 3. Juli 2008 hätte entlassen werden […]