Beschäftigungstherapie

Es gibt reichlich Beschwerden über zuviel Arbeit und zuwenig Justizpersonal. Richter, Staatsanwälte und sonstige Bedienstete im Bereich „Rechtsprechung“ fühlen sich überlastet. Das liegt nicht nur daran, daß zu wenig Geld in den Landeskasse ist, sondern auch daran, daß sich die oben genannten Personen mit Sachen beschäftigen, die einem Normalbürger dazu veranlassen, sich an den Kopf zu fassen.

Da erscheint ein Zeuge vor Gericht mit einer löchrigen Hose. Der Amtsanwalt (1) beantragt den Erlaß eines Ordnungsgeldes wegen Ungebühr, der Richter (2) erläßt einen Ordnungsgeldbeschluß. Dieser Beschluß wird von der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle (3) ausgefertigt, nachdem er von einer anderen Mitarbeiterin (4) geschrieben wurde. Der Zeuge erhebt Beschwerde, die Akte mit allem Drum und Dran wird dem Kammergericht vorgelegt. Dort beschäftigen sich nun drei Richter (5, 6, 7) mit der Frage, ob Löcher in der Hose ungebührlich oder üblich sind. Allerdings muß erst noch der Generalstaatsanwalt (8) gehört werden. Es ergeht dann ein Beschluß des Kammergerichts, der wird dann von einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle (9) geschrieben und von einer weiteren Mitarbeiterin (10) ausgefertigt. Das Ganze wird dann zur Poststelle gegeben und anschließend an die PIN-AG zum Versand.

Mehr als zehn Leute haben also reichlich zu tun, wenn ein Zeuge kein Geld für eine neue Hose hat.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz veröffentlicht.

4 Antworten auf Beschäftigungstherapie

  1. 1
    Rumpelstilzchen says:

    Wenn Sie persönlich keinen Anstoß daran nehmen, wenn Ihnen die Leute durch die Art ihrer Kleidung in provozierender Form ihre Missachtung ausdrücken, ist das Ihre Sache. Die Justiz kann und sollte sich das nicht gefallen lassen, und das bedeutet eben manchmal auch, so eine Sache schon zu Abschreckungszwecken dann auch durchzuziehen.

    Und wenn man sich dazu ansieht, was Sie privat für wichtig genug halten, um die Gerichte damit zu behelligen (siehe zB hier), dann scheint mir der Anlass erst recht nicht unverhältnismäßig.

    Man fragt sich zwar, ob es bei Bagatell-Ordnungsgeldern wirklich ein Rechtsmittel geben muss. Man wundert sich aber auch, dass ausgerechnet Ihnen als Anwalt dies missfällt.

  2. 2

    Wenn Ihnen mal die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde oder Sie in Untersuchungshaft sitzen und darauf warten, daß die Richter des Kammergerichts über Ihre Beschwerde gegen den entsprechenden Beschluß des Amtsgerichts entscheiden, werden Sie über die Verschwendung von Justizressourcen wegen Ahndung angeblich ungebührlichen Verhaltens gewiß auch anders denken.

    Und wenn Sie irgendwann einmal ein Beweisproblem bekommen, weil Ihnen ein Anrufer „A“ mitgeteilt hat, und später vorträgt, er habe aber „B“ gesagt, wird Ihnen es nicht mehr einfallen, von einer Bagatelle zu reden, wenn Sie auf die Versicherungsleistung in Höhe des Wertes eines Komplettumbaus einer Harley verzichten müssen.

    Im übrigen habe ich es nicht „privat“ für wichtig gehalten, dem Gothaer-Telefon-Junkie vor’s Schienbein zu treten (ich fahre keine Harley!), sondern im Zusammenhang mit meinem Beruf als Rechtsanwalt und Wahrnehmer fremder Interessen.

    Und zum Schluß: Für Sie mögen 300,00 Euro eine Bagatelle (peanuts?) sein; für jemanden, der mit einem Loch in der Hose herumlaufen muß, könnte das anders aussehen. Sie sollten sich schämen, Sie Rumpelstilzchen!

  3. 3
    doppelfish says:

    Hui, zehn Mitarbeiter der Justiz … ganz zu schweigen von den vielen Arbeitsplätzen, die bei der PIN-AG gesichert werden!

  4. 4
    Gudrun Hoffmann says:

    Um zu erkennen, war für den Rechtsstaat wichtig und was unwichtig ist, sollten alle entscheidungsberechtigten Juristen nur auf Zeit gewählt werden und vor ihrer Wahl einige Jahre im richtigen Leben gearbeitet haben. Das Biotop Justz schafft für seine Mitarbeiter eine gewisse Betriebsblindheit, die sich in den Entscheidungen nierderschlägt.