Beweisanträge gegen die Arroganz

Der Klassiker eines eBay-Betrugs sollte verhandelt werden: Gottfried Gluffke hatte die Kühltheke für rund 240 Euro ersteigert und den Kaufpreis überwiesen. Das Unternehmen, die Brause Enterprice GmbH, das als Verkäufer auf der anderen Seite des Vertrags stand, lieferte die Theke jedoch nicht. Auch nicht nach einem Anruf des Gluffke bei einem Herrn, der sich am Telefon als der Geschäftsführer des Unternehmens ausgab.

Gluffke schreibt die Strafanzeige, die Polizei schreibt meinem gleichgültigen Mandanten, daß gegen ihn ermittelt wird und dann schreibt die Staatsanwaltschaft die Anklage. Sonst passierte bis dahin nichts.

Mit der drei Wochen zuvor zugestellten Anklage kommt Bulli Bullmann zu mir. Ich melde mich als Verteidiger, beantrage Akteneinsicht und erhalte die Akte gleich zusammen mit der Terminsladung vor das Jugendstrafgericht. Bulli Bullmann ist 19 Jahre alt, also Heranwachsender.

Aus der Akte und den drei Beiakten ergab sich, daß mein Bullmann im zarten Alter von 18 Jahren von einem windigen Geschäftsmann namens Wilhelm Brause dazu überredet wurde, sich als Geschäftsführer des Unternehmens Brause Enterprice GmbH ins Handelsregister eintragen zu lassen.

Die Kripo, die in einer ähnlichen Geschichte schon in der bzw. gegen die Enterprice ermittelt hatte, hielt vor längerer Zeit in einem Vermerk fest, daß Brause der faktische Geschäftsführer sei, der die Fäden der Enterprice fest in der Hand hielt. Bullmann sei erkennbar lediglich ein Strohmann, der von nichts noch nicht einmal überhaupt keine Ahnung habe.

Gegen Brause, mehrfach wegen Betruges vorbestraft, wird in einer vergleichbaren Sache bereits ein Verfahren vor dem (erwachsenen) Schöffengericht verhandelt. Auch dort geht es um den Vorwurf eines eBay-Betruges.

Meine telefonische Frage an die Richterin, ob die Zulassung der Anklage und das Ansetzen der Hauptverhandlung bei diesem Ermittlungsstand nicht ein wenig zu engagiert gewesen sei, quittierte sie mit einem überheblichen „Das müssen Sie schon mir überlassen, Herr Verteidiger!“

Als ich heute morgen dann den Terminszettel an der Tür zum Saal las, wurde ein weiteres Mal deutlich, was Staatsanwaltschaft und Jugendrichter mit meinem armen Bullmann vorhatten: Einen kurzer Prozeß. 30 Minuten später sollte die nächste Sache starten.

Ich habe der Richterin nach Aufruf der Sache und Feststellung der Personalien meines Mandanten ein Bündel Papier auf den Tisch gelegt: 8 Beweisanträge, in denen ich die versäumten Ermittlungen nun in der Hauptverhandlung erzwinge. Ich rechne mit zwei bis drei weiteren Hauptverhandlungsterminen.

Richterin und Staatsanwältin warfen mir unisono und entgeistert vor: Das hätten Sie aber auch früher mitteilen können. „Das müssen Sie schon mir überlassen, Frau Richterin.“ Die Worte kamen ihr bekannt vor.

Jetzt haben wir eine hochkomplizierte und umfangreiche Wirtschaftsstrafsache vor der Jugendrichterin. Ich bin sicher, daß sie meine Anrufe demnächst mit – zumindest gespielter – Höflichkeit entgegen nehmen wird, wenn ich wieder mal mit ihr sprechen möchte.

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht, Richter, Staatsanwaltschaft, Strafrecht veröffentlicht.

3 Antworten auf Beweisanträge gegen die Arroganz

  1. 1
    ben says:

    Mal ne Frage in diesem Zusammenhang: Wer haftet denn in so einem Fall faktischer Geschäftsführung steuerrechtlich?

  2. 2
    GaGaF says:

    Ich denke ganz „normal“: Gesellschaft/Gesellschafter und der Geschäftsführer! Für alles Weitere braucht man(n) dann KHB! Hihi…

  3. 3
    doppelfish says:

    Hui, acht Beweisanträge. Dabei hätte womöglich ein kurzer Prozess, pardon, ein scharfer Blick in die Kripo-Akten der „ähnlichen Geschichte“ genügt.