Der Ratschlag der Psychologin

Die Frau ist tot. Die Tatumstände geben keinen eindeutigen Hinweis darauf, ob es eine Selbsttötung war oder ob der Mandant sie getötet hat. Weitere Tatalternativen gibt es nicht.

Es spricht sehr viel für einen Suizid. Der Mandant sitzt deswegen auch nicht in Untersuchungshaft. Obwohl die Staatsanwaltschaften sonst sehr schnell mit dem Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls bei der Hand sind, wenn es sich um einen Ausländer handelt.

Der Mandant nimmt meinen Rat an und verteidigt sich durch Schweigen. Obwohl es ihm sehr schwer fällt, die (falschen) Behauptungen und (vagen) Vermutungen der anderen Zeugen nicht richtig stellen zu können. Er hält sich eisern an die Regel: Erst Akteneinsicht, dann Stellungnahme. Nicht umgekehrt.

Ich bekomme die Ermittlungsakte. Es fehlen die Ermittlungen der letzten beiden Wochen. Der Obduktionsbericht ist auch nicht dabei. Deswegen schweigt mein Mandant weiter. Das Vorenthalten wichtiger Aktenbestandteile macht mich mißtrauisch.

Der Mandant leidet weiter. Deswegen holt er sich telefonisch und per eMail den Rat einer befreundeten Psychologin ein. Die teilt dem Mandanten mit, daß das Schweigen falsch ist. Sie weiß es besser. Auch ohne Aktenkenntnis. Er soll doch die Fragen der Mordkommission beantworten. Alles richtig stellen. Er hat doch nichts zu verbergen. Dann wird alles gut und die Kriminalbeamten stellen ihre Arbeit ein. Sie kennt das.

Und außerdem: Was soll denn aus seiner Tochter werden, wenn die Polizei ihn zu einer Zwangsbefragung abholt.

Manchen Menschen sollte man verbieten, nachmittags den Fernseher einzuschalten. Diese Gerichtsshows sind einfach zu gefährlich. Jedenfalls für einige Psychologinnen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

4 Antworten auf Der Ratschlag der Psychologin

  1. 1
    Kampfschmuser says:

    Da ist man erst mal sprach- bzw. wortlos.

    Dem letzten Absatz kann man nur beipflichten. Die gute Frau gehört verboten. Den Kopfwaschen wird da wohl nicht viel nützen.

    Der Mandant redet sich in seinen Klarstellungsversuchen um Kopf und Kragen, das Gericht glaubt am Ende vielleicht sogar an die Schuld, der Mandant wandert 15 Jahre in den Bau und die Psychologin kann ihn dann fleissig betreuen? Ist das Kundenbindung oder wie nennt man sowas?

    Eigentlich gehört die Psychologin bildlich nackt mit dem Knüppel durchs Gericht getrieben.

    PS: Geben sie ihr doch mal den Link zum Blog. ;)

  2. 2
    doppelfish says:

    Alleine die Ferndiagnose über Telefon und eMail ist, freundlich ausgedrückt, ein schwerer Kunstfehler.

  3. 3
    Das Ich says:

    @ Anwälte: Was bitte ist eine „Zwangsbefragung“? Gibt´s doch nicht wirklich, oder?
    Und? Hat der Mandant nun geredet? Oder konnten sie ihn noch aufhalten?

  4. 4

    @ Das Ich:

    Seit den Versuchen eines gewissen Herrn Daschner aus Frankfurt /M ist eine Art Zwangsbefragung wieder diskutiert worden. Aber so richtig gesellschaftsfähig ist sie (noch) nicht (wieder).