Dienstaufsichtsbeschwerde

In der Bußgeldsache gegen

Graf Gottfried von Gluffke
– 290 OWi 9999/08 –

erhebe ich

D I E N S T A U F S I C H T S B E S C H W E R D E

gegen

Herrn Richter K. am Amtsgericht.

I.
Am 25. November 2008 fand in der vorstehend genannte Sache ein Hauptverhandlungstermin statt. Pünktlich um 12:45 Uhr erfolgte der Aufruf in den Saal, den der Betroffene und ich im Wartebereich hörten. Wir betraten dann ohne Verzögerung gemeinsam den Saal.

Herr Richter K. forderte meinen Mandanten auf, auf dem vorgesehen Stuhl Platz zu nehmen; der Betroffene legte seinen Helm auf den Tisch und tat wie ihm geheißen. Während ich noch im Begriff war, meinen Mantel auszuziehen, die Tasche zu öffnen, um meine Robe, den Laptop und die Akte herauszuholen, begann Herr Richter K. bereits mit der Verhandlung, in dem er den Betroffenen zu seiner Person befragte. Während der Angaben des Betroffenen zu seiner Fahrerlaubnis hatte ich es gerade geschafft, den Laptop ans Stromnetz anzuschließen und war im Begriff, meine Robe anzuziehen, als der Richter den Betroffenen bereits über die Freiwilligkeit hinsichtlich der Höhe seines Einkommens belehrte und ihn danach fragte. Noch im Stehen mußte ich auf diese Frage für meinen Mandanten eine entsprechende Erklärung abgeben. Erst dann war ich eigentlich verhandlungsbereit und habe Platz genommen.

Ich fühle mich durch dieses Verhalten des Richters zu einem störenden Objekt herabgewürdigt und gekränkt. Den Beginn der Verhandlung bei gleichzeitiger Ignoranz, daß der Verteidiger noch im Begriff war, sich einzurichten, empfinde ich als eine grobe Unhöflichkeit, die sich für einen seriösen Richter nicht geziemt. Ich bin der Ansicht, daß ich in dieser Hinsicht von einem Richter jedenfalls solange mir gegenüber Respekt verlangen kann, als daß ich nicht durch unangemessenes Verhalten den Beginn der Verhandlung verzögere. Das war hier nicht der Fall. Meine Vorbereitungen haben insgesamt weniger als ca. 60 Sekunden benötigt, die Herr Richter K. durchaus hätte sich gedulden müssen und können. Soviel Zeit muß sein.

Ich empfinde dies als eine Respektlosigkeit mir gegenüber, die ich nicht zu akzeptieren bereit bin.

II.
Dieses aus meiner Sicht unakzeptable Verhalten setzte der Richter während der Hauptverhandlung fort, indem er es nicht für nötig erachtete, einen Lutsch-Bonbon (oder ein Kaugummi?) aus dem Mund zu nehmen. Statt dessen lutschte er, während er zu dem Betroffenen, zu mir als Verteidiger, aber auch zu den beiden Polizeibeamten, die als Zeugen erschienen waren, sprach, das Bonbon ungeniert und bei weitem nicht geräuschlos weiter.

Ich achte als Strafverteidiger stets darauf, daß meine Mandanten, gleich aus welcher Schicht sie stammen, sich nicht durch ungebührliche Kleidung oder Auftreten unwürdig gegenüber dem Gericht verhalten; neben dem obligaten Hinweis, ein etwaiges Funktelefon vor dem Betreten des Saales auszuschalten, fordere ich insbesondere postpubertäre, mit Testosteron geschwängerte Halbstarke dazu auf, ihre Bonbons und Kaugummis aus dem Mund zu nehmen, wenn sie denn nicht schon von selbst darauf gekommen sind, diese Flegeleien zu unterlassen – was allerdings, das muß ich auch zur Ehrenrettung meiner jugendlichen Mandanten sage, meist der Fall ist.

Umsomehr waren mein Mandant, immerhin ein erfolgreicher und seriöser mittelständischer Unternehmer, und ich völlig entsetzt, Schmatz- und Schlürfgeräusche von einem Richter ertragen zu müssen, der den Bonbon beim Sprechen von einer Backentasche laut vernehmlich in die andere beförderte.

Auch dieses beschriebene Verhalten des Herrn Richters K. stellt sich für mich als eine üble Respektlosigkeit nicht nur mir gegenüber, sondern auch und insbesondere gegenüber den anderen Anwesenden dar, die dem Bild eines Richters nicht würdig erscheint.

So geht das nicht! Ich bitte die Dienstaufsicht, auf Herrn K. entsprechend einzuwirken.

Die richterliche Unabhängigkeit umfaßt nicht ein geräuschvolles Bonbonlutschen während einer Hauptverhandlung. Er mag sich zumindest bei meinem Mandanten, den beiden Polizeibeamten und der Protokollführerin für dieses Verhalten entschuldigen.

Ich wäre der Dienstaufsicht sehr verbunden, wenn mir die dienstliche Äußerung des Richters zur Veröffentlichung in meinem Weblog zur weiteren Stellungnahme übermittelt werden könnte.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei), Kreuzberg veröffentlicht.

10 Antworten auf Dienstaufsichtsbeschwerde

  1. 1
    Knapp says:

    Vor dem Abschicken besser eine Nacht darüber schlafen und eruieren, wie das Schreiben auf bisher unbeteiligte Personen wirkt.

  2. 2
    AlterEgo says:

    und der Sitzungsvertreter als Zeuge? ;-)

  3. 3
    Carsten S says:

    Sind „So geht das nicht!“ und „Soviel Zeit muß sein.“ Sätze, die sich in einer Dienstaufsichtsbeschwerde gut machen?

  4. 4
    Brandau says:

    Gab es da noch eine Vorgeschichte oder war das das erste Mal, wo er sich so benommen hat?

  5. 5
    Brandau says:

    Ups, die Vorgeschichte scheint einige Geschichten vorher zu stehen, hatte ich übersehen

  6. 6

    @ Carsten S:
    Ich gebe Ihnen Recht, daß eine solche Stimmungsmache grundsätzlich nichts in einer DAB verloren hat. Das hier ist aber eine Ausnahme. Weil der Richter an sich eine Ausnahmeerscheinung ist. Das ist die Erwiderung auf sein Verhalten auf dem selben Niveau; damit er (nicht die Dienstaufsicht) es auch versteht. Ich erwarte nicht, daß die Aufsicht ernsthaft deswegen einschreiten wird.

    @ AlterEgo:
    In Bußgeldsache nimmt die Staatsanwaltschaft regelmäßig nicht an der Hauptverhandlung teil.

    @ Brandau:
    Die Vorgeschichte läuft seit knapp 2 Jahren: Drei Ablehnungsgesuche. Das letzte läuft noch. Zwei erfolgreiche Beschwerden gegen Beschlüsse des Richters. Schlimmer kann die Stimmung nicht mehr werden.

    @ All:
    Der Mandant ist einverstanden und profitiert (sonst würde ich das Theater nicht machen). Allein durch den Zeitablauf ist das Fahrverbot, um das es eigentlich geht, nahezu ausgeschlossen.

  7. 7
    RA JM says:

    Wirklich genial, wie sich zwischen den Zeilen der Bogen von den „postpubertären, mit Testosteron geschwängerten Halbstarken“ zu dem Objekt der Beschwerde schlägt. ;-)

  8. 8
    Das Ich says:

    Wenn das so stört, hätte man 1. Den Richter bitten können sich erst setzten zu können, und 2. Ihn bitten können das Bonon rauszunehmen.
    Ich habe als Kind immer zu hören gekriegt: Du hast einen Mund , asl benutze ih!!!
    Das gilt eigentlich auch für einen gestandenen Strafverteidiger. ??? Oder hat der Bonbon so viel Respekt eingeflößt, dass sie sprachlos waren?
    Vielleicht überdenken Sie das Schreiben nochmal bevor sie es abschicken?

  9. 9
    Pascal says:

    @ Das ich: Wieso sollte er? Wenns dem Mandanten nützt…

    Ist das eigentlich derselbe Richter wie in „Hüte und Lutscher in Moabit“?
    Wenn ja, dann versteh ich schon, dass man da ein anderes Mittel als ein „Bitte nehmen sie das Bonbon raus“ wählt.

    Im Zweifel kriegt man da dann ein „Wie ich meine Verhandlung führe müssen Sie schon mir überlassen“ zurück. ;)

  10. 10
    Klaus says:

    Tja, das kann man in einigen Punkten auch ganz anders sehen: Wer als Verteidiger und Organ der Rechtspflege nicht weiß oder darauf nicht achtet, bei Eröffnung des Termines („pünktlich bei Aufruf“)in vorbereiteter Form zu erscheinen, der darf sich über Weiterungen nicht beklagen. „Man“ erscheint einfach pünklich und in Robe zur Verhandlung. Aus. Andernfalls wäre vielleicht eine gewisse öffentliche Ermahnung des Vorsitzenden nicht ausgeschlossen. Würde eine solche der Reputation des Verteidigers zuträglich sein („Möchten Sie den Gerichtssaal zur Umkleidekabine umfunktionieren?“ – Ihre Antwort hierzu möchte ich gerne hören.)

    Daß der Vorsitzende zum störenden Bekleidungswechsel nichts gesagt hat, kann auch ein Zeichen des vertraulichen Umganges sein („Wir kennen und schätzen uns und sehen uns gegenseitig gewisse Schwächen nach.“)

    Der Bekleidungswechsel an sich könnte aber auch Auslöser sein, ein evtl. Bonbon nicht aus dem Mund zu nehmen.

    Hat man das Gefühl ersthafter Herabminderung, kann man doch wohl auch ganz ernsthaft anmerken: „Herr Vorsitzender, ich bitte um Nachsicht, aber es ist ausgesprochen schwer, sie zu verstehen. Ist es möglich, daß wir eine kurze Pause bis zum Zergehen des Bonbons einlegen?“

    Andererseits: Das Lutschen eines Bonbons oder Kaugummikauen ist selbstverständlich eine Unhöflichkeit, zumal bei Gericht und erst recht bei einem Vorsitzenden.