Enttäuschter Strafverfolger

Der Staatsanwalt fühlte sich beleidigt. Sein Kollege hatte ihm berichtet, ein Verteidiger habe öffentlich böse Worte über ihn gesprochen. Und weil er ein sensibler Mensch ist, stellte er einen Strafantrag gegen den Verteidiger.

Zum Gerichtstermin erschien der Staatsanwalt als grinsender Zuschauer. Es wollte dabei zusehen, wie der Verteidiger öffentlich hingerichtet verurteilt wird. Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, als der Verteidiger beantragte, den Staatsanwalt aus dem Saal zu komplimentieren, weil er später noch als Zeuge in Betracht kommen könnte. Enttäuscht mußte er den Saal verlassen.

Er wird die knapp drei Stunden auf dem Flur vor dem Saal gewartet haben. Er wurde als Zeuge nicht gebraucht und hätte ohne Zustimmung seines Dienstherren ohnehin nicht aussagen dürfen.

Dann bei der Urteilsverkündung war er plötzlich wieder da. Die Verurteilung wollte er sich dann doch nicht entgehen lassen.

Im Namen des Volkes:
Der Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse freigesprochen.

Tja. Da hat der Staatsanwalt dann auch nicht mehr gegrinst.
Vendetta interrupta. ;-)

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft, Verteidigung veröffentlicht.

10 Antworten auf Enttäuschter Strafverfolger

  1. 1

    Hallo,

    wie ist so etwas eigentlich im System geregelt?

    Kann der Herr Verteidiger nun zukünftig den Herrn Staatsanwalt als befangen ablehnen, falls einer seiner Mandanten es mit eben diesem zu tun bekommt?

    Gruß

  2. 2

    Richter und Sachverständige können abgelehnt werden werden: § 24 StPO (für Richter); § 74 StPO (für Sachverständige). Staatsanwälte grundsätzlich nicht.

    Es ist einem Verteider aber nicht untersagt, auch einmal einen unzulässigen Antrag zu stellen. Hier ist so einer, der im Verfahren der Vier Strafverteidiger gestellt wurde.
    8-)

  3. 3
    Das Ich says:

    …und? war der Antrag erfolgreich?

  4. 4
    doppelfish says:

    Nein.

  5. 5

    Das war einfach vorher zu sehen.

    Uns ist es aber damit gelungen, damit den Termin zum Platzen zu bringen und weitere Zeit zu gewinnen, die wir für die Verteidigung brauchten.

    Über den Verlauf des ganzen Verfahrens haben wir hier berichtet.

  6. 6
    RAin Kerstin Rueber says:

    Vendetta interrupta – köstlich.

  7. 7
    RA JM says:

    Das Sahnehäubchen wäre jetzt noch eine Entscheidung nach § 469 StPO. ;-)

  8. 8

    Es muss wirklich ein unerfahrener und dummer Staatsanwalt gewesen sein.

    Er unterlag dem allgemein unter Juristen verbreiteten Irrtum, dass Zeugen vor der Befragung den Gerichtssaal verlassen müssen. Verlassen die möglichen oder die geladenen Zeugen den Saal nicht, dann hat das Gericht es leichter und ein paar Argumente mehr, der eigenen vorgefassten Meinung zu folgen. Braucht es aber nicht. Auch ein den Gerichtssaal nicht verlassender Zeuge kann das Gericht umstimmen oder in seiner Meinung stärken.

    Die Richter weisen zwar darauf hin, dass der Zeuge den Saal verlassen soll. Bei Weigerung setzen das die Richter nicht durch. Das habe ich schon mehrmals bei Buske (Zensurkammer Hamburg) erlebt.

  9. 9

    Der Staatsanwalt war nicht unerfahren.

    Im übrigen hilft vielleicht das Gesetz weiter: § 58 Abs. 1 StPO zum Beispiel. Weitere Erläuterungen dazu liefert der BGH (Beschluss vom 7. 11. 2000 – 5 StR 150/ 00): Ab Randziffer 9 wird es interessant.

    Hier geht es um’s Strafrecht; Sie berichten über Zivilprozeßrecht, das mag sich unterscheiden.

  10. 10

    Vendetta interrupta?
    Wohl eher aberatio ictus.
    Öffentlich hinger…., err gescholten hat der Richter den Herrn Staatsanwalt für seine Ermittlungspraxis und Verfahrensführung.