Freudloser Freispruch

Das schriftliche Vor-Gutachten der Psychiaterin war eindeutig, eindeutiger hätte es nicht sein können: Der Mandant (ÖPNV-Schwarzfahren, Beleidigung, Falschaussage) war krankheitsbedingt nicht imstande, das Unrecht seiner Taten einzusehen: Schuldunfähig. Nach dem Vorgutachten bereits stand also bereits fest, das gibt einen Freispruch. Nur die Frage nach der Einweisung in die Psychiatrie (§ 63 StGB) war noch im Termin zu klären, zu befürchten war das anhand der Deliktstruktur aber nicht.

Das von der Sachverständigen mündlich vorgetragene Gutachten trieb den Schöffen aber dann doch das Wasser in die Augen. Oder es war die beklagenswerte Gestalt des teilnahmslos wirkenden Angeklagten. Oder beides.

Hebephrene Schizophrenie lautete die Diagnose. Nach Auskunft der Psychiaterin im vorliegenden Fall in einer Stärke, denen die bisher bekannten Medikamente nicht gewachsen sind. Nicht heilbar, nicht wirklich behandelbar. Eine zwanzig-jähriger Mensch mit einer versandenden Persönlichkeit.

Freispruch, keine Einweisung in den Meßregelvollzug. Ein trauriger Erfolg.

Aber am Ende ein herzliches Dankeschön des Angeklagten. Das dem Verteidiger das Wasser in die Augen treibt.

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht, Verteidigung veröffentlicht.

4 Antworten auf Freudloser Freispruch

  1. 1
    Tilman says:

    Sowas nennt man einen „Jagdschein“. Hier ein (anderer) Fall, der seit Jahrzehnten (!) läuft:
    http://www.agpf.de/Stutzer.htm#Fax98

  2. 2
    gb says:

    heisst dass jetzt, der Mandant kann sich (im Rahmen) leisten was er will?

    Klar, ist das traurig, wenn ein Leben so (sorry fuer die Ausdruckweise) in‘ Arsch geht – aber ich glaube, dass das durchaus ein Teil / eine Folge unserer Gesellschaft ist…

    Aber wie geht’s weiter? Muss erst so viel passieren, dass er dann ‚wuerdig‘ genug ist, um einzufahren? Und dann zwischen den ganzen schweren Jungs komplett unterzugehen?

    Trauriges Deutschland :(

    Alles Gute…

    [Nachtrag] ich will damit jetzt *nicht* sagen, dass er besser haette eingesperrt werden sollen, im Gegenteil! Ist nur schade, dass so garnix zu machen ist…

  3. 3

    Sie haben’s auf den Punkt gebracht: Garnix zu machen.

    Die Alternativen kosten Geld, das – von wem auch immer – nicht zur Verfügung gestellt wird.

  4. 4
    Julia says:

    Liebe Kommentatoren, ich bin etwas irritiert. Auch ich habe einen Fall hebephrener Schizophrenie in der Familie. Die Erkrankung ist furchtbar und kann uns alle erwischen. Etwas Respekt fände ich da ganz schön… Und mit „unserer Gesellschaft“ hat diese Erkrankung nun wirklich herzlich wenig zu tun.
    Ich hoffe, der arme Mann bekommt eine gute Therapie und ggf. doch noch Medikamente, die seine Ängste und Wahnvorstellungen etwas dämpfen können. Die Prognose sieht schlecht aus, wenn man bereits so jung erkrankt.