Der Mandantin wurde vorgeworfen, unter Einfluß von Alkohol und Medikamenten Auto gefahren zu sein.
Das Ergebnis der Ermittlungen aus der Akte:
Vor Ort hatte die Mandantin den Polizeibeamten mitgeteilt, sie sei um 19 Uhr mit dem Auto gefahren. Den ersten Kontakt hatten die Beamten mit der Mandantin aber erst um 22:45 Uhr. Das Auto war ordnungsgemäß in einer engen Lücke eingeparkt, der Motor lief nicht und war relativ kalt. Auf dem Beifahrersitz lag eine Flasche Likör, die geöffnet und angetrunken war. Die Blutalkoholkonzentration wurde um 0:20 Uhr festgestellt: 0,7 Promille. Und ein Beruhigungsmittel fand man im Blut. Die Frau machte einen verwirrten Eindruck. Sie hat ihren Führerschein vor Ort freiwillig an die Polizei abgegeben. Mehr Informationen gab die Akte nicht her.
Im Gerichtstermin vertrat eine schneidige Amtsanwältin (sAA’in) die Anklage. Vor ihr lag eine Handakte, die etwa 4 bis 5 Blatt Papier enthielt. Sie war erkennbar nicht vorbereitet.
Der Angeklagten wurde eine folgenlose Trunkenheitsfahrt vorgeworfen. Es bestand Einigkeit zwischen den Beteiligten, daß das Verfahren ausgesetzt werden muß (aus Gründen, die hier nicht von Belang sind).
Der bissige Verteidiger (bV) hat die Herausgabe des Führerscheins beantragt und damit begründet, daß der – schweigenden – Angeklagten die Trunkenheitsfahrt nicht nachzuweisen sei.
Dem trat die sAA’in mit einem Antrag auf Erlaß eines Beschlusses entgegen, mit dem der Angeklagten durch das Gericht nunmehr die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden sollte. Zur Begründung Ihres Antrages verwies sie auf die „Aktenlage“.
bV (bitterböse blickend):
Haben Sie die Akten denn überhaupt mal gelesen?
sAA’in (gelangweilt guckend):
Nein, das ist auch nicht nötig.
bV (entsetzt aussehend):
Das ist doch jetzt nicht Ihr Ernst, oder?! DOCH, das ist nötig. Denn dann hätten Sie den Schlußbericht auf Blatt 40, 41 gelesen. Dort faßt die Polizei das Ergebnis der Ermittlungen zusammen und kommt zu dem Schluß, daß der Angeklagten die Trunkenheitsfahrt nicht nachzuweisen sei.
sAA’in (besserwissend die Nase hochhaltend):
Blatt 40? Aber danach sind doch noch weitere Zeugen vernommen worden! Ich halte an meinem Antrag fest.
bV (den virtuellen Mittelfinger erhebend):
Die gesamte Ermittlungsakte enthält 43 Blatt. Danach kommt die Anklageschrift und die Abgabe an das Gericht! Weitere Zeugen gibt es nicht.
sAA’in (dreijährig-trotzig virtuell mit dem Fuß stampfend):
Trotzdem. Ich habe keine Veranlassung, meinen Antrag zurück zu nehmen und kündige Rechtmittel an, wenn das Gericht ihm nicht stattgibt.
So sind’se, unsere Amtsanwältinnen in Moabit. Schneidig eben.
Der Antrag der Amtsanwältin wurde vom Gericht abgelehnt, dem Antrag des Verteidigers stattgegeben und der Führerschein an die Angeklagte herausgegeben. To be continued …
Schneidigkeit ist doch mit Ignoranz eigentlich nicht zu verwechseln. „Fritzchen, was ist Ignoranz?“ „Keine Ahnung, interessiert mich auch nicht!“
Die stolze Kavallerie der Justiz, eben.