Ideen muß der Anwalt haben

Eine Kanzlei bereitet einen Arzthaftungsfall vor, es geht um einen Geburtsschaden. Dazu benötigt sie die Krankenunterlagen aus der betroffenen Klinik. Das Krankenhaus war auch umgehend bereit, eine komplette Kopie der Akte an die Anwälte zu geben. Doch dafür verlangte die Klinikverwaltung 159 Euro Gebühren fürs Fotokopieren. Die Anwälte wollten diesen Betrag nicht erstatten und erklärten, dass für denselben Umfang nach den allgemein üblichen Kopiergebühren etwa bei Gericht oder unter Anwälten nicht mehr als 65,20 Euro fällig würden. Als die Klinik auf ihren 159 Euro beharrte, reichte die Kanzlei Klage beim Landgericht München I ein und bezifferte den Streitwert auf 100 000 Euro – das ist der Betrag, der beim folgenden Arzthaftungprozess geltend gemacht werden soll.

[…]

… der Jurist kassiert nun von der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten rund 4.050 Euro Anwaltskosten …

Quelle: sueddeutsche.de

Ich könnte mir vorstellen, daß dem Rechtsschutzversicherer beim Lesen der Rechnung und des Urteils der Begriff „Schadensminderungspflicht- / Obliegenheitsverletzung“ in den Sinn kommt und die Zahlung verweigert.

Trotzdem: Die Idee, die der Zivilist da hatte, ist grundsätzlich nicht schlecht. Wenn ich an die Probleme denke, die uns manche Ärzte und Kliniken im Rahmen einer Strafverteidigung gemacht haben, wenn wir die Krankenakte (und die dann bitteschön auch in lesbarer Form) haben wollten, …

Bisher haben wir immer damit gedroht, den Arzt als Zeugen zu benennen und vom Gericht zur Hauptverhandlung laden zu lassen, wenn er uns nicht gibt, was wir haben wollen. Funktioniert meistens auch.

Denn Ärzte haben dieselbe Angst vor Juristen wie Juristen vor Ärzten. ;-)

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

9 Antworten auf Ideen muß der Anwalt haben

  1. 1
    BV says:

    Ich muss gestehen, ich schnall’s nicht ganz. Was hat denn die Haftungsklage mit den Kopierkosten zu tun? So könnte man natürlich eine Aufrechnung hinbekommen. Aber der Artikel liest sich irgendwie anders. Die Haftungsfrage scheint da gar nicht angesprochen worden zu sein. Kann mir jemand auf die Sprünge helfen?

  2. 2
    Georg Summerer says:

    Ein Beispiel für die Verlotterung unseres „Rechts“-Systems. Ein solch geldgieriger Anwalt sollte sofort wegen Mißbrauch des Gerichtes verurteilt werden. Wegen der Kopierkosten von EUR 159 verursacht er einen Schaden von EUR 10668,- (lt. SZ) – einen Schaden, den ich als Rechtsschutz-Versicherter mittragen muß. Kein Wunder, daß Anwälte allmählich einen Ruf haben, der noch hinter dem der Banker kommt. Was sagt dazu die Anwaltskammer?

  3. 3

    @ Georg Summerer:
    Sie differenzieren aber schon zwischen Zivilrechtsanwälten und Strafverteidigern? 8-)

  4. 4
    Dank says:

    Die Rechtsschutzversicherung kündigt nach dem Fall vermutlich sofort den Vertrag mit dem Kunden.

  5. 5
    Carlo says:

    Es sollte doch eigentlich klar sein, dass es so, wie der Journalist von der SZ es verstanden hat, jedenfalls nicht gewesen sein kann.

    Der Streitwert wird nicht vom Kläger bzw. seinem Anwalt festgesetzt, sondern von Amts wegen durch das Gericht, und wenn nur um 160 Euro gestritten wird, dann beträgt er eben auch nur 160 Euro, und nur daraus berechnen sich auch alle Kosten und Gebühren.

  6. 6
    Das Ich says:

    Was regt ihr euch so auf? Der Looser zahlt doch alles…und wenn Das Krankenhaus verliert? Dann springt doch so oderr so die Haftpflich vom Arzt ein.
    …und wenn das KH die Akten nicht rausgeben will, dann fällt doch dem Jurist sicher etwas besseres ein.
    Man kann die ja mit Anzeigen jeglicher Art überhäufen. Die Abmahnanwälte finden doch auch immer wieder einen Weg…was ist los liebe Strafrechtler? Zu faul???

  7. 7
    skugga says:

    @ Carlo: Jein. Der vorläufige Streitwert wird erstmal in der Klageschrift durch den Kläger angegeben. Und wenn man da nicht völlig blöd argumentiert, dann gehts da eben nicht um die Kopierkosten, sondern um den Schaden, den der Mandant dadurch erleidet, dass er nicht an die Akte kommt. Da wären wir dann wieder bei besagten 100.000 €. Und die Zuständigkeit des AG entfiele ebenfalls, was die Chance auf nicht nur mißmutige und halbherzige Verfahren richterseits durchaus erhöht.

    Ob das Gericht dann am End‘ den Streitwert ganz anders festsetzt, steht auf einem anderen Blatt.

  8. 8

    […] unwilligen Ärzten, die Krankenakten vor den Patienten hüten wie ihren Augapfel, in ihrem Blog als “grundsätzlich nicht schlechte Idee” durchgehen.  Hinsichtlich der Behandlungsunterlagen kann ich den Ärger verstehen. Dieses Mittel […]

  9. 9
    Benjamin says:

    Tsja, irgend etwas scheint da wohl schief gelaufen zu sein in der Recherchearbeit der sueddeutschen.