Keine Menschenrechte bei der taz

Das Landgericht Berlin verurteilte heute Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth zu vierzehn Monaten Freiheitsstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden. Der Vorwurf lautete Betrug. Geschädigte soll die linke Tageszeitung taz gewesen sein. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Gleichwohl will der Autor eines Artikel in der taz, Herr Mathias Broekers, den Verurteilten unmittelbar nach der Verkündung des Urteils wohl am liebsten sofort in ein Zuchthaus gesteckt wissen:

Zur Überraschung der Prozessbeobachter wurde er im Sitzungssaal nicht verhaftet.

schreibt der mit gesundem Volksempfindung offenbar gut ausgestattete taz-Schreiberling am Schluß seines stimmungsvollen Prozeßberichts.

Es gibt eine ganz vernünftige Regel unter Rechtsanwälten, ganz besonders bei Strafverteidigern: In eigenen Angelegenheit sollte ein Jurist nicht sein eigener Anwalt sein: Wer als Anwalt sich selbst vertritt, hat einen Narren zum Mandanten und einen Dilettanten als Vertreter.

Auf den vorliegenden Fall übertragen heißt das: Dieser taz-Schreiber hätte gut daran getan, einem Kollegen vom Tagesspiegel, der Morgenpost oder eines anderen Blatts die Berichterstattung zu überlassen. Dilettanten und Narren gibt es also nicht unter Juristen.

Das, was in der taz zu lesen ist, ist nicht nur handwerklich schlecht erarbeiteter Mist. Darüber hinaus setzt sich das linke (!) Blatt über Rechte hinweg, die die Europäische Menschenrechtskonvention auch für einen Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth formuliert.

Liebe taz-Redakteure: Moral ist etwas ganz Wichtiges, nicht? Das braucht Ihr gleich doppelt!

PS:
Wie gut informierte Kreise berichteten, soll Herr von Gravenreuth sich in der ersten Instanz (teilweise) selbst verteidigt haben.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

20 Antworten auf Keine Menschenrechte bei der taz

  1. 1
    RA JM says:

    „(teilweise) selbst verteidigt“ – und wer war der andere Teil? Günter Dörr?

  2. 2
    Das Ich says:

    Ich kann den Schreiber und dessen Volksempfinden durchaus verstehen…wenn man sich mal ein wenig über den Freiherrn (geboren Günter Werner Dörr) informiert hat.
    Allerdings gehört ein gewisser Abstand zu dem Geschehen zum journalistischen Handwerkszeug…und das hat er missachtet.
    Ein wenig Googeln, und er wüsste warum der Günter nicht sofort verhaftet wurde etc.

    Das Urteil war meines Erachtens langsam aber sicher nötig!!! Ich verfolge die „Machenschaften“ schon etwas länger.

    @ Hoenig: Was kann er jetzt noch tun? Bis wohin kann er das strecken? Instanzen? Jahre?

    Viele Grüsse,
    Das Ich

  3. 3
    juralaie says:

    An dem Artikel finde ich nichts auszusetzen, was ein solches Echauffieren lohnen würde. Der Autor heisst übrigens Bröckers, nicht Broekers…
    Und was den letzten Satz angeht, der hier Ihren speziellen Unmut auf sich gezogen hat: Sehr sehr viele Menschen aus möchten Herrn Gravenreuth seit Jahren gerne hinter schwedischen Gardinen sehen, auch wenn das juristisch vielleicht böse sein mag, denn in ihren Augen handelte Herr Gravenreuth seit Jahren rechtsmissbräuchlich, wenngleich vielleicht juristisch korrekt. Es ist vermutlich sogar unter Juristen unumstritten dass gedrucktes Recht, gesprochenes Recht und Gerechtigkeit nicht notwenigerweise identisch sein müssen. Gesundes Volksempfinden ist da doch eher etwas anderes, ausgesprochen negativ Belegtes. Einen gewisse Schadenfreude gegenüber dem Verurteilten kommt in diesem Fall doch auf, denn wer anderen eine Grube gräbt und dann (endlich mal) selbst reinfällt…

    „Prozessboebachter“ ist nun kein geschützter Begriff. Eine juristische Ausbildung ist nicht gefordert dafür. Auch Herr Bröckers ist ein solcher Prozessbeobachter, der er war offenbar da und hat den Prozess beobachtet (im Gegensatz zu mir z.B.). Und wenn er sich wundert, dass der Herr G. nicht noch im in Gerichtssaal verhaftet wird, dann ist der letzte Satz im Artikel korrekt, denn dann wundert sich ein Prozessbeobachter. Da es in dem Prozess um eine bekannte und hinreichend umstrittene Person ging waren wahrscheinlich noch mehr juristische Laien da und haben sich gewundert um nicht zu sagen fanden sich vielleicht um einen Teil der Show betrogen. Ganz politisch und juristisch unkorrekt. So sind sie, die Leute.

    Wäre die taz ein Blog hätte der Herr Bröckers einfach einen Smilie hinter seinen Satz gemacht und auch die Juristen hätten ihren Ironiedetektor feinjustieren können. Ist sie aber nicht und hat er auch nicht, so muss jeder selbst auf seinen Detektor achten…

  4. 4
    Referendar says:

    @ Ich

    Revision binnen 7 Tage beim KG einlegen, dann ab Urteilszustellung nochmal 1 Monat zur Begründung, dann wird die Revision entscheiden.

    Allerdings sind die erfolgreichen anwaltlichen Revisionen doch eher selten.

    Aber eine Revisionsverhandlung in diesem Jahr wäre eher unwahrscheinlich. Aber wie fix die Berliner Justiz ist, weiß ich nicht.

  5. 5
    Axel John says:

    Lieber Herr Hoenig,
    offensichtlich haben Sie keinerlei Kenntnis über das langjährige Treiben und Wirken des G. und welches unendliche Leid er über so viele anständige Menschen gebracht hat.

    Wenn doch: Hurra, es lebe der Corpsgeist.

    Lieber Herr John, kann es sein, daß Sie ein Schwätzer sind? crh

  6. 6
    wstell says:

    Ich finde den letzten Satz in dem taz-Artikel zwar auch nicht besonders passend, aber dieser Beitrag von Herrn Hoenig ist doch um ein Vielfaches unpassender. Ob allerdings die sich z.Zt. zu diesem Ereignis häufenden Kommentare im Blog von Udo Vetter der Gipfel des guten Geschmacks sind, weiß ich auch nicht so genau. Eine gewissen Häme ist jedoch hier mehr als verständlich.

  7. 7
    Frieder says:

    Wir freuen uns alle zu hören, dass Rechtsanwalt Hoenig in Zukunft nicht mehr über eigene Fälle bloggen wird.

  8. 8
    corax says:

    @ Frieder,

    was sind wir denn von Beruf?
    Krankenschwester oder König?

  9. 9
    Kampfschmuser says:

    Ich gönne es ihm und hoffe, dass das Kammergericht nicht lange mich sich spielen lässt und Herr Günter Freiherr von Gravenreuth nun eine Ausbildung als Knastologe bekommt und seine Zulassung verliert.

    Wer fleissig im Leben austeilt, muss sich über eine dicke Quittung nicht wundern.

    Ein Hoch auf das LG Berlin, was heute einen fetten Pluspunkt gesammelt hat.

    Und auch ein Dankeschön an die taz, die sich hier nicht hat einlullen lassen.

  10. 10

    Hallo,

    das letzte mal als ich mit diesem Herren etwas zu tun hatte, entrann meinem Damals[tm] jugendlichem Ungestüm ein Spruch in dieser Art:

    „Ich würde mich ja gerne geistig mit Ihnen Duellieren, aber ich sehe Sie sind unbewaffnet!“

    Kaum auszudenken wie peinlich das geworden wäre, wenn wir verloren hätten…

    Diesen Herrn sollte man auf gar keinen Fall unterschätzen! Aktuell würde ich nicht einen Euro darauf verwetten, dass er jemals unter Zwang eine Zelle von „Innen“ sehen wird. Jemand anderes hat es mal so formuliert:

    „Es gibt Leute die haben derart viele Leichen im Keller, die kann man gar nicht in den Knast schicken. In deren Abwesenheit könnte jemand diese Leichen finden…“

    Mal schauen was unser „Rechtsstaat“ noch für Überraschungen bereit hält :-)

    Gruß

  11. 11
    Advokat says:

    Viel wichtiger als die Haft sehe ich die Notwendigkeit, dieser Person die Anwaltszulassung zu entziehen, damit er in der Zeit bis zum Haftantritt nicht noch mehr Unsinn machen kann.

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26214/1.html

  12. 12
    BV says:

    @Axel John:

    Genau das ist es doch, was Herr Hoenig meint: „Sie scheinen G. nicht zu kennen, denn sonst würden Sie nicht so schreiben.“ Doch, würde er – zu Recht.

    Es wäre zu schön, wenn sich gerade Journalisten einmal mit dem Unterschied von U-Haft und Strafhaft beschäftigen würden und ganz besonders mit dem Sinn und Zweck von U-Haft. Mit dem Leid der Vergangenheit und den vielen Opfern hat das alles nämlich 0,00 % zu tun. Die Strafe dafür kommt – nur noch nicht jetzt sofort.

  13. 13
    MaxR says:

    So, wie Sie zitieren, beschrieb der Autor des Artikels wohl nicht SEIN Rechtsempfinden, sondern das der Prozeßbeobachter.

    Und bei mindestens einem, der sehr öffentlich ist, denke ich, daß der Autor den richtigen Eindruck hatte.

    Das ist journalistischer Sprachgebrauch – der Autor war/ist der Prozeßbeobchter, der (auch) sich selbst beobachtet und darüber berichtet. crh

  14. 14
    Malte S. says:

    Wenn doch: Hurra, es lebe der Corpsgeist.

    Schon mal was von Gleichbehandlung und Rechtsstaatsgebot gehört? Der (Straf)Haftantritt erfolgt erst, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Das ist bei jedem so und daher auch bei GvG.

    Und gerade als Strafverteidiger dürfte man noch mehr auf Vorverurteilungen oder angeblichen Gerechtigkeitsforderungen sensibilisiert sein – wenn man da derartige Artikel ließt, kann man schon das Kotzen bekommen.

    Und das unabhängig davon, ob man GvG kannte, ihn mochte oder ihm die Pest an den Hals wünschte. Nennt sich dann im Zweifelsfall professionelle Distanz.

  15. 15

    @Kampfschmuser & Advokat: Warum das mit dem Widerruf der Anwaltszulassung (voraussichtlich)
    nichts werden wird.

  16. 16
    Advokat says:

    @ Dominik Boecker

    ich fürchte auch. Jemand der nach eigenen Aussagen eine Anwalts-Schlampe ist, dürft zwar den Vorraussetzungen dieses Berufsstandes nicht genügen, aber das Krähenprinzip greift hier trotzdem.

  17. 17
    Kand.in.Sky says:

    ich wollte schon Hoenig recht geben doch nach dem studieren des Artikels kann ich die geschilderte Überraschung der Prozessbeobachter sehr gut nachvollziehen, zumal sonst keine „hetzerischen“ Tendenzen im Artikel herauszulesen sind (es sei man will unbedingt).

    Frage: Wenn der Autor, Mathias Broeckers, über Schnee berichtet, ist die taz dann pro-Wintersport?

    #k.

  18. 18

    @Kand.in.Sky:
    Die Beobachter, über die Mathias Broeckers schreibt, sind er (teilweise) selbst.

  19. 19
    Axel John says:

    @ Dominik Boecker: Warum das mit dem Widerruf der Anwaltszulassung (voraussichtlich) nichts werden wird.
    Mit anderen Worten, niemand ist so verkommen, dass er nicht noch als Organ der Rechtspflege taugt.
    Aber über den miesen Ruf der Anwälte jammern…

  20. 20

    @ Axel John:
    Kennen Sie Dieter Nuhr? Keine Ahnung?