Korruptionsregistergesetz – Ciao Unschuldsvermutung

Der Kollege Andreas Jede wies mich auf eine interessante Berliner Vorschrift hin, das

Gesetz zur Einrichtung und Führung eines Registers über korruptionsauffällige Unternehmen in Berlin (Korruptionsregistergesetz – KRG)

Eine spannende Vorschrift, die man sich einmal genauer anschauen sollte:

§ 3 zum Beispiel enthält einen Katalog von Taten, die nicht nur Korruptionsstraftaten im klassischen Sinne sind, sondern auch solche Vergehen wie Steuerhinterziehung, Untreue, Schwarzabeit, Vorenthalten von Arbeitsentgelt und ungenehmigte Beschäftigung von Ausländern etc.

Nunja, man könnte meinen, was geht mich das an?! Ich hinterziehe keine Steuern und beschäftige nicht schwarz eine Putzfrau aus Osteuropa. Und überhaupt: Solange ich mich nicht daneben benehme und ich nicht von einem unabhängigen Gericht rechtskräftig verurteilt werde, streitet für mich doch die Unschuldsvermutung:

Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.

Das ist der Artikel 11 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948. Das findet man nun auch noch im Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK):

Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

Knackig in diesem Zusammenhang auf den Punkt gebracht heißt das: Ohne Urteil kein Eintrag ins Korruptionsregister. Also, was soll die Aufregung?

Tja, das sieht der Berliner Gesetzgeber ganz anders. § 3 Absatz 2 KRG lautet:

Der für die Eintragung erforderliche Nachweis des jeweiligen Rechtsverstoßes
gilt als erbracht, wenn
1. eine rechtskräftige Verurteilung in einem Strafverfahren vorliegt,
2. ein bestandskräftiger Bußgeldbescheid in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren vorliegt,

Soweit würde ich ja noch mitgehen. Rechtskraft und Bestandskraft sind nunmal die Kriterien, an denen sich die Unschuldsvermutung orientiert. Nun aber kommt der dicke Hund:

3. eine endgültige Einstellung gemäß § 153 a der Strafprozessordnung vorliegt

Ja-nee, ist klar. So eine Einstellung gegen Erfüllung einer Auflage – wenn einer schon Auflagen freiwillig erfüllt, dann muß er ja Dreck am Stecken haben. Sonst würde er ja nicht zahlen. So denkt sich das das (juristisch) ungebildete Volk. Aber der Gesetzgeber??

Der kann’s noch besser:

4. unter Berücksichtigung aller Umstände keine vernünftigen Zweifel mehr daran bestehen, dass eine Tat nach Absatz 1 begangen wurde.

Aha, keine vernünftigen Zweifel. Was ist denn vernünftig? Für wen und aus welcher Perspektive? Wer soll die Zweifel nicht haben? Welche Umstände nach welchen Kriterien sollen Berücksichtigung finden. Der dicke Daumen des Regierenden oder des Kontaktbereichsbeamten aus Pankow mit seinen 40 Jahren Berufserfahrung?

Von wann das Gesetz ist? Vom 19. April 2006. Wer hatte die Mehrheit hier im Abgeordnetenhaus, unser Berliner Gesetzgebungsorgan? Nein, die Rechten waren an der Regierungskoalition in der 15. Wahlperiode nicht mehr beteiligt. Das ist rein linke Politik, die hier unseren Rechtsstaat wieder ein Stück weit schlachtet.

Dieser Beitrag wurde unter Philosophisches, Politisches veröffentlicht.

10 Antworten auf Korruptionsregistergesetz – Ciao Unschuldsvermutung

  1. 1
    Carlo says:

    Verstehen wir Sie richtig, dass Leute, bei denen „kein vernünftiger Zweifel“ daran besteht, dass sie sich z.B. der Bestechung schuldig gemacht haben, bis zur Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung (was ja schonmal ein paar Jahre dauern kann) weiterhin öffentliche Aufträge bekommen sollen?

    (Nebenbei: Dass die Unschuldsvermutung auch nachteilige Rechtsfolgen jenseits von Strafe und Schuldfeststellung verbietet, ist vielleicht Ihre Privatmeinung, findet aber in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte incl. BVerfG keine Stütze.)

  2. 2

    @ Carlo:

    Es ist eine Frage der Abwägung zwischen unterschiedlichen Intentionen. Für die einen ist das eine wichtiger und für die anderen eben das andere. Wenn man die Geschichte, den Hintergrund und die Entwicklung unseres Grundgesetzes im Blick behält, könnte die Entscheidung recht leicht fallen. Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

    Selbstverständlich äußere ich hier meine Privatmeinung. Für die Präsentation des main streams sollen andere sorgen.

    Zu meiner Freiheit gehört eben auch, daß ich manche Ansichten der herrschenden Meinung schlicht für falsch und gefährlich halte.

  3. 3
    Malte S. says:

    Der Zweck des Gesetzes richtet sich ja auf die Zuverlässigkeitsprüfung bei Ausschreibungen und Genehmigungen, z.B. nach GewO, GastG u.ä.
    Und das sind ja auch die Kriterien, die man während des Studiums lernt für eine nicht zu gebende bzw. zu entziehende Genehmigung lernt.
    Aus Effizienzgesichtspunkten sicherlich lohnenswert. Allerdings haben „wir“ aktuell einen starken aktuell einen mE viel zu starken Drang dazu, alle Daten zu zentralisieren. Und aus diesem Gesichtspunkt ist das Register kritisch zu betrachten.
    Hinsichtlich der Unschuldsvermutung greift hier wohl die Ansicht, dass diese nur im Strafrecht, nicht aber im Gefahrenabwehrrecht gilt. Dies ist meines Erachtens nach sehr fragwürdig.

  4. 4
    RA Jede says:

    Hallo, sind noch alle wach?
    Sind wir die einzigen Rufer in der Wüste? Ich kann noch nichteinmal nachvollziehen, wie man ein solches Gesetz auch nur andenken, geschweige denn verabschieden oder gar verteidigen kann:

    Da wird in Berlin ein zentrales Register über Straftaten geführt, dessen Eintragungsschwellen deutlich unter denen des Bundeszentralregisters liegen. Hat da keiner Bedenken?

    Nebenbei bemerkt, ist das Gesetz nicht auf Berlin beschränkt. Ich würde zu gerne wissen, wie die Staatsanwaltschaft in Leipzig reagiert, wenn sie aufgefordert wird die Daten nach Berlin zu liefern.

    § 3 Eintragungsvoraussetzungen
    (1) In das Korruptionsregister sind beim Nachweis korruptionsrelevanter
    oder sonstiger Rechtsverstöße im Geschäftsverkehr oder mit Bezug zum Geschäftsverkehr,namentlich vor dem Hintergrund von Schwarzarbeit und illegaler
    Beschäftigung, Steuerunehrlichkeit, wettbewerbswidriger Absprachen und sonstiger Verstöße, die den freien Wettbewerb unterlaufen, Eintragungen vorzunehmen. Einzutragen sind insbesondereVerstöße gegen folgende Rechtsvorschriften:

    Mal wieder ganz unjuristisch argumentiert: Bin ich wieder einmal der Einzige, der da alles reinliest, was er reinlesen will? Betreibt denn keiner mehr die Wortauslegung, alles schon gleich wieder im Studium vergessen?

    Oder juristisch: Genügt das dem Bestimmheitsgebot?

    Der Katalog ist nicht abschließend. Wollen wir ‚mal gemeinsam sammeln, welche Rechtsverstöße uns so einfallen, für die ein durchschnitllich gebildeter Jurist nicht einen

    Bezug zum Geschäftsverkehr

    herstellen kann?

    Gegen A wird ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung geführt. Er hat jahrelang das Klopapier seines Unternehmens nach Hause genommen und sich so steuerlich begünstigt zu Hause den Allerwertesten abgewischt. Das Verfahren endet mit einem Bußgeldbescheid oder einer Einstellung nach § 153a StPO (das ist eine Vorschrift zur Verfahrensbeendigung bei Bagatellkriminalität). Nun wird er in das Korruptionsregister eingetragen. Könnte natürlich sein, daß er schon vorhe eingetragen wird, wenn – wer sagt das Gesetz nicht –

    unter Berücksichtigung aller Umstände keine vernünftigen Zweifel mehr daran bestehen, dass eine Tat nach Absatz 1 begangen wurde.

    Es wird aber noch besser: Beim Register muß bei einer geplanten Vergabe mit einem Wert ab 15T€ darunter kann abgefragt werden.

    Und wer darf abfragen? Man reibt sich verträumt die Augen:

    § 7 Weitere Auskünfte
    Die Informationsstelle erteilt auf Antrag Auskunft über Eintragungen im
    Korruptionsregister an:
    1. die mit Vergabeentscheidungen befassten öffentlichen Stellen des Bundes
    und der Länder,
    2. die mit der Nachprüfung von Vergabeentscheidungen befassten Vergabekammern,
    3. die mit der Entscheidung über Vergaben befassten Gerichte,
    4. die Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Verfolgung von Straftaten und
    Ordnungswidrigkeiten,
    5. die mit der Verhütung und Verfolgung von Wirtschaftskriminalität befassten
    Polizeidienststellen.

    Die Auskunftsmöglichkeiten aus den Zentralregistern sind durch Bundesgesetz ziemlich stark beschränkt. Allein der Aufwand für Abfragen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften ist nicht unerhebblich. Und nun darf jede Polizeidienststelle das Register abfragen. Es gibt etliche Bereiche in Deutschland, in denen die Verhütung und Verfolgung von Wirtschaftskriminalität nicht durch spezialisierte Dienststellen erfolgt, sondern durch die örtliche Dienststelle.

    Bin ich froh, daß ich zu faul bin, das Klopapier vom Büro nach Hause zu tragen.

  5. 5
    doppelfish says:

    Wie wär’s mit einem Register unfähiger Politiker? Eintragung „wenn vernünftige Zweifel an ihrer Eignung für’s Amt vorliegen“? Dann könnte man jetzt den Senat en bloc eintragen, und die Liste öffentlich aushängen. Und, klar, das passive Wahlrecht ist dann erstmal weg.

  6. 6
    Malte S. says:

    Ich versuche mal, das Gesetz zu verteidigen – ohne selbst dahinter zu stehen -:
    * Im Rahmen von Vergabeentscheidungen ist zwingendes Kriterium die Zuverlässigkeit des potentiellen Auftragnehmers. Diese Zuverlässigkeit wird anhand einer Prognoseentscheidung für die Zukunft anhand bekannter Tatsachen ermittelt.
    * Auch bei Straftaten ist nicht auf die Verurteilung, sondern die das Urteil tragenden Tatsachen abzustellen (soweit nicht ausdrücklich anders angeordnet).
    * Auch Tatsachen, die nicht zu einer Verurteilung geführt haben / führen werden, sind in die Prognose einzubeziehen (hM: kein Verstoß gg Unschuldsvermutung; aA: sehr bedenklich wg. Unschuldsvermutung).
    * Der „Bezug zum Geschäftsverkehr“ ist dagegen mE ein einschränkendes Kriterium. Damit werden nämlich solche „Taten“ herausgenommen, die wirklich in keinen Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr stehen. Ich habe dieses Kriterium auch bei der Standardprüfung bzgl. Gewerbegenehmigungen und Versagensgründe gelernt. An irgendwas müssen die Kriterien, die in die Prognose einzustellen sind, ja festgemacht werden.
    ——-
    * Jedenfalls aber sind nur Tatsachen einzubeziehen, nicht aber Vermutungen.
    * Besteht zwar „kein vernünftiger Zweifel“ (was auch immer das sein soll) an dem Begehen einer Tat, obwohl nicht ausreichend oder gar keine Tatsachen bekannt sind, kann diese Vermutung auch nicht in die Prognose eingestellt werden.
    * Dennoch kann nach diesem Gesetz eine Eintragung auch ohne derartige Tatsachen erfolgen.
    * Auch die Zentralisierung derartiger Auskünfte stellt ein gewaltiges Problem dar. Insbesondere, wenn man die Verknüpfung von diversen Registern in der letzten Zeit bedenkt.
    * Interessant ist dabei auch, dass die europäischen Vergabekriterien einen Ausschluss wohl nur aufgrund eines rechtskräftigen straf- oder gewerberechtlichen Urteils vorsehen. Das Berliner Gesetz geht dabei wohl weit darüber hinaus.
    ——-
    Nur eines verstehe ich nicht: Warum sollte das – vom Berliner Parlament erlassene und im Berliner Gesetzes- und Verordnungsblatt veröffentlichte – Gesetz auch außerhalb Berlins Wirkung entfalten können?

  7. 7
    RA Jede says:

    @Malte S.:

    Nur eines verstehe ich nicht: Warum sollte das – vom Berliner Parlament erlassene und im Berliner Gesetzes- und Verordnungsblatt veröffentlichte – Gesetz auch außerhalb Berlins Wirkung entfalten können?

    Die Frage treibt mich auch um. Jedenfalls gewährt das Berliner Gesetz Auskunftsrechte Behörden des Bundes und anderer Länder und Gemeinden expressis verbis.

    Im Gesetz ist keine Beschränkung auf Berliner Stellen formuliert. Sie meinen, wenn man einem Gesetz nicht ansieht, wer Normadressat ist, hat sofort die Auslegung zu erfolgen, beispielsweise durch Hilfsüberlegungen, welche Legislative es denn war, in welchem Verkündungsblatt es veröffentlicht wurde? Ich habe eher den Eindruck, der Gesetzgeber war der Meinung, er mache hier Bundesrecht.

    Ist denn das Register mit Bundesrecht vereinbar?

    Ich sehe auch keine Gründe der Gefahrenabwehr. Welche Gefahr? Die Gefahr jemandem einen Auftag über 16T@ zu erteilen, der eine Putzfrau schwarz beschäftigt hat?

    Und warum bitteschön die Auskunft an Strafverfolgungsbehörden? Die sollen die Daten einstellen und erhalten dann als Gegenleistung eine Sammlung, die sie wahrscheinlich nach eigenem Recht nicht schaffen dürften?

    Dieses ganze Gesetz ist an kaum einer Stelle sauber formuliert. Als Jurist stolpere ich schon bei der Feststellung, daß als Anknüpfungspunkt nicht die rechtswidrige Tat gewählt wird, sondern die Rechtswidrigkeit unter den Tisch fällt. Ob das wohl was zu bedeuten hat? Sollen wirklich nicht rechtswidrige Taten auch im Register erfaßt werden? Ich habe den Eindruck, die können noch nichtmal aus ordentlichen Gesetzen abschreiben. Sind wahrscheinlich Nutznießer des Bärlina Schulsüsthems.

  8. 8
    Malte S. says:

    Ich frage mich gerade, ob Berlin überhaupt die Kompetenz für das Gesetz hatte. Denn sowohl Gewerbeordnung wie auch Vergaberecht (in Form des GWB) unterliegen grundsätzlich der auch in Anspruch genommenen, konkurrierenden Gesetzgebung.
    Soweit aber eine solche Kompetenz besteht (sonst ist es schlicht nicht wirksam), kann das Gesetz nur in Berlin gelten, da die Berliner Legislative keine Gesetze für andere Bundesländer oder gar den Bund beschließen kann.

    Als Jurist stolpere ich schon bei der Feststellung, daß als Anknüpfungspunkt nicht die rechtswidrige Tat gewählt wird, sondern die Rechtswidrigkeit unter den Tisch fällt.

    Das ist tatsächlich bedenklich. Zwar sollen auch Tatsachen eingestellt werden, die nicht durch ein Strafurteil festgestellt wurden, aber diese in das Register aufzunehmen ist eine andere Kategorie.

    Sind wahrscheinlich Nutznießer des Berliner Schulsystems.

    Nichts gegen Berliner Schulen! *ironie*Ich hab erfolgreich gelernt, wie man Arbeit vermeidet und seine Fäuste einsetzt ;)*ironie off*

  9. 9
    RA Jede says:

    @Malte S:

    is ja witzig. Fällt Ihnen ein Unterschied auf?:

    Sind wahrscheinlich Nutznießer des Bärlina Schulsüsthems.

    Sind wahrscheinlich Nutznießer des Berliner Schulsystems.

    Da hat das Schulsytem an Ihnen versagt. Sie schaffen es einfach nicht, Buchstaben in dieser Reihenfolge einzutippen! Vielleicht genetisch bedingt; Beweis für die neuerdings diskutierte genetische Determination der Erfahrungen früherer Generationen :-)

  10. 10
    Malte S. says:

    Hab ich das wirklich unterbewußt korrigiert? Interessant….