Mit dem Treten begonnen

In dem Protokoll der polizeilichen Vernehmung des Zeugen, dessen Muttersprache nicht die deutsche ist und der erkennbar nicht fehlerfrei Deutsch spricht, heißt es: Der Täter hat damit begonnen, den am Boden liegenden (bereits lebensgefährlich von einem anderen verletzten) Geschädigten zu treten.

Das reichte der Staatsanwaltschaft für die Anklage des Täters. Wegen Körperverletzung. Vor der großen Strafkammer des Landgerichts.

Bereits nach den ersten paar Sätzen in der gerichtlichen Vernehmung desselben Zeugen stellt sich heraus, daß der Täter gar nicht getreten hat, sondern der Zeuge den Eindruck gewonnen hatte, der Täter wolle gleich lostreten. Eine Bewegung mit dem Bein oder dem Fuß des „Täters“ habe er nicht gesehen. Aber habe den Eindruck gehabt, als wenn es gleich losginge mit den Tritten …

Der Verteidiger führte zutreffend aus, daß der Anklagevorwurf also nicht zutreffe. Der Staatsanwalt hielt aber daran fest und räumte nach einiger Diskussion widerwillig ein, es sei aber zumindest eine versuchte Körperverletzung. Wenn der „Täter“ einräume, daß er versucht habe, den Geschädigten zu treten, könne man über die Einstellung des Verfahrens einmal nachdenken.

Ich meine, wenn man Fehler macht (und die machen wir alle ‚mal), sollte man sich dazu bekennen. Und nicht auf Biegen und Brechen sowie auf Kosten anderer versuchen, eine einmal vorgefaßte Ansicht als unumstößlich und richtig durchzusetzen. Hoffentlich bleiben der Verteidiger und sein Mandant standhaft und setzen den Freispruch durch.

Anmerkung: Ich vertrete den Geschädigten.

Dieser Beitrag wurde unter Polizei, Staatsanwaltschaft, Strafrecht, Verteidigung veröffentlicht.

2 Antworten auf Mit dem Treten begonnen

  1. 1
    barb says:

    Na ja, der Zeuge sagte schon (wenn auch in leicht strauchelndem Deutsch), dass der hier Angeklagte zum Tritt ausgeholt hatte. Deswegen schubste der Zeuge ihn vom Opfer weg – was ja auch Sinn macht. (Warum soll er einen tatenlos Herumstehenden wegschubsen?)

  2. 2

    […] Am ersten Prozeßtag hatte der Angeklagte das Wort, der Geschädigte wird am kommenden Mittwoch seine Sicht der Dinge schildern. Ich hoffe, daß die Staatsanwaltschaft wenigstens an dieser Stelle des Verfahrens sauber arbeitet. In Bezug auf den Mitangeklagten war deren Vorstellung mehr als dürftig. […]