Nicht damit gerechnet

Der Mandant wollte seiner Tochter etwas Gutes tun. Es fehlte aber das Geld. Deshalb ging er ohne solches in ein Kaufhaus, schaute sich ein Kleidchen für das Kind an und entfernte das (sichtbare) Sicherungsetikett. Trotzdem schlug die Diebstahlswarnanlage am Ausgang lautstark an. Es gab eine für ihn unsichtbare zweite Sicherung. Das war das erste, womit er nicht gerechnet hatte.

Überrascht suchte er das Weite, aber der Kaufhaus-Detektiv war schneller. Und besser trainiert. Bei dem nachfolgenden Gerangel hatte er trotz heftiger Bemühungen keine Chance.

Der Haftrichter erklärte ihm dann später den Tatvorwurf. Räuberischer Diebstahl. Aber kein einfacher, sondern ein besonders schwerer Fall. Weil der Mandant ein Taschenmesser in der Hosentasche bei sich geführt hat. Als der Richter ihm dann auszugsweise den § 250 Abs. 1 StGB vorlaß, wurde ihm schwindelig – wegen des Taschenmessers könnte das heißen: Mindestfreiheitsstrafe 3 Jahre! Auch damit hatte er nicht gerechnet.

Ich hoffe, es wird mir gelingen, das Gericht davon zu überzeugen, daß hier nur ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB vorliegt. Das gibt dann „nur“ mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe – für ein Kleid im Wert von 49 Euro.

Liebe Ladendiebe: Laßt Eure Taschenmesser zuhause, wenn Ihr klauen geht. Und wenn Ihr dabei erwischt werden, gebt Euch gewaltfrei geschlagen. Er lohnt nicht, für ein bisschen Stehlgut ein paar Jahre aus dem Blechnapf zu frühstücken.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

9 Antworten auf Nicht damit gerechnet

  1. 1
    Malte S. says:

    Wie blöd kann man sein, beim Diebstahl in einem Kaufhaus nicht zu wissen, dass man die Alarmdinger am Ausgang ziemlich einfach deaktivieren kann (alles in Einvernehmen mit den Inhabern getestet)? Durch den Detektiv erwischen lassen ist ja in Ordnung, aber durch die doofen Alarmgeräte?

  2. 2
    RA Anders says:

    Die Entscheidung BGH 3 StR 246/07 – Beschluss vom 3. Juni 2008 (OLG Celle) ist Ihnen wahrscheinlich bekannt.
    Insbesondere die Argumentation des OLG Celle bietet ja einige Ansatzpunkte für den minder schweren Fall.

  3. 3
    AlterEgo says:

    Tja, wars denn zweifelsfrei ein Raub? Flucht aus solche ist ja keine Gewalt, eher das Gegenteil. Das ist doch eher die Schraube, um § 250 I zu vermeiden.

    Ansonsten hört sich der Weg über § 250 III ganz vernünftig an, obwohl es für einen geplanten Diebstahl ein ganz schön dickes Ende wäre.

  4. 4
    doppelfish says:

    Aha, „in der Tasche gehabt“ ist gleich „geführt“.

  5. 5
    icke says:

    mhh „bei sich führen“ kann fast alles bedeuten. Zumindest wenn man die Formulierung als Nichtjurist liest.
    Schon heftig

    Was die Gerichte darunter verstehen, können Sie unter dem Link von RA Anders (Kommentar Nr. 02) nachlesen. Es geht um die abstrakte Gefährlichkeit. crh

  6. 6
    BV says:

    @ AlterEgo:

    Es geht doch gar nicht um Raub, sondern um räuberischen Diebstahl.

  7. 7
    Black says:

    Klauen ist eins, doch hast du nicht auch eins in der tasche.
    Ich habe eins und habe es für obst dabei.:-)

  8. 8

    @ BV:
    Worin besteht der Unterschied zwischen Raub und räuberischen Diebstahl? Für den Angeklagten / Verurteilten, wohlgemerkt? Der pellt sich doch ein Ei auf die akademische Haarspalterei.

    Soll ich extra für Sie die gesamte Paragraphenkette hier in dem Blog veröffentlichen, das sich an juristische Laien richtet? Aber vielleicht versuchen Sie es selbst einmal, dann reden wir gern weiter.

  9. 9