Nicht immer nur ich …

… schimpfe über unsinnige Strafverfahren in Moabit. Die Berliner Morgenpost hat einen spannenden Fall entdeckt: Es geht um

eine Aktion der Umweltschutzorganisation „Robin Wood“ am 18. Januar 2007 vor dem Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Der Energiekonzern Vattenfall lud dort zu einem Kongress. Und weil Vattenfall nach Meinung von „Robin Wood“ noch immer Braunkohle abbaut und verheizt, gab es eine Gegenaktion. „Umweltaktivisten“ kletterten vor dem Schauspielhaus auf drei Fahnenmasten und befestigten ein Transparent mit der Aufschrift: „Vattenfall – Als Klimakiller top, im Umweltschutz ein Flop“. Die Polizei wurde gerufen. Der leitende Beamte einigte sich mit den drei Umweltaktivisten, dass sie noch einige Minuten auf den Masten bleiben und ihr Transparent nach oben halten dürften, anschließend aber brav wieder herunterkommen müssen – was sie dann auch taten.

Der 1. Hauptverhandlungstermin im Dezember endete ohne Ergebnis, weil Zeugen fehlten. Am 23. Mai fand dann ein zweiter Termin statt.

Wieder waren ein Richter, eine Staatsanwältin und eine Protokollantin im Einsatz. Fünf – vom Dienst für diesen Gerichtsauftritt freigestellte – Polizeibeamte und acht weitere Zeugen wurden vernommen.

Fertig? Nein!

Am 6. Juni soll es nun einen weiteren Prozesstag geben. Mit weiteren Zeugen.

Als wenn die Jungs und Mädels in Moabit nichts Besseres zu tun hätten. Da scheint mir wieder mal ein besonders eifriger Staatsanwalt am Werke zu sein, der an einem übermäßigen Verfolgungsdruck leidet. Solche Typen gibt es im Berliner Kriminalgericht häufiger.

Nebenbei: Ich kann mir gut vorstellen, daß das Ganze in einer zweiten Instanz aufgearbeitet wird. Kommt es zum Freispruch, legt die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel ein. Wird die Fahnenstangenkletterin verurteilt, geht sie in die Berufung.

Das würde ich allerdings auch tun. Denn solange sich ein Staatsanwalt mit dieser Sache beschäftigen müssen, kann er an anderer Stelle keinen Unsinn machen. ;-)

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft, Strafrecht veröffentlicht.

7 Antworten auf Nicht immer nur ich …

  1. 1
    Ilu says:

    und wegen was wird da verhandelt?

    Fahnenstangenfriedensbruch?

    Unzulaessige Befestigung einer Fahne an einem Mast nach FsBfeG (Fahnenstangenbefestigungsgesetz)?

    Ach neee, bestimmt wegen Geschaeftsschaedigung und Verleumdung! Die freie Meinungsaeusserung steht ja heutzutage nur noch auf dem Papier (deswegen steht die ganz vorne im GG, wenn man hinten ankommt hat man die dann naemlich schin vergessen beim lesen)…

    ^ Wer Ironie und/oder eine freie Meinung findet darf sie behalten.

  2. 2
    Rotkäppchen says:

    Alles nur wegen Hausfriedensbruch? Da gibts doch normalerweise bei der StA ein Formular mit Privatklageweg und so.

  3. 3

    Mal § 125 StGB lesen könnte eine schlaue Idee sein. :-)

  4. 4

    ich verbeuge mich vor denen, die auf diese idee kamen. sind denn die polizisten, die die verlängerung der angeblichen begehung des straftatbestandes ausdrücklich gestattet und damit erst ermöglicht haben, auch wegen beihilfe angeklagt, oder muss ich mich so tief dann doch nicht verbeugen?

  5. 5
    Gerd says:

    Mal § 26 VersG zu lesen könnte sogar eine richtig schlaue Idee sein.

  6. 6
    doppelfish says:

    Was wäre wohl passiert, wenn die Mastbesteiger ihre Fahne eingepackt hätten, anstatt der polizeilichen Aufforderung zur Fortführung der Aktion Folge zu leisten? Fahnenflucht? Ach nee, das ist was anderes :)

  7. 7
    die nicht Kletternde says:

    Die Anzeige lautete auf Leitung einer nicht angemeldeten Versammlung und wurde nicht etwa gegen eine kletternde Person, sondern gegen eine der Personen am Boden erstattet. Die Staatsanwaltschaft ist gegen den Freispruch zwar erst in Berufung gegangen, hat diese aber nun zurückgezogen und somit ist das Urteil rechtskräftig. In einem weiteren fast identisch gelagerten Fall (ebenfalls die gleiche Person am Boden und Kletternde an Fahnenmasten)hat die Staatsanwaltschaft (natürlich auch der gleiche Staatsanwalt) nach einigem hin und her einer Einstellung zugestimmt.