Prozeßbericht auf Indymedia

In diesem Beitrag hatte ich auf die Suche des Sprengstoff e.V.nach einem Rechtsbeistand hingewiesen. Auf diesen Verein bin ich über Berlin Kriminell aufmerksam geworden; Barbara Keller berichtet dort über eine Strafsache, die gegen den Präsidenten dieses Vereins geführt wird. Wegen

wegen Waffenbesitz, wegen Verstoss gegen das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe und wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Er selbst veröffentlicht seinen Prozeßbericht vom ersten und zweiten Verhandlungstag auf Indymedia. Ich bedauere mittlerweile die Frau Kollegin, die dem Präsidenten als Pflichtverteidigerin bestellt wurde.

Wenn es richtig schief läuft, bekommt der Herr Präsident den § 21 StGB und dann ist die Tür offen zum § 63 StGB.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

9 Antworten auf Prozeßbericht auf Indymedia

  1. 1
    AlterEgo says:

    Für einen Anwalt ist so ein Mandant sicherlich die Höchststrafe. Dass er wohl starke Probleme hinsichtlich sozialer Kommunikation mit Mitmenschen hat und dass er wohl auch nicht prozessgeübt ist, ist wohl offensichtlich. Dass er zudem auch eine wohl schon selbstverliebte Ader hat, in seiner eigenen Welt lebt und unter einigem Verfolgungswahn leidet bzw. viele Dinge mit Verschwörungstheorien erklärt . Aber diesen bekommen ja heutzutage auch schon Anwälte dank Schäuble & Co von berufswegen sozusagen… ;-)

    Dennoch möchte ich anmerken, dass er zwischen seinen Respektlosigkeiten durchaus einige interessante Dinge geäußert hat. Z.B. wie die Durchsuchung ablief, dass Objekte (absichtlich?) verschlampt/verloren wurden, dass die Polizei offenbar schon länger ermittelte und dann mal holterdiepolter auf Gefahr im Verzug einen machte.

    Die Polizei scheint ja auch durchaus nicht nur nach Waffen/Sprengstoff gesucht haben, sondern den Anlass gleich auch für eine allgemeine Kontrolle der Lebensweise des Mandaten genutzt zu haben. Wer suchet, der findet.

    Dazu kommt noch, dass die „vorsitzende Richterin“ nach den Angaben des Mandanten nicht so recht sein Rechtfertigungs- und Fragebedürfnis in prozessuale Schranken verweisen kann. Es werden offenbar sinnlose Diskussionen geführt. Sinnlos, weil ungeordnet. Der Angeklagte weiß nicht, wie er seine Argumente in entsprechende Sprache verpacken kann, damit die Gedankenkonstruktionen verfolgt werden können. Die Richterin scheint dagegen nicht den gesamten geschilderten Sachverhalt auf das fragliche Moment einzugrenzen können. Klassischer Fall, wo hier ein Anwalt endlich mal seine Rolle als Organ der Rechtspflege wahrnehmen könnte und dem Gericht eine plausible Erklärung bieten könnte und gezielt bei den polizeilichen Zeugen nachfragen könnte.

    Aber nein. Offenbar ist der betrauten RAin das Verfahren peinlich. Es wäre wohl sehr umfangreich, wenn man das wie oben gesagt betriebe. Da es ja eh nur Pflichtverteidigung ist, wird ja eh Sparflamme gefahren (zeitmäßig). Ist sicherlich wirtschaftlich vernünftig, hilft aber für die eigentliche Verteidigung nicht wirklich weiter. Das Ergebnis ist ein Prozess, wo das Gericht und RA genervt ist und wo vermutlich 4 Prozesstage angesetzt werden am Ende und dann immer noch nichts zum Tatvorwurf ausgesagt wurde.

    Wie sehr das alles schief gelaufen ist, kann man schon beim „Deal“ sehen. Gerade bei solchen Mandanten ist es doch kaum zu erwarten, dass sie sich dann schuldig erkennen und eine kleine Strafe bekommen. Im Gegenteil. Da hilft nur schwarz oder weiß. Das muss doch allen Beteiligten klar gewesen sein im Vorfeld.

    Nunja, zusammenfassend bleibt zu fragen:
    Haben denn „Querulanten“ im Rechtstaat keine Rechte? Wie geht man mit „sozial nicht einfachen“ Menschen im Strafprozess um, so dass für alle Seiten ein geeignetes Ergebnis herauskommt?

  2. 2
    VolkerK says:

    @AlterEgo: Querulanten haben Rechte und die Absonderlichkeiten im Ermittlungsverfahren sind wirklich bedenklich.

    Aber den Knackpunkt schreiben sie mit

    „…in seiner eigenen Welt lebt und unter einigem Verfolgungswahn leidet bzw. viele Dinge mit Verschwörungstheorien erklärt.“

    Die Grenze zwischen einem Querulanten, der sich vorsätzlich und kontrolliert quer stellt, um bestimmte gesellschaftliche Prozesse aufzuhalten oder in den Focus zu stellen, und dem pathologischen Fall einer Erkrankung aus dem Formenkreis der Schizophrenie ist fließend.

    Ich weiss nicht, ob eine psychiatrische Begutachtung nicht sogar an dieser Stelle positiv wäre, um erstmal festzustellen, auf welcher Seite der Grenze der Angeklagte sich befindet, ob er bewusst ein politisches Motiv verfolgt oder ob es pathologisch ist und er nur immer wieder passende Themen sucht, um seine Paranioa zu tarnen.

  3. 3

    @ VolkerK:
    Meiner Kenntnis nach wird/wurde der dortige Angeklagte durch einen psychiatrischen Sachverständigen begutachtet. Das ist allerdings – aus Sicht eines Verteidigers – wegen der Gefahr, die in Form des § 63 StGB daherkommt, immer ein wenig kritisch. Wegen der Dauer der Unterbringung, die für den „Patienten“ nicht absehbar ist …

  4. 4
    AlterEgo says:

    Interesant wäre auch zu wissen, warum die Polizei ausgerechnet psych. Untersuchungsergebnisse bekommt. Gehören psychiatrische Gutachten zur Gefahrenabwehr? Das hat er ja zurecht bemängelt. Einen Nutzen für die Ermittlungsarbeit kann ich da nicht direkt erkennen und einfach mal (vielleicht später einmal interessante) Daten zu horten dürfte das ASOG nicht zulassen. Eigentlich schade, dass das Verfahren so wirr verläuft. Da könnte man noch viel über die Ermittlungsmethoden der Polizei lernen (mal abgesehen vom „Indymedia verfolgen“).

    Der Fall wäre vielleicht gar nicht mal so schlecht als Rechtsanwalt. Das Problem ist hier aber wie schon oben angedeutet wohl, dass es schlicht am Geld für das Verfolgen auf Seiten des Angeklagten fehlen wird. ;-)

  5. 5
    VolkerK says:

    @RA Hoenig:
    Klar, als Strafverteidiger sieht man erstmal die prozessuale Sache. Als Mensch mit Lizenz zum Therapieren sieht man den Angeklagten, der vielleicht (unbewusst) nur die jeweiligen Themen als Trägerwelle für seine Paranoia nutzt.
    Ich hab behördlicherseits mal Fälle nach dem PsychKG NRW bearbeitet und in (fast) allen Fällen mit paranoider Neigung und Selbst- oder Fremdgefährdung am Ende war im Vorfeld ein ähnlicher Verlauf gegeben. Am Ende stand die dauerhafte Zwangseinweisung ohne Therapiehoffnung, nachdem sie ihr eigenes Leben und, sofern vorhanden, das ihrer Familien halbwegs ruiniert hatten.
    Was nicht heisst, dass es hier so sein muss, umgekehrt gibt es auch genügend Querulanten ohne psychotischen Hintergrund, die durch ihre oft überzogenen Aktionen durchaus sogar die Gesellschaft verändern können.
    Aber was hilft dem Angeklagten in diesem Fall mehr? Eine Pro-Forma-Bewährungsstrafe ohne gerichtsverwertbares psychiatrisches Gutachten oder ein Gutachten, aus dem entweder hervorgeht, dass er eben kein Spinner ist, oder eines, das Hilfeansätze aufzeigen kann?
    Mal ehrlich: Ich bin da auch hilflos, denn eine außergerichtliche, nicht aktenkundige Diagnose würde ihm sicherlich am meisten helfen.

  6. 6

    @VolkerK:
    Diese Frage/n stelle ich oft, wenn ich einen psychisch kranken Menschen zu verteidigen habe. Die Antwort aus psychiatrischer Sicht ist m.E. schnell gegeben: Ein Gerichts-/Strafverfahren ist nicht der geeignete Ort für die Behandlung einer psychiatrischen Erkrankung. Der Strafrichter ist kein Therapeut.

    Und dann kommt (hier) ein weiteres Moment hinzu: Wenn es denn zu einer belastbaren Diagnose kommt: Eine Perspektive auf Heilung hat der Erkrankte auch nur, wenn eine Krankheitseinsicht vorliegt, die eine notwendige/logische Voraussetzung für die Therapiebereitschaft darstellt. Im vorliegenden Fall scheint’s mir genau daran zu mangeln.

  7. 7
    AlterEgo says:

    Die mangelnde Therapiebereitschaft wird sicherlich auch gerade durch das Strafverfahren begünstigt. Denn als Angeklagter muss man sich nun mal rechtfertigen und gerade wenn die Anklage nachweislich falsch ist (er wurde wohl hingeschubst), löst das natürlich starke Abwehrreflexe aus.

    Die Therapiebereitschaft wird sicherlich auch nicht gesteigert, wenn die Polizei die behaupteten Handlungen vorgenommen hat bzw. ihn auf dem „Kieker“ hat.

    Er fühlt sich derzeit wohl als Opfer denn als Täter und als Opfer dann noch die „Niederlage“ einzugestehen ist psychologisch sicherlich nicht so einfach einzugestehen. Insofern stimmt der Satz, dass der Strafprozess keine Therapiesitzung sein sollte.

    Die Frage ist aber, wie jetzt das Verfahren ausgeht. Eine Klärung des Sachverhalts wird wohl ewig dauern, ein Deal mit Strafe scheidet aus. Also kann man sich eigentlich nur noch mit einer Einstellung begnügen, wenn mans gescheit machen wollte.

    Die gewichtigen Vorwürfe werden sich wohl nicht beweisen lassen bzw. sind schon aufgegeben worden. Offenbar hätte man da einfach den Sachverhalt von Seiten der StA besser im Vorfeld klären müssen. Die Rolle der Polizei ist auch verworren und ich hab den Eindruck auf Grund des geschriebenen Beitrags, dass die Polizei sich da etwas verrannt hat. Eine Einstellung gegen Auflage scheint da wohl am sinnvollsten sein. So gewinnt jede Seite.

  8. 8

    Ich kenne den konkreten (Rest-)Vorwurf nicht, kann daher nicht beurteilen, ob die Einstellung nach § 153 a StPO, die Sie ansprechen, zulässig wäre.

    Anyway – sie setzt die Zustimmung auch den Angeklagten voraus, und die wird er wohl nicht geben.

    Daher wird es wohl auf ein Hop-oder-Top hinauslaufen.

  9. 9
    VolkerK says:

    Die Lage bei Paraoikern ist immer etwas verkorkst. Wer ihnen gegen die Paranoia helfen will ist (solange die Paranoia arbeitet) ein möglicher Feind, der z.B. ihre Sensibilität für die Verfolgung abstumpfen oder irritieren will. Fehlen tut ihnen auch nichts, krank/böse/kriminell sind ja die anderen, weshalb sie fast nie von sich aus wegen der Paranoia therapiewillig sind.
    Krankheitseinsicht ist erst möglich, wenn die Psychose beendet wurde, was aber in viele Fällen durch Antipsychotika gelingen kann – wobei ich kein Fan von Chemie bin, aber manche Patienten müssen erstmal dazu gebracht werden, sich mit einer Therapie auseinanderzusetzen.
    Insofern *kann* sogar eine Zwangseinweisung dazu führen, dass er am Ende nach einer Einstellung auf Antipsychotika therapiert wird. Es gibt reichlich Fälle, wo Patienten nach einer Therapie medikamentenfrei leben können, die Anzeichen ihrer Psychose erkennen lernen und ihre Medikamente dann wieder nehmen, wenn die Symptome beginnen.
    Selbst, wenn es nicht so weit kommt, kann man ihn daran hindern, sich und/oder anderen zu schaden.
    Voraussetzung ist natürlich ein belastbares Gutachten (glauben wir wirklich daran, dass alle Gutachten belastbar sind?), und dass man sich keine Gedanken drüber macht, wohin das führen kann…