Richter, die die Welt nicht braucht

Ausnahmsweise mal ein zivilrechtlicher Fall: Mütterchen Mü aus Osterrode im Harz kauft von Wilhelm Brause aus Berlin Tiergarten über eBay ein Navigationsgerät. Das paßt aber nicht ins Auto, deswegen verkauft sie es weiter an Bulli Bullmann. Bei Bullmann wird es von der Polizei abgeholt, weil das Gerät gestohlen war. Gegen Brause ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Hehlerei in über hundert Fällen. Mü erstattet den Kaufpreis an Bullmann.

Nun will Mü von Brause das Geld zurück. Irgendwas um die 300 Euro. Brause zahlt nicht. Mü klagt. Brause reagiert nicht.

Ich meine, daß dies eigentlich alles kein Problem darstellen sollte. Das Amtsgericht Tiergarten entscheidet den glasklaren Fall im schriftlichen Verfahren durch Erlaß eines Versäumnisurteils und schickt das Urteil per Post zu Mü in den Harz, damit sich Mü den Vollstreckungstitel im Seniorenwohnheim an die Wand hängen kann.

Anders sieht es der Herr Richter (deutlich über 60) am Amtsgericht Tiergarten. Der ordnet das persönliche Erscheinen der Parteien an und will eine mündliche Güteverhandlung durchführen. Auch auf die Intervention des Rechtsanwalts aus dem Harz, der Mü vertritt, ließ er sich davon nicht abbringen.

Der Kollege bittet mich, für ihn den Termin vor dem AG Tiergarten wahrzunehmen. Pünktlich stehe ich – mit allem Notwendigen ausgestattet, ohne Mü – vor dem Tisch des Zivilrichters. Brause erscheint erwartungsgemäß nicht. Ich stelle den Antrag aus der Klageschrift und den Erlaß des Versäumnisurteils, das antragsgemäß nach 15 Minuten sinnloser Warterei ergeht.

Ich habe es mir verkniffen, dem Richter deutlich zu sagen, was ich von so einem Mist halte. Obwohl es mir sehr schwer gefallen ist.

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

16 Antworten auf Richter, die die Welt nicht braucht

  1. 1
    fernetpunker says:

    Wusste der Amtsrichter denn, um wen es sich bei dem Beklagten handelt, dass gegen ihn wegen Hehlerei in 100 Fällen ermittelt wird?

  2. 2

    Ja, der Klage waren entsprechende Mitteilungen der StA Berlin beigefügt.

  3. 3
    Advokat says:

    so produzieren Richter sinnlose Terminsgebühren. Vermutlich ist für Mü eh nichts mehr zu holen, so hat sie schlechtem Geld noch gutes hinter her geworfen.

  4. 4
    RA JM says:

    Der Fehler lag wohl schon darin, dass das Gericht nicht von Anfang an das schriftliche Vorverfahren (276 ZPO) angeordnet, sondern die Klage dem Beklagten nur zur Erwiderung übersandt hat. Derartige Fehler sind im Nachhinein kaum noch zu korrigieren.

  5. 5
    doppelfish (bekennender nicht-Jurist) says:

    In welcher Grössenordnung bewegen sich denn solche Gebühren? Ich halte schon mal die 300 Euro zum Vergleich bereit …

  6. 6
    Tilman says:

    Welche Kostenfolge hat Ihre Einbindung als Vertreter vom Harz-RA? Verdoppeln sich die eigenen Kosten von Frau Mü, oder ist es anders?

  7. 7
    Fritz says:

    Ein Mahnbescheid mit anschließendem Vollstreckungsbescheid wäre die billigste Lösung gewesen, wenn ein unwissender Ignorant als Schuldner am anderen Ende sitzt.

  8. 8

    Es gibt einige Richter, die seit 20 Jahren noch kein einziges Mal ein schriftliches Vorverfahren verfügt haben. Besonders niederschmetternd ist das zum Beispiel immer dann, wenn man nach einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs von sagen wir mal sechs Monaten Miete auch noch auf den Termin warten muss, anstatt das ohnehin ergehende Versäumnisurteil direkt nach zwei Wochen zu erhalten.

  9. 9
    Mamedova says:

    Gibt es Menschenrechte?
    das nützt vor Gericht nicht, immer schwer echtverletzungen, für die Gerechtigkeit und die berechtogte oder unberechtigste mit Jahren beklopt werden.
    z.b.mein Klage auf behiderung leuft schon 4 jahre in SG Dortmund, hier entscheiden Vater NRW, oder Herr landrat, ich schon zwei jahre zu hause wie in haft, aber kein Befung, alle unterlage verschwunden, wo hausarzt muss 10 jahre aufbewahren, Korruption? weis nicht,Bürokrati ? auch weis nicht?
    ich weis nur das Deutschland kein Menschfreundliche und Kinderfreundliche land, die Richter auch mit Absich viel zeit ablaufen.

  10. 10
    Hm says:

    Der klageeinreichende Kollege hätte vielleicht auch ein Verfahren nach § 495 a ZPO anregen können. Ob dieser Richter damit zurecht gekommen wäre, mag dahinstehen. Jedenfalls erscheint es bei dieser Konstellation unwahrscheinlich, dass die Gegenseite die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hätte.

    btw: Frau Mü als Seniorenheimbewohnerin scheint ja noch rüstig zu sein, wenn sie ein Navigationsgerät über ebay kauft.

  11. 11

    naja, noch ne Terminsgebühr kassiert. Bei uns wird in solchen Fällen der stets rufbereite RRef losgelassen.

  12. 12
    Bonner RA says:

    Das erinnert mich an einen Studienkollegen, der sich immer über den Unsinn beschwerte, daß Richter mit Biegen und Brechen Vergleiche erzielen wollten.

    Inzwischen ist er selbst Richter, das oberste Maxim lautet „möglichst wenige Urteile schreiben“ und dafür hält er es auch für legitim, in Sachen mit keinen allzu großen Streitwerten die Parteien persönlich erscheinen zu lassen – selbst wenn sie dafür quer durch die Republik reisen müssen und es weder Anzeichen für eine Bereitschaft zur gütlichen Einigung noch zu einer besseren Klärung der Sachlage gibt.

  13. 13

    […] Kollege Hoenig stellt einen Fall dar, wo aber ein Grund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens […]

  14. 14
    TK says:

    Aha. Der Kollege Hönig war bei Abels & Langels.

  15. 15

    Nicht ganz richtig; der Kollege Hoenig war bei Wegner & Abels.

  16. 16
    TK says:

    Ups, als Grünschnabel geouted.