Schwieriges Augenmaß

Der Mandant hatte gemeinsam mit zwei weiteren Tätern einen Afrikaner ziemlich übel zugerichtet, dabei Naziparolen skandiert und den Mann heftigst beleidigt. Eine unschöne Sache, die ich als Verteidiger übernommen hatte, aber auch eine schwierige Herausforderung.

Am dritten Hauptverhandlungstag wurde gestern das Urteil verkündet. Erheblich strafmildernd hatte das Gericht das Geständnis des Mandanten gewertet; ohne die Schilderung des Tathergangs durch den Mandanten wäre das Verfahren für den Geschädigten, der als Zeuge aussagen mußte, wesentlich belastender gewesen. Auch wenn der Geschädigte die Entschuldigung meines Mandanten nicht akzeptiert hatte, das Gericht hat das ernsthafte Bemühen anerkannt. Die Scham über das eigene Verhalten war deutlich erkennbar.

Der Staatsanwalt, Spezialist für Anklagen wegen rechter Gewaltkriminalität, äußerte sich entspannt über die Strategie der drei Verteidiger, die alle keine „Szene-Anwälte“ sind (oder werden wollen). Mit dem Ergebnis können alle Beteiligten an diesem Verfahren leben. Auch weil die Strafkammer des Landgerichts Augenmaß bewahrt hat.

Schade, daß die Presse wieder einmal nur die Sensation aufgreift und über das Wesentliche des Verfahrens nicht berichtet.

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