Strafverteidiger in Berlin

Sind Strafverteidiger in oder aus Berlin eigentlich anders als andere?

Als Berliner Strafverteidiger stelle ich häufig fest, daß Richter und Staatsanwälte außerhalb Berlins mir zunächst mit Distanz, vielleicht auch mit einem gewissen Mißtrauen gegenüber treten.

Das mag vielleicht daran liegen, daß die Kultur der Strafverteidigung in Berlin eine andere ist als auf dem Dorf oder in der Kleinstadt. Wenn es hier einmal zum (persönlichen) Konflikt zwischen einem Richter und einem Verteidiger kommt, hat das oft kaum Konsequenzen für die weitere Arbeit beider: Die Chance (oder das Risiko), daß Richter und Verteidiger sich kurzfristig wieder gegenüberstehen, ist bei hunderten Richtern und tausenden Verteidigern eher gering. Das prägt natürlich den täglichen Umgang miteinander.

Wenn sich ein Verteidiger (oder Richter) aber in Eberswalde oder in Erding daneben benimmt, bekommen beide unter Umständen auf Jahre schlechte Laune, weil sie sich quasi täglich sehen (müssen). Deswegen sind Verteidiger (und Richter), die auf dem Lande arbeiten, vermutlich zurückhaltender als die aus der Stadt.

Oft führt der vermeintlich ruppige Berliner Verteidigungsstil zu Vorurteilen bei den „Dorfjuristen„. Ein erster und bedeutender Teil meiner Arbeit außerhalb Berlins besteht daher häufig darin, meinem Gegenüber zu zeigen, daß ich gar nicht so bin wie der uns Berlinern vorauseilende Ruf. Das führt dann sehr oft zu erleichterter Entspannung.

Aber es hat auch Vorteile, aus Berlin zu kommen. Wenn dem Mandanten nur noch ein Kollisionskurs vor Gericht helfen kann, dann ist die lokale Größe nicht ganz so frei in seiner Verteidigungskunst. Hier kann dann ein auswärtiger Verteidiger unabhängiger (böse Zungen würden sagen: rücksichtsloser) arbeiten.

Die oben beschriebene Distanz könnte aber auch ein übertriebener Respekt sein. Während die meisten Kollegen vom Lande „auch“ Strafverteidigungen übernehmen, also neben dem Strafrecht weitere Rechtsgebiete beackern, sind Berliner Verteidiger oft ausschließlich mit dem Strafrecht beschäftigt. Mit der engeren Spezialisierung steigt dann (hoffentlich) auch die Professionalität.

Ich arbeite seit 1996 als Verteidiger hauptsächlich in Berlin. Auch wenn ich es mir nicht vorstellen kann, eine Kanzlei in einer Kleinstadt zu betreiben, hat es mir die ganzen Jahre über immer wieder viel Spaß gemacht, auswärts zu verteidigen und den den Landeiern zu zeigen: Berliner Verteidiger sind nicht so wie ihr Ruf, jedenfalls nicht alle.

Dieser Beitrag wurde unter In eigener Sache veröffentlicht.

13 Antworten auf Strafverteidiger in Berlin

  1. 1

    also ich hab mein Referendariat an einem kleinen Gericht auf dem Lande gemacht und hab den kollegialen Umgang unter Richtern, Kollegen und Staatsanwälten sehr geschätzt, der auch die notwendigen informellen Gespräche zugelassen hat.

    Ein paar Ausnahmen gab/gibt es natürlich immer, diese hatten es dann umso schwerer und ihren Mandanten hatten sie mit ihrem Auftreten gleich gar keinen Gefallen getan.

  2. 2
    RA JM says:

    Vielleicht ist es aber auch nur die Angst, Thema in diesem Blog zu werden? ;-)

  3. 3
    icke says:

    Ich glaube diese Angst wäre bei Udo Vetter größer *SCNR*

  4. 4

    @Icke:
    Da wäre ich mir nicht so sicher. Herr Vetter hat im Vergleich mit mir die wesentlich gepflegteren Umgangsformen. Zahlreiche kleine Nadelstiche haben eine andere Qualität als ein kräftiger Schlag mit dem Kantholz. ;-)

  5. 5
    icke says:

    btw: Herr Vetter stösst auch schon mal leere Drohungen gegen einen gewissen Callboy aus Berlin aus wenn er sich persönlich angegriffen fühlt ;) Also irgendwann werden da die Nadelstiche auch zum Kantholz. Naja wir sind alle nur Menschen.

    na dann: Frohes Fest *g*

  6. 6
    RA JM says:

    … ein kräftiger Schlag mit dem Kantholz? ;-)

  7. 7
    icke says:

    Ich gehe nicht davon aus das sich Herr Hoenig zu diesem Zweck auf Autobahnbrücken rumtreibt ;)

  8. 8

    @ Icke:
    [ ] Sie haben den Witz verstanden.

  9. 9
    doppelfish says:

    Was denn nun, Berliner oder Braunschweiger?

  10. 10
    RA says:

    ich denke das problem liegt auf dem „land“ ganz woanders.

    ich praktiziere zwar nicht auf dem platten land, aber auch nicht in einer millionenstadt. hier kennt man sich, was oft auch viele vorteile hat. das problem liegt weniger darin, dass die strafverteidiger es sich bei den richtern nicht versauen wollen, sondern darin, dass die richterschaft ihr kundschaft meist seit langem kennt.

    bereits im refrendariat lernt man die namen der stammkundschaft kennen. im beruf, egal ob richter, staatsanwalt oder anwalt geht es dann weiter. in jeder zweiten ermittlungsakte finde ich bekannte namen.

    sitzt der angeklagte dann vor gericht, so kennt ihn der richter meist von kindesbeinen an und die ganze familie mit dabei. so ergibt sich eine vorverurteilung oft von selbst und muss noch nicht einmal beabsichtigt sein.

  11. 11

    … und wenn dann auch der alt-eingesessene Verteidiger den Angeklagten und seine Familie „von Kindesbeinen an“ kennt, dürfte es mit der Einhaltung der Spielregeln nicht weit her sein.

    Das sind genau die Fälle, in denen ich den Leuten dringend dazu rate, sich eines Verteidigers zu bedienen, der nicht aus dem selben Sprengel stammt.

    Dann ist es eher wahrscheinlich, daß sich jemand mal unvoreingenommen die Sache anschaut.

    Aber davon ab: Auch wir in Berlin haben da so unsere „Familien“, die bestens bekannt sind (und zwar weit über die Grenzen Berlins hinaus). Aber das ist dann wieder ein anderes Thema. ;-)

  12. 12
    RA says:

    das ist schon richtig. nur haben diese „kunden“ meist bereits jeden verteidiger in erreichbarer nähe durch;-)

  13. 13
    Klaus says:

    Ich hatte ja das Vergnügen einige Zeit in Berlin und andere Zeit außerhalb gewohnt zu haben.

    Generell sind Berliner außerhalb Berlins relativ unbeliebt. Dies liegt einerseits daran, dass die Berliner Art oft ungewohnt und sehr ruppig erscheint. Das ist meist eine Fehleinschätzung, wenn man die Berliner näher kennt, erkennt man den herzlichen Kern. Andererseits neigen Berliner zur Arroganz, alles was außerhalb Berlins liegt, ist tendenziell Provinz, wo etwas zurückgebliebene Menschen wohnen. Es ist nicht so extrem, wie angeblich die Pariser über den Rest Frankreichs reden, aber die Ansätze sind ja auch in diesem Blog zu erkennen, wenn man die Beurteilung über die mit den Dorfrichtern verbrüderten Dorfjuristen liest, die nicht an die professionelle Spezialisierung Berliner Verteidiger heranreichen. Ballungsgebiete außerhalb Berlins, wie Hamburg, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Stuttgart, München? Wo gibt es denn sowas? Und davon, dass Kiel eine Großstadt ist, haben einige Berliner auch noch nichts gehört.

    Meines Erachtens haben Berliner ein Problem: Sie sind tatsächlich von Provinz umgeben. Man muss tatsächlich stundenlang, bis man einen ernsthaften Ballungsraum außerhalb Berlins erreicht. Da verliert man schnell aus dem Blick, dass es auch anderswo Großstädte in Deutschland gibt. Und sie haben keinerlei Erfahrung damit, sich in anderen Regionen an die dortigen Umgangsformen zu gewöhnen. Sie kennen halt nur Berlinerisch. Ein anderes Problem ist, dass nach meiner Erfahrung Berliner selber durchaus provinziell sind. Tief in ihrem Kiez verwurzelt. Und wenn einem der Kollege vom Prenzlauer Berg erzählt, dass er im Westen war, muss man erstmal nachfragen, ob er damit Steglitz oder wirklich Westdeutschland meint (und im Extremfall stellt man fest, dass er in Kreuzberg beim Karneval der Kulturen war).